# taz.de -- Bauernproteste in Sachsen: Für Kretschmer klatschen | |
> Auch in Dresden ist der Protest der Landwirte groß – die radikalen Kräfte | |
> sind dieses mal aber klein. | |
Bild: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf einer Kundgebung des B… | |
DRESDEN taz | Es wäre keine Großdemo in Sachsen, wenn die Redner und | |
Veranstalter sie nicht in einen historischen Kontext gestellt hätten. Die | |
angeblich 4.000 Traktoren in der Dresdner Innenstadt und die geschätzt | |
5.000 Demonstranten auf dem Theaterplatz sind mit dem Bauernkrieg vor 500 | |
Jahren, der Friedensbewegung der 1980-er Jahre und den erfolgreichen | |
Protesten gegen das SED-Regime 1989 verglichen worden. | |
Laut den Rednern beginnt an diesem Mittwoch in Dresden etwas ähnlich | |
Großes: eine anhaltende bundesweite Protestwelle, mit Sachsen als | |
Vorreiter. Wie sich schon am Montag angedeutet hatte, ging die Dresdner | |
Demo weit über die Agrarwirtschaft hinaus und geriet zu einer | |
Generalabrechnung mit der Berliner Ampel und ihrer Politik: „Die Bauern | |
machen den ersten Schritt – am Ende fällt immer der König“, ist auf | |
Plakaten zu lesen. Auf anderen werden Neuwahlen gefordert. | |
Landesbauernpräsident Torsten Krawzyk attackiert denn auch die allgemeine | |
politische Übergriffigkeit gegenüber der gesellschaftlichen Mitte, den | |
„Leistungsbereiten“. Der Druck im Kessel sei hoch und der größte | |
Fachkräftemangel herrsche in der Regierung. Nationalistische Töne sind in | |
diesem Tag mehrfach zu hören – etwa bei dem Slogan „Unser Land zuerst“. | |
Anders [1][als zu Wochenbeginn] sind extreme Kräfte auf dem Platz vor der | |
Semperoper aber Randerscheinungen geblieben. Am deutlichsten sichtbar ist | |
die AfD mit Bannern wie „Dem Handwerk reicht´s“ in unverkennbarem Blau-Rot, | |
aber das Parteilogo vermeidend. Ein allzu eifriger Schwenker der | |
weiß-grünen Fahne mit Königswappen der radikalen „Freien Sachsen“ wird v… | |
Ordnern sanft an den Rand eskortiert. Seine Gesinnungsfreunde behalten die | |
Fahnen im Rucksack. | |
## Kretschmer entschuldigt sich | |
Zu sehen und zu hören sind aber auch nachdenkliche Äußerungen. „Ohne | |
Pandemie und Kriege wäre Geld da zu Genüge“, heben sich zwei Privatpersonen | |
von der empörten Grundstimmung ab. „Die Welt braucht keine Milliardäre“, | |
mahnt ein Plakat. Die Proteste seien „kumulierter Ausdruck einer falschen | |
Europa- und Weltpolitik, die uns jetzt auf die Füße fällt“, sagt eine | |
Landwirtin. Niemand wolle hier noch mehr Subventionen, so der Tenor derer, | |
die ans Rednerpodium treten. Nur fairen Wettbewerb. | |
Ein Milchbauer aus dem Raum Kamenz würde auch gern ohne sie auskommen, wenn | |
die Erzeugerpreise die Existenz sichern würden. „Dafür müssten aber die | |
Lebensmittelpreise steigen!“ Er und die sächsischen Landwirte sind | |
besonders sauer, weil Sachsen als einziges Bundesland bislang die | |
EU-Ausgleichszahlungen noch nicht weitergeleitet hat. Dafür entschuldigt | |
sich Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), ohne seinen grünen | |
Landwirtschaftsminister Wolfram Günther zu erwähnen. Dessen Rücktritt wird | |
heftig gefordert. | |
Kretschmer, begleitet von vielen Mitgliedern der CDU-Fraktion aus dem nahen | |
Landtag, wird teilweise mit Pfiffen empfangen, ausgebuht und aufgefordert, | |
seine grüne Jacke auszuziehen. Dabei stellt er sich weitgehend hinter die | |
Proteste und lobt die „Helden des Alltags“. Der Agrarsektor sei nicht | |
hochsubventioniert, sondern mit hohen Abgaben belastet und auch im | |
europäischen Maßstab benachteiligt. | |
Kretschmer erhält den meisten Beifall, als er in neidvolle Äußerungen | |
gegenüber vermeintlichen Schmarotzern einstimmt. „Deshalb müssen wir an das | |
Bürgergeld ran!“ Einige Sätze später beschwört er wiederum den | |
gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der ist an diesem Mittwoch bei der | |
Bauerndemo nicht gefährdet. Auch nicht, als am Nachmittag gewaltige Trecker | |
mit hohem Tempo dank verbilligtem Diesel gen Autobahn zurückdonnern. | |
10 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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