# taz.de -- Science-Fiction „Dune – Part 2“: Die Mähne des Propheten | |
> Wie ein Best-of-Sci-Fi wirkt „Dune – Part 2“ des kanadischen Regisseur | |
> Denis Villeneuve. Seine Romanverfilmung bietet reichlich spektakuläre | |
> Bilder. | |
Bild: Jesus, wer kommt denn da? Timothée Chalamet in „Dune – Part 2“ | |
Wäre es nicht mal wieder Zeit für einen Messias? Angesichts vielfältiger | |
Krisenherde könnten selbst dem Atheismus zuneigende Menschen Gefallen an | |
dem Gedanken finden, von einer Lichtgestalt aus der Finsternis geführt zu | |
werden. Andererseits versprechen bekanntermaßen auch populistische Führer, | |
egal ob von rechts oder links, gern einfache Lösungen als Ausweg aus den | |
Krisen der Gegenwart. Was also tun? | |
Antworten auf solch existenzielle Fragen liefert das Kino zwar nicht, aber | |
ein Epos wie „Dune – Part 2“ zeigt zumindest gut auf, welcher Zwiespalt in | |
der Figur eines Messias liegt – auch wenn [1][Denis Villeneuves Spielfilm] | |
sich bisweilen selbst nicht ganz zu entscheiden scheint, ob er diesen | |
Messias nun verehrt und verklärt oder nicht doch eher problematisch findet. | |
Ersteres erscheint leicht nachvollziehbar, kommt der Messias in „Dune“ doch | |
in Gestalt von [2][Timothée Chalamet daher, der seit seinem Durchbruch in | |
„Call Me by Your Name“] zwar auf eine wirklich gute Rolle wartet, dafür | |
aber auf roten Teppichen und in der aktuellen Chanel-Werbung eine sehr gute | |
Figur macht. Kein Wunder also, das Villeneuve seinen Hauptdarsteller immer | |
wieder ins allerschönste Licht taucht, ein Licht, das dieses Mal besonders | |
weich und sanft über Chalamets markante Wangenknochen streift und durch | |
seine kaum bezähmbaren Haare scheint, denn gedreht wurde in den Weiten der | |
Wüste Arabiens. | |
Immer wieder steht oder sitzt Chalamet dort als Paul Atreides auf | |
Sanddünen, blickt versonnen in die Ferne und hadert mit der Frage, ob er | |
nun der Messias ist oder nicht. Gerade diese Selbstzweifel verstärken den | |
Glauben an diesen jungen Helden, man kennt das aus Messias-Geschichten von | |
„The Matrix“ bis „Das Leben des Brian“, wo einst Brian wie nun Paul | |
felsenfest behauptete, nicht der Messias zu sein. Woraufhin seine | |
fanatischen Anhänger behaupteten: „Nur der Messias verneint, der Messias zu | |
sein! Er ist der Messias!“ | |
## Schutz vor Verfolgung gesucht | |
Ganz so humorvoll wie bei Monty Python geht es in „Dune – Part 2“ | |
allerdings nicht zu: Der Kanadier Villeneuve hat einen Film gedreht, der | |
sich sehr ernst nimmt und das in jedem Moment auch zeigt. | |
Gut, die Geschichte beginnt auch mit den Folgen eines Genozids, bei dem die | |
Mitglieder des Hauses von Atreides fast vollständig vernichtet wurden. Paul | |
und seine Mutter Jessica (Rebecca Ferguson) finden in der Wüste | |
Unterschlupf, wo sie von Stilgar (Javier Bardem), dem Anführer der Fremen, | |
beschützt werden. | |
Dieser glaubt fest an die Prophezeiung, dass dereinst ein Messias kommen | |
wird, um die Fremen aus der Unterdrückung durch das Haus der Harkonnen zu | |
befreien. Dieses wird angeführt vom übergewichtigen Baron (Stellan | |
Skarsgård), dessen Neffe Feyd-Rautha (Austin Butler) ein komplett | |
unbehaarter Sadist ist. So sonnig und sandig die Welt von „Dune“ ist, so | |
schwarz-weiß wirkt die Welt von Harkonnen, wo Villeneuve in einer Mischung | |
aus Leni Riefenstahl und „Gladiator“ lustvoll mit faschistischer | |
Bildsprache arbeitet. | |
## Nonnen mit finsteren Plänen | |
Bei dieser Dichotomie aus Gut und Böse bleibt es aber nicht, Paul findet | |
sich auch zwischen zwei Frauen, einer Prinzessin (Florence Pugh) und der | |
Stammeskriegerin Chani (Zendaya). Und als wäre das nicht genug, spielen | |
auch noch die Machenschaften eines uralten Nonnenordens eine Rolle: die | |
Bene Gesserit, deren Angehörige die Zukunft erahnen, Gedanken manipulieren | |
können und dementsprechend finstere, schwer zu durchschauende Pläne | |
aushecken. | |
Wenn sich all das wie eine Variante von „Star Wars“ anhört, nur ohne | |
lustige Robotor und Ewoks, stimmt das genau, nur umgekehrt: Die Romanwelten | |
von Frank Herbert waren George Lucas’ größte Inspiration, die wiederum | |
zahllose andere Science-Fiction-Filme beeinflussten. Was dazu führt, das | |
„Dune“ sich wie ein Abklatsch anfühlt, der zwar oft spektakuläre Bilder | |
bietet, aber eben auch wie ein Best-of-Sci-Fi wirkt. | |
Die Komplexität der Romanvorlage dagegen scheint nur in Momenten durch, die | |
Diskussion um den Messias, vor allem aber der kolonialismuskritische | |
Ansatz. Man mag Paul Atreides als Variante des legendären und umstrittenen | |
Lawrence von Arabien verstehen, der einst auf der Arabischen Halbinsel | |
agierte und davon träumte, die arabischen Stämme zu einen. | |
In David Leans berühmten Film, der kurz vor Erscheinen des ersten | |
„Dune“-Romans im Kino lief, verkörperte der blonde, blauäugige [3][Peter | |
O’Toole Lawrence] als einen von sich selbst überzeugten, irgendwo zwischen | |
Vision und Wahnsinn agierenden Einzelkämpfer, der für manche ein Messias | |
war, für andere ein falscher Prophet. | |
Auf dieser Balance bewegte sich auch Herberts Roman, der Fragen stellte, | |
die auch an das Selbstverständnis der Kolonialmächte gerichtet waren: | |
Konnte, sollte man anderen Völkern die Demokratie bringen, bei Bedarf auch | |
mit Gewalt, oder wäre das eher ein Zeichen von Hybris? Irgendwo unter der | |
beeindrucken Oberfläche verhandelt Denis Villeneuve diese Fragen, auch wenn | |
er am Ende in typischer Hollywoodgroßproduktionsmanier so offen bleibt, | |
dass er von allen Seiten vereinnahmbar erscheint – gerade so wie ein | |
(möglicher) Messias. | |
29 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Michael Meyns | |
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