Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hamburg-Krimi „Tödlicher Schlaf“: Die Verbrechen des Robert Ko…
> Während Europa um Frauenrechte kämpft, vollzieht Robert Koch in der
> Kolonie Deutsch-Ostafrika illegale medizinische Versuche. Das ist nicht
> erfunden.
Bild: Umstrittener Gründer: Eingang des Robert Koch-Instituts in Berlin
Hamburg taz | Bei diesem Krimi muss man sich nicht fragen, ob man die Morde
eines Verzweifelten oder zumindest seine Motive versteht. Bei Christoph
Elberns 1907 spielendem Hamburg-Roman „Tödlicher Schlaf“ sind Gut und Böse
klar definiert. Wobei zunächst nebulös ist, worauf der als Tagebuch des
Ermittlers verfasste Roman hinausläuft: Als Ich-Erzähler tritt zunächst der
am [1][Bernhard-Nocht-Institut] tätige Bakteriologe Carl-Jakob Melcher auf.
Recht gemächlich beschreibt er im gediegenen Stil des wohlhabenden Milieus
um 1900 sein recht sorgloses Leben.
Das nimmt aber Fahrt auf, als aus England eine junge feministische
Verwandte anreist und sich fortan – zum Missvergnügen besagter Hautevolee –
für [2][Frauenrechte] engagiert. Blutige Straßenkämpfe gibt es da; und bis
hierhin erinnert das Buch an Boris Meyns historischen Krimi „Der blaue
Tod“, der 1892 spielt, dem Jahr der Hamburger Cholera und den folgenden
Arbeiterunruhen.
Doch dann weitet Autor Elbern den Horizont und offenbart eine zynische
zeitliche Parallele: Während Europa um Frauenrechte kämpft, vollzieht der
Mediziner und Bakteriologe [3][Robert Koch] in der damaligen Kolonie
Deutsch-Ostafrika illegale medizinische Versuche. Ein Mittel gegen die
tödliche Schlafkrankheit soll er im Auftrag der deutschen Regierung finden
– nicht etwa, um das [4][Leben der Einheimischen] zu schützen, sondern um
deren Arbeitskraft zwecks Ausbeutung der Kolonien zu erhalten.
## Robert Koch zwingt die Menschen in „Konzentrationslager“
Dazu zwingt Koch die Menschen in aus instabilen Hütten gezimmerte
„Konzentrationslager“ – genau so nennt er sie – und injiziert ihnen das
arsenhaltige Atoxyl. Und obwohl er weiß, dass es tödlich sein kann, erhöht
er die Dosierung stetig und führt Statistiken über die (beträchtliche) Zahl
der an diesen Experimenten Gestorbenen. Derlei Menschenversuche sind im
„Mutterland“, dem Deutschen Reich, verboten und sollen daher geheim
bleiben.
All dies ist nicht erfunden. Im Roman sammelt ein beteiligter Arzt heimlich
Dokumente dieser Verbrechen. Dann erkrankt er selbst an der Schlafkrankheit
und kommt zur Behandlung nach Hamburg, zu besagtem Bakteriologen, dem
Ich-Erzähler Melcher, und erwähnt brisantes Material. Doch bevor er es
preisgeben kann, ist er plötzlich tot – und Melcher fängt an zu
recherchieren. Zwischendurch passiert ein weiterer Todesfall, Melcher gerät
in Verdacht und kommt kurz ins Gefängnis. Die Wege zur Aufklärung sind
verschlungen, weil niemand dem berühmten Robert Koch an den Karren fahren
will. Hamburgs Hautevolee debattiert derweil darüber, ob und inwiefern
Weiße Schwarzen überlegen seien.
Obwohl Robert Kochs illegale Aktivitäten seit einigen Jahren öffentlich
diskutiert und also bekannt sind, ist dieser Christoph Elberns Roman ein
gutes Vehikel der Vermittlung, zumindest aber der Auffrischung von Wissen,
ist man bei der Lektüre der – der Realität vermutlich recht nahen – Detai…
doch erneut erschüttert. Und findet, nebenbei, manch darin abgebildete
Rassismus-Debatte beklemmend aktuell.
5 Jan 2024
## LINKS
[1] /Tropeninstitut-hinterfragt-Namenspatron/!5831250
[2] /Feministisches-Vorbild-Clara-Zetkin/!5757103
[3] /BLACK-HISTORY-MONTH/!5126738
[4] /Tropenkrankheiten-wandern-nach-Europa/!5927191
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Deutscher Kolonialismus
Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama
Kolonien
Robert Koch-Institut
Bakterien
Deutscher Kolonialismus
Deutscher Kolonialismus
wochentaz
Bremen
Lesestück Meinung und Analyse
SPD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hamburger Bernhard-Nocht-Institut: Ein Tropenmediziner und Rassist
Bernhard Nocht war tief in den Kolonialismus verstrickt. Das nach ihm
benannte Institut für Tropenmedizin schließt eine Namensänderung nicht mehr
aus.
Hamburg-Krimi, japanisch getupft: Renitente Verdächtige
Henrik Siebolds „Inspektor Takeda und der schöne Schein“ ist ein fesselnder
Rätselkrimi. Auch das Erbe des Kolonialherrn Schimmelmann ist Thema.
Max Annas Roman „Berlin, Siegesallee“: Attentat bei der Kaiserparade
In Max Annas Roman rächt eine Terrortruppe die Verbrechen in den deutschen
Kolonien. Auf blutige Weise wird Gerechtigkeit gefordert.
Offener Brief zur Dekolonisierung: Butter bei die Elefanten
In einem offenen Brief fordern Wissenschaftler*innen und
Aktivist*innen die Bremer Politik auf, die koloniale Geschichte
aufzuarbeiten.
Umgang mit Kolonialgeschichte: Zeugen der Verbrechen
Koloniale Ausbeutung machte Bremen und Hamburg reich. Eine
Dekolonialisierung, die den Namen verdient, muss daran erinnern.
Steinmeier besucht Tansania: Kurztrip in die eigene Geschichte
Zu Halloween klopfen deutsche Politiker an Afrikas Türen. Sie wollen
Rohstoffe kaufen, Migranten zurückgeben und ein bisschen Vergangenheit
bewältigen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.