# taz.de -- Schau von Schriftsteller Tom McCarthy: Der Bruch im Loop und umgeke… | |
> Im Dortmunder Hardware MedienKunstVerein ist die Schau „Holding Pattern“ | |
> zu sehen. Kurator Tom McCarthy zeigt Größen der Medienkunst. | |
Bild: Ein Szenenbild aus Susan Philipsz’ Film „Ambient Air“ (2021) | |
Wer einen Roman von Tom McCarthy liest, bekommt gerne Begriffe wie | |
„Integritätsvorfall“ oder „Kausalketten“ um die Ohren gehauen. Etwa in… | |
Dreh von Inkarnation“, seinem bislang letzten Roman (2021), 2024 auf | |
Deutsch erschienen – ein Buch über die Erforschung, Berechnung, | |
Kapitalisierung, aber auch die technische Poesie und Mystifizierung von | |
Bewegungsmustern. Um Lillian Gilbreth geht es darin etwa, eine Vertreterin | |
der Psychotechnik als psychologischer Strömung des 20. Jahrhunderts, die | |
Mensch-Maschine-Interaktionen im Sinn ökonomischer Optimierung erforschte. | |
Wie auch in McCarthys „Satin Island“ (2015) über einen Anthropologen, der | |
auf den Warte-Cursor seines Bildschirms starrt und dabei am Schreiben eines | |
Berichts für eine Consultingfirma scheitert, ist das menschliche Subjekt | |
hier nur Funktion eines technologischen beziehungsweise psychischen | |
Regimes. | |
Dabei hat der mittlerweile schwedische Schriftsteller britischer Herkunft, | |
der in Berlin lebt, auch ein Spielbein in der bildenden Kunst. Als Teil des | |
Künstlerprojekts „International Necronautical Society“ stellt er seit den | |
1990er Jahren im internationalen Kontext aus. Wenn McCarthy nun eingeladen | |
wurde, Themen seiner Romane kuratorisch im Ausstellungsraum umzusetzen, | |
heißt die Frage also nicht unbedingt, ob das gelingt, sondern wie. | |
Gemeinsam mit der norwegischen Kuratorin Anne Hilde Neset hat er für die | |
Ausstellung „Holding Pattern – Warteschleifen und andere Loops“ am | |
Dortmunder Hartware MedienKunstVerein nun Arbeiten von sieben | |
Künstler*innen zusammengestellt, die Motiven aus seinen Büchern verwandt | |
sind. 2022 bereits ähnlich in Oslo gezeigt, werfen die meist videobasierten | |
Exponate nicht nur die Frage auf, ob man McCarthys Werk kennen muss, um die | |
Ausstellungskonzeption nachvollziehen zu können (hilfreich, aber nicht | |
zwingend). | |
Angesichts [1][aktueller politischer Disruptionen] stellt man sich | |
plötzlich auch die Frage, ob das Thema des „Holding Pattern“, der | |
Warteschleife, als Symbol technokultureller Wiederholungsbesessenheit für | |
die Gegenwartsdiagnose noch taugt? | |
So fällt bei Susan Philipsz’ Film „Ambient Air“ (2021), bei dem sie, | |
[2][Brian Enos „Music for Airports“ ins Headset] summend, über dem Berliner | |
Flughafen Tegel kreist, sofort das Fehlen der heute dort stehenden | |
Flüchtlingsunterkünfte auf. | |
## Menschen mimen CGI-Avatare | |
Auch beim Betrachten eines aufgeschlagenen Buchs des schwedischen Dichters, | |
Kampfpiloten, Schriftstellers und Künstlers Åke Hodell von 1963, das nur | |
die langgezogenen Worte „i gevär“ („Präsentiert das Gewehr!“) enthäl… | |
Klänge aus dem Stockholmer Königspalast, die Hodell zweimal täglich aus | |
seiner nahen Wohnung hören musste –, denkt man plötzlich an die kürzlich in | |
Deutschland debattierte [3][Formel der „Wehrpflicht nach schwedischem | |
Modell“.] | |
Die Idee des Videos „Freeroam À Rebours, Mod#I.1“ (2016) von Stefan Panhans | |
und Andrea Winkler, bei dem menschliche Akteure überzeugend präzise | |
CGI-Avatare aus dem Computerspiel Grand Theft Auto mimen, ist zwar längst | |
Tiktok-Alltag, verschränkt sich aber mit McCarthys Werk umso genauer. | |
Gleiches gilt für Harun Farockis „Deep Play“ (2007), das auf 12 Monitoren | |
verschiedene Echtzeitanalysen des Fußball-WM-Endspiels von 2006 zeigt – von | |
Motion Capture bis zur Kameraüberwachung vor dem Stadion. | |
Zurück also zur Frage der Gegenwartsdiagnose. In „Der Dreh von Inkarnation“ | |
heißt es: „Wir haben entdeckt, dass es auch dann, wenn es kein Muster gibt, | |
immer noch ein Muster gibt.“ Disruption wäre dann auch nur eine Funktion | |
der Warteschleife – womit die Ausstellung die Bewegungen des Jetzt | |
diskutabel mit kartiert hätte. | |
7 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Martin Conrads | |
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