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# taz.de -- BLACK HISTORY MONTH: Robert Koch in Afrika
> Der äthiopische Politikwissenschaftler Facil Tesfaye differenzierte in
> der Werkstatt der Kulturen das Bild des deutschen Nobelpreisträgers
Er war der deutsche Pionier der medizinischen Forschung im ausgehenden 19.
Jahrhundert. Heute sind Schulen nach ihm benannt, eines der renommiertesten
wissenschaftlichen Institute der Bundesrepublik trägt seinen Namen. Robert
Koch (1843-1910) gilt, neben dem Franzosen Louis Pasteur, als Vater der
Mikrobiologie.
1882 gelang es dem in Clausthal geborenen Arzt im Berliner Labor des
Kaiserlichen Gesundheitsamts, den bakteriellen Erreger der Tuberkulose zu
isolieren, einzufärben und zu fotografieren. Eine wissenschaftliche
Sensation, die vor allem Hoffnung verhieß, denn der "weiße Tod" erstreckte
sich damals seuchenartig fast über den gesamten Globus. Koch erlangte
Weltruhm und erhielt 1905 den Nobelpreis für seine Entdeckung.
Folgerichtig erscheint die Anerkennung der Arbeiten des Mediziners auch 100
Jahre später selbstverständlich. "Robert Koch Superstar" hieß es
beispielsweise im Tagesspiegel anlässlich des Todestages des Bakteriologen
im letzten Jahr. Das Berliner "Robert-Koch-Institut" ehrte den Namensgeber
mit einer veranstaltungsreichen Festwoche.
Dabei finden sich in der Biografie des Forschers durchaus kritisch zu
betrachtende Brüche. Zu diesem Schluss kam auch Facil Tesfaye am
vergangenen Freitagabend in der Werkstatt der Kulturen in Neukölln. Der aus
Äthiopien stammende Politikwissenschaftler hat in Berlin und Montreal
studiert und beschäftigte sich im Rahmen seiner Promotion an der
kanadischen McGill-Universität mit den zahlreichen Aufenthalten Robert
Kochs in Afrika zwischen 1883 und 1907. Tesfayes auf Englisch gehaltener
Vortrag "Robert Koch in Afrika - A Blessing or a Curse?" bezog sich auf die
Einbindung medizinischer Forschungsprojekte vor dem Hintergrund der
deutschen Kolonialpolitik des Kaiserreichs.
Kochs internationales Renommee und seine Kompetenz machten ihn zum idealen
"Heilsbringer" für den von Krankheiten - wie Cholera oder die
Schlafkrankheit in Ostafrika - geplagten Kontinent, dessen Staaten ohnehin
als politisch und ökologisch instabil galten. Die Kolonialkriege zwischen
den europäischen Besetzungsmächten England, Frankreich und Deutschland
verschärften die Lage zusehends. Nachdem Koch 1890 in Berlin, auf schnellen
kommerziellen Erfolg hoffend, mit einem vermeintlich effektiven
Tuberkulosemedikament (Tuberkulin) öffentlichkeitswirksam gescheitert war,
trieben ihn wissenschaftlicher Ehrgeiz und die Abenteuerlust in Afrika umso
mehr voran.
Blieben schnelle Erfolge aus, zog er einfach in die nächste von Infektionen
belastete Region weiter oder reiste im Aufrag ausländischer Regierungen -
ein Novum in dieser Zeit - nach Indien oder Asien, um dort Pest oder
Malaria zu bekämpfen. Nicht selten verhinderten zudem die von Koch
unterschätzten schlechten Laborbedingungen vor Ort ein reibungsloses
Arbeiten.
Auch die Therapieerfolge blieben aus, viele Patienten hatten unter starken
Nebenwirkungen zu leiden. In Ostafrika setzte Koch gegen die dort
grassierende Schlafkrankheit das arsenhaltige Präparat Atoxyl ein, das bei
zunehmenden Dosen viele Patienten erblinden ließ. Dennoch übte Facil
Tesfaye keine allzu große Kritik an den Methoden. Die Behandlungsformen
Kochs waren durchaus der Zeit entsprechend. Auch kam Atoxyl in Deutschland
zum Einsatz. "Es war eben das Einzige, was es gab", so Tesfaye. Kritischer
sieht er eher die Folgen für die traditionellen Heilmethoden in den
einzelnen Expeditionsgebieten.
Der Politikwissenschaftler beschrieb hier einen "clash of health-systems":
Die in der afrikanischen Stammeskultur hochgeachteten Medizinmänner hätten
unter dem Einfluss europäischer Ärzte wie Koch, die Deutungs- und
Therapiehoheit beanspruchten, umgehend völlig an Bedeutung verloren. Es kam
nicht zu einer Zusammenarbeit vor Ort. In den kolonialisierten Gebieten
"kollabierte" dank der Forschungswut das zwar unterentwickelte, aber
traditionelle Gesundheitswesen. Besiegt wurden die verheerenden
epidemischen Infektionskrankheiten wie Cholera ohnehin nur auf Zeit.
Schmälern wolle Facil Tesfaye die fraglos großen Verdienste Robert Kochs
nicht, dennoch sei ein "aufgeklärter Standpunkt", der ein ganzheitliches
Bild der Aktivitäten Kochs - gerade in Afrika - zeichnet, wichtig.
Tesfaye wurde von der Werkstatt der Kulturen im Rahmen des "Black History
Month" Festivals eingeladen, das im Februar mit Podiumsdiskussionen,
Workshops, Konzerte, Vorträgen zum Thema: "Kolonialismus und
Postkolonialismus" aufwartet
14 Feb 2011
## AUTOREN
Jan Scheper
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