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# taz.de -- Serie über Alieninvasion: Die Physik macht, was sie will
> In der Serie „3 Body Problem“ steht die Physik Kopf. Sehenswert, obwohl
> es keine werkgetreue Umsetzung des Bestsellers „Die drei Sonnen“ ist.
Bild: Zine Tseng spielt die hier noch junge Wissenschaftlerin Ye Wenjie
Als der Physiker Saul Durand (Jovan Adepo) bei seiner Arbeit am
Teilchenbeschleuniger in Oxford widersinnige Daten misst, sagt er
frustriert: „Die Physik der gesamten letzten 60 Jahre ist falsch. Die
Wissenschaft ist hin.“ Plötzlich begehen auch noch eine ganze Reihe
Wissenschaftler Selbstmord, und einige Tage später fängt der nächtliche
Sternenhimmel weltweit sichtbar an zu blinken wie eine Lichtshow.
Die Physik macht in der Netflix-Serie „3 Body Problem“, der Adaption des
[1][Romans „Die drei Sonnen“ (2007)] des chinesischen Autors Cixin Liu, von
einem Tag auf den anderen, was sie will. Was ist da los? Auggie Salazar
(Elza González), Expertin für Nanotechnologie, steht kurz vor einem
wissenschaftlichen Durchbruch und sieht plötzlich einen Countdown vor ihren
Augen flimmern. Sie wird bedroht, ihre Forschungen zu beenden, sonst müsse
sie sterben. Bald gibt es immer mehr Hinweise, dass eine außerirdische
Spezies hinter diesen kaum fassbaren Phänomen steckt.
Cixin Lius 2.000 Seiten lange Romantrilogie dürfte das weltweit
meistgelesene Science-Fiction-Werk der vergangenen Jahre sein. Im
Unterschied zu Klassikern des Genres der Alieninvasionen – von H. G. Wells
„Krieg der Welten“ (1898) bis zu Roland Emmerichs [2][„Independence Day�…
(1996) – verzichtet „3 Body Problem“ auf platte Action und erzählt von
einer Invasion, die wegen der großen Entfernung erst in 400 Jahren droht.
## Invasion in 400 Jahren
Bis dahin sind die hoch technologisierten Außerirdischen, die in der
achtteiligen Serie gar nicht zu sehen sind, auf der Erde in Form
elfdimensionaler Quantencomputer in der Größe eines Protons anwesend. Das
erlaubt ihnen, Sinneswahrnehmungen zu verändern und alles abzuhören, was
die Menschen tun, um eine Gegenwehr aufzubauen. Auch wenn die Serie in
Grundzügen Cixin Lius Bestseller entspricht, entfernt sich die Umsetzung
dieses mit 200 Millionen Dollar Produktionskosten bisher teuersten
Serienprojekts von Netflix weit von der Vorlage.
Während das Buch fast nur in China spielt, sind große Teile der
Serienhandlung in London angesiedelt. Die Netflix-Adaption beginnt zwar
auch in [3][China während der Kulturrevolution], setzt sich fort in der
Inneren Mongolei. Dort arbeitet die dissidente Wissenschaftlerin Ye Wenjie
(Rosalind Chao) in einer Abhörstation, beantwortet Signale aus dem All und
ermöglicht die Invasion so überhaupt erst.
Aber die in der Gegenwart angesiedelte Handlung stellt eine Gruppe hipper
Londoner Physiker inklusive mittelständischer Alltagssorgen und
romantischer Verirrungen in den Mittelpunkt und nicht den Hobbyfotografen
und Professor für Nanowissenschaften aus Peking wie im Buch.
Die Serienmacher David Benioff und D. B. Weiss, die jahrelang die Skripts
für die [4][HBO-Erfolgsserie „Game of Thrones“] schrieben, verzichten in
der filmischen Adaption auf diverse Aspekte des Romans und packen in die
erste Staffel auch Versatzstücke aus Teil zwei und drei der Trilogie, was
aber für den Verlauf der Serie inhaltlich durchaus Sinn macht. Wer eine
werktreue Umsetzung erwartet, dürfte aber enttäuscht sein.
## Science-Fiction fürs Massenpublikum
Deutlich näher am Buch bleibt die 30 Episoden umfassende und ebenfalls
aufwendig produzierte chinesische Serie „Three-Body“, die 2023 erschien.
Die kann man mittlerweile [5][kostenfrei (Youtube) mit englischen
Untertiteln streamen]. „Three-Body“ zeigt deutlicher, dass Cixin Lius Roman
über weite Strecken auch Züge eines Krimis trägt und eine sozialkritische
Aufarbeitung von Zeitgeschichte bietet, wobei das China der 1960er Jahre
dem heutigen modernen gegenübersteht.
Auch wenn in der chinesischen Adaption deutlich mehr und mitunter
lebendiger über Physik diskutiert wird, schafft es die Netflix-Serie, die
komplexe, mitunter regelrecht wissenschaftsdidaktische Geschichte
dramaturgisch geschickt umzusetzen. Es geht um Entfernungen im Weltraum, um
Lichtgeschwindigkeit. Und um das titelgebende [6][„Dreikörperproblem“]: ein
physikalisches Rätsel über die Vorhersehbarkeit von Bahnverläufen und
Gravitationskräften dreier aufeinander wirkender Körper.
Auch die Geschichte ihres instabilen Planeten, die die Aliens durch ein
eigens hergestelltes Computerspiel erklären, wird bildmächtig inszeniert;
ebenso der Kampf der einzelnen Fraktionen auf der Erde, von
fundamentalistischen Alienunterstützern gegen transnationale staatliche
Stellen.
Die zeitgenössische Science-Fiction-Literatur schafft es selten ins Kino
oder in den Stream, weil nach wie vor hauptsächlich schon in die Jahre
gekommene und erprobte Stoffe verfilmt werden, wie [7][„Dune“] und
[8][„Blade Runner 2049“] zeigen. Insofern sollte man froh sein, dass es
auch mal einer der unzähligen neuen Romane schafft, im Zuge des nach wie
vor großen Science-Fiction-Hypes für ein Massenpublikum verfilmt zu werden.
24 Mar 2024
## LINKS
[1] /Science-Fiction-aus-China/!5408403
[2] /Film-Independence-Day-Wiederkehr/!5319119
[3] /50-Jahre-Kulturrevolution-in-China/!5301569
[4] /Letzte-Staffel-Game-of-Thrones-startet/!5587303
[5] https://www.youtube.com/watch?v=3-UO8jbrIoM&list=PLMX26aiIvX5oCR4bBg2j0…
[6] https://www.spektrum.de/kolumne/dreikoerperproblem-von-liu-cixin-sciencefic…
[7] /Science-Fiction-Dune--Part-2/!5993095
[8] /Blade-Runner-2049-im-Kino/!5451226
## AUTOREN
Florian Schmid
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