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# taz.de -- Deutsche Solarbranche in der Krise: Entweder teuer oder abhängig
> Die deutsche Produktion von Solaranlagen bricht zusammen. Bald macht das
> größte hiesige Werk dicht. Was braucht die Branche von der Politik?
Bild: Hier schließen bald die Pforten: ein Mitarbeiter im Solarwerk in Freiberg
Wie ist die aktuelle Lage in der hiesigen Solarindustrie?
Einerseits herrscht ein Boom. Viele Immobilienbesitzerinnen und -besitzer
installieren neuerdings kleine Solarkraftwerke auf ihren Hausdächern. Die
Zahl der großen Anlagen neben Bahnstrecken und Autobahnen wächst ebenfalls
rapide. Andererseits wird der größte Teil der Komponenten nicht in
Deutschland und Europa hergestellt. Vor allem aus China kommen Solarzellen
und Module, die günstiger sind als solche aus einheimischer Fertigung.
Deswegen hat [1][Meyer Burger, der größte hiesige Hersteller, das Ende der
Modulproduktion in Freiberg angekündigt], wo rund 500 Beschäftigte
arbeiten. Am 14. März soll Schluss sein – wenn nicht noch ein Signal der
Regierungskoalition kommt. Auch die Glasmanufaktur Brandenburg, die Glas
für Solaranlagen produziert, sieht sich bedroht. [2][Weitere Solarfabriken
wie Heckert und Solarwatt berichteten ebenfalls über Schwierigkeiten.]
Ist die Branche wichtig?
[3][Sie ist zentral für die Energiewende und den Übergang zu der
klimaneutralen Wirtschaft], die die Bundesregierung und die Europäische
Union anstreben. Um Kohle, Öl und Gas zu ersetzen, muss die
Energieproduktion unter anderem mit Solarkraftwerken stark steigen. Vor 10
bis 15 Jahren ist die hiesige Produktion von Solaranlagen schon einmal
zusammengebrochen. Momentan unternehmen einige Hersteller den Versuch, sie
wieder auszubauen.
Warum stehen die Solarfirmen unter Druck?
Augenblicklich sieht die globale Produktionskette so aus: China liefert
laut dem Freiburger Fraunhofer-Institut ISE 90 Prozent allen
[4][Polysiliziums] weltweit, des Ausgangsstoffs der Solarzellenfertigung.
Auch die fertigen Produkte, die letztlich auf Dächern und Wiesen landen,
kommen zur großen Mehrheit von dort: 85 Prozent der Module und 91 Prozent
der verbauten Solarzellen. Das liegt daran, dass die chinesische Regierung
die dortige Produktion in den vergangenen Jahren erheblich hat ausbauen
lassen. Große Fabriken arbeiten günstiger als die vergleichsweise
kleinteilige Fertigung in Europa. Außerdem verbilligt China seine
Solarmodule mit Subventionen und Rabatten.
Was spricht gegen chinesische Module?
Erst einmal nichts, ihr niedriger Preis ist ja auch gut für die
Energiewende: Die Herstellung von Solarstrom wird so schließlich billiger.
Privathaushalte und Unternehmen bezahlen weniger. Doch Carsten Körnig, der
Chef des [5][Bundesverbandes der Solarwirtschaft], sagt: „Deutschland und
Europa benötigen eine eigene Produktionskette für Solarzellen und
Solarmodule, um bei dieser wichtigen Technologie weniger abhängig zu sein.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht es ähnlich: „Sicherheit hat
ihren Preis.“ Den grünen Politiker treibt diese Sorge um: China ist eine
konkurrierende Weltmacht, die, wie die USA und Europa auch, Ökonomie als
Waffe einsetzen kann. Was würde passieren, wenn die chinesische Regierung
den Export von Solarmodulen nach Europa einschränkte oder unterbände? Eine
Antwort lautet: Es ist nötig, strategisch wichtige Produkte wie Solar- und
Windkraftwerke, Batterien für Elektroautos, Chips für die
Datenkommunikation oder Elektrolyseure für grünen Wasserstoff selbst
herstellen zu können – auch wenn das teurer ist.
Gibt es einen Plan?
Das fast fertige Netto-Null-Industriegesetz der EU („Net Zero Industry
Act“) sieht vor, dass bis 2030 etwa 40 Prozent bestimmter [6][strategischer
Produkte in Europa] gefertigt werden, ohne die die Transformation zur
klimaneutralen Wirtschaft nicht funktioniert. Das ist einer von mehreren
Ansätzen, mit dem EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedsländer daran
arbeiten, der chinesischen, aber auch der US-amerikanischen
Subventionspolitik etwas entgegenzusetzen. Im Zuge dieser Politik haben
Konzerne wie Intel (Computerchips), Northvolt (Autobatterien) und
Thyssenkrupp (Stahl) bereits Zusagen für Milliarden Euro staatlicher
Subventionen erhalten, um ihre Fertigung hierzulande zu sichern oder
auszubauen – Solarhersteller aber noch nicht.
Will die Bundesregierung die Solarbranche unterstützen?
Die Ampel-Regierung ist auch nicht gleich gesinnt: SPD und Grüne
befürworten solche Subventionen grundsätzlich, die FDP ist zurückhaltend.
Das liegt an der grundsätzlichen liberalen Skepsis gegen Staatseingriffe in
den Markt, aber auch am Geldmangel. Seit dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 fehlen der Regierung Dutzende
Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds.
Was wünscht sich die Branche?
In der Branche herrscht Uneinigkeit darüber, wie eine staatliche Förderung
gestaltet werden sollte. Meyer Burger und der Solarverband haben einen
zusätzlichen Bonus vorgeschlagen, den Immobilienbesitzer für ins
öffentliche Netz eingespeisten Solarstrom erhalten würden, wenn dieser
heimisch produzierten Zellen und Modulen entstammt. Das würde den höheren
Preis heimischer Produkte ausgleichen, die Nachfrage nach ihnen stiege,
Meyer Burger könnte weiter in Sachsen fertigen. Andere Firmen wie etwa
Enpal, die nicht selbst produzieren, sondern chinesische Module verkaufen,
raten davon ab. Argument: Die Hauseigentümerinnen und Eigentümer würden auf
die günstigeren deutschen Module warten, der Markt geriete durcheinander,
der augenblickliche Solarboom könne leiden. Eine zweite Variante, die unter
anderem Energieökonomin Claudia Kemfert befürwortet: Betreiber von
geplanten Solarparks könnten einen Bonus erhalten, damit sie eher heimische
Module verwenden, nicht chinesische. Um solche Subventionen zu zahlen,
müsste aber wohl erst das EU-Industrie-Gesetz in Kraft sein. Und das kann
noch dauern. Die Antwort darauf, dass Meyer Burger die Produktion schon
nächste Woche einstellen will, ist das also nicht.
5 Mar 2024
## LINKS
[1] /Schliessung-von-Modulproduktion/!5992264
[2] /Ende-der-deutschen-Solarmodulproduktion/!5991942
[3] /Gruener-Fraktionsvize-ueber-Solarindustrie/!5987293
[4] /Europas-Kampf-um-die-Solarindustrie/!5914293
[5] https://www.solarwirtschaft.de/
[6] /Oekonom-Jens-Suedekum-zur-Haushaltskrise/!5970282
## AUTOREN
Hannes Koch
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