| # taz.de -- Tropeninstitut hinterfragt Namenspatron: Wer war Bernhard Nocht? | |
| > Hamburgs Bernhard-Nocht-Institut will erforschen, wie stark sein | |
| > Namensgeber mit dem NS-System sympathisierte. Das könnte zu einer | |
| > Umbenenung führen. | |
| Bild: Gerechtfertigte Verehrung? Bernhard-Nocht-Büste im Bernhard-Nocht-Instit… | |
| Hamburg taz | Angefangen hat alles mit der [1][Cholera-Epidemie]. Damals, | |
| anno 1892, als die Krankheit durch Seeleute oder Auswanderer nach Hamburg | |
| kam und sich übers Trinkwasser schnellstens verbreitete. Denn während | |
| andere Städte – auch das benachbarte, damals preußische Altona – längst | |
| Filteranlagen hatten, war Hamburgs Senat dafür bislang zu geizig gewesen. | |
| Die Folge: über 8.000 Tote durch die Seuche. | |
| Um solches künftig zu verhindern, ernannte man den Bakteriologen und | |
| Robert-Koch-Schüler Bernhard Nocht zum Hafenarzt, um einen hafen- und | |
| schiffshygienischen Dienst zur Abwehr von [2][Seuchen] aufzubauen. Und die | |
| wurden mehr: Aufgrund des Kolonialhandels schleppten Seeleute und Reisende | |
| immer mehr unbekannte tropische Krankheiten ein. Also gründete Hamburg 1900 | |
| auch noch das „Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“. | |
| Nocht wurde Direktor, und der [3][Kolonialgedanke] war dabei explizit: Es | |
| ging um die Heilung der Europäer, nicht der Einheimischen. 1911/12 reiste | |
| Nocht selbst in die damalige deutsche Kolonie Ostafrika und schrieb – so | |
| eine im NDR zitierte Akte aus Hamburgs Medizinhistorischem Museum, die | |
| dessen Direktor Philipp Osten fand – dass es „leider nicht erreicht worden | |
| ist, eine Schule für Schwarze Kinder als Lieferanten von Malaria-Parasiten | |
| aus dem Europäerviertel zu verlagern“. | |
| Dieser Haltung blieb Nocht ein Leben lang treu. „Er war zwar nie in der | |
| NSDAP, sympathisierte aber mit dem Regime und war im Reichskolonialbund“, | |
| sagt Markus Hedrich, der Nochts Biographie an der Forschungsstelle | |
| „Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung“ an | |
| der Hamburger Uni eruiert. „Und obwohl er schon pensioniert war, | |
| unterschrieb Nocht 1933 das Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf | |
| Hitler“, sagt Hedrich. | |
| ## Nocht hielt Eingeborene für unsauber | |
| Auch wusste Nocht sehr genau, dass Institutsmitarbeiter [4][Ernst Nauck,] | |
| der später Direktor wurde, 1940 im Warschauer Ghetto eine – noch nicht | |
| genauer erforschte – Fleckfieberforschung betrieb. „Man ging davon aus, | |
| dass Fleckfieber vor allem von Polen und Juden übertragen wurde, und man | |
| sie daher ghettoisieren müsse“, sagt Hedrich. Dabei ist Fleckfieber eine | |
| durch Läuse übertragene Armutskrankheit, die erst durch die mangelnde | |
| Hygiene in KZ und Ghettos entstand. | |
| Nocht indes blieb auf Segregationskurs: „Im selben Jahr, 1940, sagte er in | |
| einem Vortag, Eingeborene seien unsauber und sollten in der kommenden | |
| deutschen Tropenmedizin mehr oder weniger passive Objekte behördlicher | |
| Maßnahmen sein“, weiß Hedrich. Und dass Hamburg dem Tropeninstitut 1942 | |
| Nochts Namen gab, lag nur zum Teil an dessen 85. Geburtstag: „Angesichts | |
| der sich abzeichnenden Kriegsniederlage nach dem gescheiterten | |
| Russlandfeldzug im Winter 1941/42 war das auch ein Propaganda-Coup“, sagt | |
| Hedrich. | |
| Auch dass sich Nocht kurz nach Kriegsende – und dem Ende de NS-Regimes – | |
| das Leben nahm, lasse sich als politisches Statement deuten. | |
| ## Fachliche Verdienste sind unbestritten | |
| Bei all dem soll nicht unterschlagen werden, dass das Institut unter Nochts | |
| Ägide wichtige Verbesserungen der Chinintherapie bei Malaria initiierte, | |
| und dass er gezielt und systematisch die Zusammenarbeit vom Ärzten, | |
| Mikrobiologen Chemikern und Pharmakologen förderte – damals ein echtes | |
| Novum. | |
| Malariaforschung zählt bis heute zu den Schwerpunkten des Instituts. Auch | |
| lieferten Mitarbeitende wichtige Erkenntnisse über HIV, entwickelten eine | |
| Therapie gegen Flussblindheit sowie, 2003, den ersten SARS-Test. Seit 2017 | |
| baut man in Ostafrika mobile Diagnoselabore, um grenzüberschreitende | |
| Epidemien früh zu erkennen. In anderen Worten: Das Institut ist weltweit | |
| renommiert. | |
| Umso wichtiger, dass diese wichtige Forschungsarbeit nicht im Namen eines | |
| NS-Sympathisanten geschieht. Deshalb sucht der Institutsvorsitzende Jürgen | |
| May jetzt GutachterInnen, die dies genau erforschen. Spätere Umbenennung | |
| nicht ausgeschlossen. | |
| 19 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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