| # taz.de -- Henrik Siebolds Krimi „Schattenkrieger“: Packender Thriller mit… | |
| > Der Hamburger Krimi-Autor verzwirbelt Geheimdienstler, einen | |
| > Ex-Afghanistan-Soldaten und einem „Gefährder“. Dazu reicht er er eine | |
| > Prise Zen-Weisheit. | |
| Bild: Schauplatz krimineller Machenschaften: Hamburgs Hafenviertel | |
| Es beginnt ganz harmlos in einer Currywurstbude in Hamburg-St. Pauli. Da | |
| wird gelacht, geschwatzt, gestritten, es ist ein bunter Mix von Menschen | |
| aus dem Milieu. Nur einer passt nicht recht hinein: Budenbesitzer Manuel. | |
| Er grillt, rührt und werkelt so konzentriert, als sei es eine Meditation. | |
| Schweigsam und undurchschaubar ist er, aber auch geradlinig; die Leute | |
| mögen ihn. | |
| Kaum hat man sich an ihn gewöhnt in Henrik Siebolds Thriller | |
| „Schattenkrieger“, hat sich quasi mit in die Kneipe gesetzt, ist man | |
| plötzlich im Afghanistan des Jahres 2012: Ein Trupp deutscher Elitesoldaten | |
| schleicht durchs Gebirge, um im Auftrag der USA ein Taliban-Gehöft zu | |
| stürmen. Töten ist ihr Metier, es ist Routine geworden. Sie erreichen das | |
| Gehöft, Auftrag fast erfüllt, da fallen US-Bomben – auf [1][Taliban] und | |
| deutsche Soldaten. Kollateralschaden halt. | |
| So läuft das Spiel, das weiß auch der einzige überlebende Soldat, der schon | |
| länger am Sinn des Mordens zweifelt. Jetzt findet er sich in | |
| Taliban-Gefangenschaft wieder, liegt monatelang in einer Hütte und fragt | |
| sich, warum er noch lebt. Irgendwann hört er auf zu warten, lebt im Jetzt, | |
| und das lässt ihn psychisch überleben. Offiziell gilt er als tot. Ein | |
| idealer, weil im Zweifel von niemandem vermisster Kandidat für | |
| Tötungseinsätze des US-Geheimdienstes. Man bringt (und zwingt) ihn zum | |
| Training in eine Basis in Japan. Der Deutsche flieht, lernt die Japanerin | |
| Yuko kennen, gerät in die Fänge der [2][Yakuza], der japanischen Mafia, | |
| eignet sich Kampfkunst und die des spurlosen Tötens an. Aber eigentlich | |
| will er damit ja längst aufhören, will ein friedliches Leben mit Yuko. Aber | |
| die Spirale läuft: Die Mafia tötet seine Freundin, der US-Dienst stöbert | |
| ihn auf und zwingt ihn wieder in seine Kreise. | |
| ## Zur Tarnung in die Currywurstbude | |
| Neues Land, neue Identität; er entscheidet sich für: Manuel, | |
| Currywurstbudenbesitzer. So weben sich endliche die beiden | |
| Handlungsstränge, schon länger aufeinander zustrebend, ineinander. Und man | |
| begreift: Manuel ist eine Art „Schläfer“, soll auf Zuruf morden. Zunächst | |
| einen türkischen islamistischen [3][Gefährder] in Hamburg. Auftraggeberin | |
| ist eine inoffizielle Unterabteilung des deutschen Geheimdienstes, der | |
| Gefährder, die noch kein Attentat verübt haben, nicht festnehmen mag. Nun | |
| denn, Manuel tötet den Mann, findet bei ihm aber nicht die Dokumente, die | |
| der Geheimdienst dort vermutete. | |
| Von da an läuft alles schief: Manuel wird verraten, soll die Stadt | |
| verlassen, um seiner Verhaftung zu entgehen. Der deutsche Geheimdienst | |
| schützt ihn nicht, scheint gar mit dem amerikanischen verknüpft. Oder | |
| überkreuz? Manuel traut keinem mehr. Seine Recherche im türkischen | |
| Rockermilieu führt zum nächsten, diesmal dem türkischen Auslandsdienst, und | |
| alle wollen jene Dokumente. Beziehungsweise sie wollen in Wahrheit | |
| illegales, irgendwo deponiertes Geld. Denn der angebliche Gefährder war gar | |
| keiner, aber er musste weg, damit andere an seine Millionen kamen. Wo die | |
| aber sind, weiß nun niemand. | |
| Manuel ist jetzt nicht mehr Handlanger. Er ermittelt auf eigene Faust, er | |
| sucht und findet auch. Aber es bleibt gefährlich: Fast bringt ihn noch der | |
| Ziehsohn seiner Hamburger Geliebten um. Fast? Man weiß es nicht. Es folgt | |
| eine ausführliche Beerdigung mit den alten Kneipenfreunden, gehüllt in | |
| Edelzwirn, angereist mit Luxus-Limousinen. Sind wohl plötzlich reich | |
| geworden. | |
| Das letzte Kapitel beschreibt, fast scheinheilig, dann das unspektakuläre | |
| Leben dreier Deutscher, die bei Tokio eine Currywurstbude betreiben: „Es | |
| schien, als hätte die ganze Familie erkannt, dass Glück aus der | |
| bedingungslosen Hingabe ans eigene Tun resultierte. Diese Hingabe machte | |
| das Selbst klein, sodass die Zufriedenheit groß werden konnte.“ Und so | |
| endet der packende Thriller des Hamburger [4][Japan-Kenners Siebold], der | |
| auch die Krimis um den japanischen Inspektor Takeda erfand, mit einer Prise | |
| zen-buddhistischer Weisheit, von der man sich eine Scheibe abschneiden | |
| möchte. Vielleicht auch zwei. | |
| 5 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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