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# taz.de -- Israelhass von US-Rapper:In Mykki Blanco: Gefangen im Kreis der Wut
> In Berlin fordert Blanco das Publikum indirekt zum Israel-Hass auf. Der
> Veranstaltungsort Silent Green entschuldigt sich – aber nicht wegen der
> Worte.
Bild: Mykki Blanco, hier 2021 in Roskilde
Vergangenen Samstag mache ich einen Abstecher zum Festival des
US-Online-Musikmagazins Pitchfork in Berlin. Im Silent Green sind
Indie-Popkünstler MorMor und experimenteller HipHop von Mavi und Mykki
Blanco angekündigt. Mavi und MorMor sind fertig, als letztes tritt die
queere US-Künstlerin Mykki Blanco auf.
Anfang der zehner Jahre hatte die Rapperin, noch vor ihrem Trans-Outing,
als Performancekünstler und Lyriker angefangen. Als ich einer Kollegin
erzähle, wohin ich gehe, erwähnt sie, dass Blanco am laufenden Band
antiisraelische Posts zum Konflikt im Nahen Osten absetzt. Meiner
psychischen Gesundheit zuliebe lese ich soziale Medien vor allem dann, wenn
ich etwas recherchieren muss – nicht vor jedem Konzertbesuch. Hätte ich
besser tun sollen!
Ein Einheizer-DJ feuert die junge, internationale Menge an, [1][dann kommt
Mykki Blanco]. Sie fordert das Publikum auf, einen Kreis um sie zu bilden,
einen „circle of rage“. Nach dem ersten Song folgt die Tirade: „Ich will …
vieles sagen. Aber ich kann nicht, schließlich trete ich in Deutschland
auf. Das Gesetz hier verbietet mir, zu sagen, was ich sagen will.“
Pathetisch legt sie eine Schippe drauf. Sie wolle keineswegs in einer
deutschen Gefängniszelle schmoren, schließlich studiere sie jetzt. „Aber,
ihr Deutschen müsst bitte endlich aussprechen, was ich nicht sagen darf.“
Vermutlich, dass Israel von der Landkarte verschwinden muss.
## Gleich im Kreis losgehetzt
Querdenkerdemos wirken harmlos im Vergleich [2][zu dem Geraune von Blanco]
und den gezielt gesetzten Leerstellen, die das Publikum nun mit eigenen
Ideen füllen darf. Fantasieren die Leute tatsächlich über Dinge, die man
auf einer Berliner Bühne nicht sagen darf?
Zumindest johlen sie, etwas verhalten, aber doch. Nun werfe ich einen Blick
auf Blancos Instagram-Posts. „Die GANZE WESTLICHE WELT versucht, uns in die
Irre zu führen“, heißt es da. „Wir durchleben den ‚Film‘, wacht auf �…
steht da.
Noch 2017 hatte Mykki Blanco, die selbst jüdische Wurzeln hat, in einem
Interview einen Shitstorm beklagt, der ihr nach einer Israelreise
entgegengeschlagen war. „Ich werde zwar wieder nach Israel fahren, aber
nichts in den sozialen Medien posten. Das ist zu politisch. Die Leute
hassen Israel. Das habe ich gelernt. Das Thema ist eine Bombe.“
Aus ihren aktuellen Posts spricht dagegen keinerlei Empathie mehr für
Israelis, ihre Sympathien liegen allein in Gaza. „Zu sagen ‚Ich verurteile
die Hamas‘“, so Blanco, „wäre, wie für eine Kugel zu bezahlen, mit der …
Vereinigten Staaten, Großbritannien, die EU und Israel eine Waffe laden
können, um diesen Völkermord zu rechtfertigen.“
## Genug von der Hasstirade
Die Hasstirade von der Bühne höre ich mir keine Sekunde länger an. Das sage
ich auch der Frau am Einlass. „Danke für den Hinweis“, entgegnet sie. Drei
Tage später folgt ein – gelinde gesagt ungewöhnlicher – Post des Silent
Green auf Instagram, eine wortreiche Entschuldigung, nicht etwa für die
Ausfälle von Blanco!
Offenbar hatte ein Kufija-tragender Besucher das Palästinensertuch ablegen
müssen. Es habe jedoch, so betont das Silent Green, gar keine Anweisung
dazu gegeben, „Kufijas oder andere Kleidungsstücke“ zu verbieten. Es wirkt,
als sei der Entschuldigung eine Kampagne vorangegangen; danach klingen
zumindest die Kommentare.
Eine Entschuldigung des Pitchfork-Festivals dafür, dass Blanco ihren
Auftritt zu einer Echokammer für antiisraelische Verschwörungstheorien
gemacht hat, gab es dagegen nicht. Vermutlich haben sich einfach nicht
genügend Leute beschwert.
9 Nov 2023
## LINKS
[1] /Mykki-Blanco-in-Berlin/!5437970
[2] /Transgender-Rap-aus-den-USA/!5232074
## AUTOREN
Stephanie Grimm
## TAGS
Queer
HipHop
Antisemitismus
taz Plan
Musik
Film
Kolumne Blast from the Past
Pop
Schwerpunkt Rassismus
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