| # taz.de -- Hamburg-Krimi, japanisch getupft: Renitente Verdächtige | |
| > Henrik Siebolds „Inspektor Takeda und der schöne Schein“ ist ein | |
| > fesselnder Rätselkrimi. Auch das Erbe des Kolonialherrn Schimmelmann ist | |
| > Thema. | |
| Bild: Plötzlich schief im Rahmen: Katsushika Hokusais „Große Welle vor Kana… | |
| Diesmal hat Henrik Siebold einen richtig schönen Rätselkrimi verfasst. | |
| Einen Detektivroman à la Agatha Christie und des japanischen Kult-Autors | |
| Seishi Yokomizo (1902–1981). In dessen Buch „Die rätselhaften Honjin-Morde… | |
| etwa stellt sich die Frage „Mord oder Selbstmord?“ Und das tut sie auch in | |
| [1][Siebolds] siebtem Roman „Inspektor Takeda und der schöne Schein“ um den | |
| bereits seit längerem eingeführten, in Hamburg tätigen japanischen | |
| Kommissar. | |
| Aufs Perfekteste verweisen nämlich in beiden Büchern Indizien und Motive | |
| auf allerlei Verdächtige. Bei Siebold ist es eine Handvoll Verwandter, | |
| Hausverwalter, Bankberater, Freunde. Sie lebten auf Kosten der reichen | |
| Gräfin Ernestine von Remsau und könnten sie ermordet haben. Oder hat sie | |
| sich doch selbst erhängt? | |
| Für ein Wochenende hatte die Gräfin sie alle, dazu Takeda, in ihr Gutshaus | |
| geladen. Da das Wetter sintflutartig ist und urplötzlich alle Autoreifen | |
| zerstochen, muss der Mörder unter den Anwesenden sein. Besonders verdächtig | |
| wirkt die aus dem Ausland heimgekehrte renitente Nichte. Die haderte lange | |
| mit dem etwaigen Erbe, weil es zurückgeht auf den Hamburger Kaufmann und | |
| Sklavenhändler [2][Heinrich Carl von Schimmelman]n (1724–1782); den | |
| Landsitz der Gräfin hat Siebold wohl aus Schimmelmanns Schloss Ahrensburg | |
| und dem einstigen Herrenhaus Wandsbek komponiert. | |
| Kurz vor dem Mord hat sich die Heimgekehrte aber mit der reichen Tante | |
| versöhnt. Wird sie nun alles erben? Ist das ein Mordmotiv? Hin und her | |
| wogen die Verdachtsmomente; für Inspektor Takeda unbegreiflich zum | |
| Beispiel, dass der wertvolle Druck der 1830 vom japanischen Künstler | |
| [3][Katsushika Hokusai] geschaffenen, weltberühmten „Großen Welle vor | |
| Kanagawa“ eines Morgens schief im Rahmen hängt, aber nicht gestohlen wurde. | |
| Warum nur? | |
| Parallel findet Takedas Kollegin Claudia in Hamburg einen ermordeten | |
| Detektiv vor. Lange dauert es, bis beide Geschichten zusammenfinden, und | |
| die Verdächtigenmeute auf dem Lande hätte das Buch durchaus allein | |
| getragen. So wirkt die Auflösung, wenn auch überraschend, ein bisschen | |
| konstruiert. | |
| Trotzdem: ein spannender Roman – wobei das Kolonialismus-Thema wenig | |
| relevant für den Kriminalfall und eher pflichtschuldig wirkt. Andererseits | |
| ist das informativ für alle, die die Debatte in den vergangenen Jahren | |
| nicht verfolgt haben. Etwa über den [4][ambivalenten Umgang] des Hamburger | |
| Senats mit Schimmelmann: Eine 2006 aufgestellte Büste wurde 2008 nach | |
| Protesten und Farbanschlag wieder abgebaut. Andererseits Aber gibt es in | |
| Hamburg bis heute mehrere nach ihm benannte Straßen. Die Debatte ist noch | |
| nicht zu Ende. | |
| 21 Apr 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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