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# taz.de -- Debatte um neue Wehrpflicht: Wehrdienst wie in Schweden?
> Verteidigungsminister Pistorius denkt über eine neue Wehrpflicht für
> Männer und Frauen nach. Doch er muss mit hohen rechtlichen Hürden
> rechnen.
Bild: Eine Soldatin der Bundeswehr beim Feldjägertag in der Hauptfeldwebel-Lag…
Freiburg taz | Die von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in
[1][die Diskussion gebrachte Wehrpflicht] nach schwedischem Muster würde
gleich doppelt gegen das Grundgesetz verstoßen. Zum einen wäre die
Wehrgerechtigkeit nicht gewahrt. Zum anderen soll sie auch Frauen erfassen.
Die Einführung wäre also nur nach einer doppelten Grundgesetzänderung
möglich.
Im Interview mit der Welt am Sonntag sagte Pistorius, die Aussetzung der
Wehrpflicht 2011 sei ein Fehler gewesen. Sie nun in alter Form
wiedereinzuführen, sei aber schwierig, weshalb er sich auch andere Modelle,
etwa das schwedische, anschaue. „Dort werden alle jungen Frauen und Männer
gemustert und nur ein ausgewählter Teil von ihnen leistet am Ende den
Grundwehrdienst.“
Nach Darstellung des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags sieht das
2017 eingeführte schwedische Modell so aus: Im Geburtsjahrgang 2000 gab es
93.000 Männer und Frauen. Alle mussten einen webbasierten Fragebogen zu
Motivation, Fähigkeiten und Interessen ausfüllen. Auf dieser Grundlage
wurden 11.000 Personen zur Musterung geladen, wo sie insbesondere
körperlich untersucht wurden.
Für 2019 wurden am Ende 4.000 Rekrut:innen zum Dienst verpflichtet,
wobei in der Regel nur Männer und Frauen eingezogen wurden, die auch
Interesse geäußert hatten. Der Dienst dauert 12 Monate und wurde damals mit
umgerechnet 14 Euro pro Tag vergütet (plus Verpflegung und Unterkunft). In
Deutschland werden im Jahr rund 750.000 Kinder geboren. Die Zahlen lägen
also etwa achtmal so hoch wie in Schweden.
## Probleme mit der Wehrgerechtigkeit
Da es um eine Wehrpflicht geht, müssen nach dem schwedischen Modell auch
dann Rekrut:innen eingezogen werden, [2][wenn sich nicht genügend
geeignete junge Männer und Frauen interessieren]. Es geht also nicht nur um
eine Musterungspflicht, wie manche in Deutschland das Modell derzeit
missverstehen.
Die Einführung des schwedischen Modells in Deutschland könnte, wenn es
tatsächlich zu Zwangseinberufungen kommt, zu Problemen mit der
Wehrgerechtigkeit führen. Danach müssen „möglichst alle verfügbaren
Wehrpflichtigen“ auch zum Wehrdienst herangezogen werden, so das
Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil von 2005.
Der Gesetzgeber könne allerdings im Wehrpflichtgesetz [3][die
Tauglichkeitsanforderungen hochsetzen] oder Wehrdienstausnahmen ausweiten –
etwa für Verheiratete. Das schwedische Modell, bei dem nur ein kleiner Teil
der Männer und Frauen am Ende Dienst leisten muss, wäre mit deutschen
verfassungsrechtlichen Vorgaben aber kaum vereinbar.
Das Gleiche gilt für einen zweiten wichtigen Aspekt: In Schweden gilt die
Wehrpflicht nämlich für Männer und Frauen, während sie im deutschen
Grundgesetz nur für Männer vorgesehen ist. Für Frauen könnte die
Wehrpflicht deshalb nicht einfach per Gesetz eingeführt werden, denn laut
Grundgesetz ist Zwangsarbeit grundsätzlich verboten. Auch hier wäre
schließlich eine Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag
und Bundesrat erforderlich.
28 Dec 2023
## LINKS
[1] /Verteidigungsminister-ueber-Dienstpflicht/!5916465
[2] /Bundeswehr-schlecht-ausgestattet/!5979328
[3] /Mehr-Geld-fuer-die-Bundeswehr/!5972197
## AUTOREN
Christian Rath
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