# taz.de -- Nahost-Konflikt in Berlin: Freies Palästina verboten | |
> Polizei und Politik gehen hart gegen jede Form von Palästina-Solidarität | |
> vor. Demos, Pali-Fahnen und -tücher werden verboten – auch auf | |
> Schulhöfen. | |
Bild: Auch am Freitagabend verhinderte die Polizei propalästinensische Protest… | |
BERLIN taz | Auch auf den Straßen Berlins war der Krieg in Israel und Gaza | |
am Wochenende wieder spürbar. Dabei wird immer offenkundiger, dass | |
Palästina-Solidarität in jeglicher Form durch Polizei und Politik | |
unterbunden werden soll und als vermeintliche Verherrlichung des | |
Hamas-Terrors verstanden wird. | |
So kursieren auf X, ehemals Twitter, mindestens zwei Videos, die zeigen, | |
wie die Polizei am Samstag gegen Männer vorgeht, die in Neukölln eine | |
Palästina-Flagge zeigen. Dort hatten sich an der Kreuzung | |
Sonnenallee/Reuterstraße am Nachmittag laut Polizei rund 150 Menschen | |
versammelt. Nach Angaben eines dpa-Reporters riefen sie Slogans wie „Free | |
Palestine“ und brannten Pyrotechnik ab. „Aus den einzelnen Gruppen wurden | |
dann vereinzelt Palästinafahnen gezeigt und pro-palästinensische Ausrufe | |
skandiert“, vermeldete die Polizei, eine Flasche sei geworfen worden. Man | |
habe Freiheitsbeschränkungen durchgeführt und Platzverbote erteilt. | |
Zuvor war eine für Samstag angemeldete propalästinensische Demonstration | |
des Vereins „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ | |
verboten worden. [1][Wie der Verein auf Facebook erklärte], habe sich | |
daraufhin [2][Vorstandsmitglied Iris Hefets mit einem Plakat auf den | |
Hermannplatz gestellt,] auf dem stand: „Als Jüdin und Israelin: stoppt den | |
Genozid in Gaza“. Die Polizei habe ihr das mit Verweis auf ein | |
Versammlungsverbot untersagen wollen, heißt es weiter in dem Post, Hefets | |
habe aber darauf bestanden, „dass sie als Einzelperson das Grundrecht der | |
freien Meinungsäußerung hat“. Darauf hätten sie die Polizist*innen | |
zunächst in Gewahrsam genommen, später jedoch zurück an den Hermannplatz | |
begleitet, wo sie dann ungestört ihr Schild hochhalten konnte. | |
Eine weitere Palästina-Soli-Demonstration am Brandenburger Tor am | |
Samstagnachmittag mit rund 50 Personen wurde laut RBB ebenfalls von der | |
Polizei aufgelöst. Laut dem Sender erklärte die Polizei, die Menschen seien | |
zu einer Demonstration erschienen, die vom Veranstalter um eine Woche | |
verschoben worden sei. | |
Unterdessen [3][kritisierte der Neuköllner Bezirksverordnete der | |
Linkspartei Ahmed Abed in einem Post auf X] das Verbot des | |
Palästinensertuchs auf Berliner Schulhöfen. Er veröffentlichte am Freitag | |
einen Brief – offenkundig von einer Schulleitung an Eltern – über eine | |
entsprechende Anweisung der Senatsverwaltung für Bildung. Danach sei in | |
Schulen nicht nur die verbale Unterstützung der Hamas verboten sowie das | |
Zeigen von Aufklebern mit „Free Palestine“, sondern auch das „sichtbare | |
Tragen von einschlägigen Kleidungsstücken (z.B. die als Palästinener-Tuch | |
bekannte Kufya)“. Abed kommentierte dies so: „Verbot von palästinensischer | |
Kuffiye (Palituch) und Fahne in Berlin ist ein neuer Höhepunkt des | |
staatlichen Rassismus in Deutschland.“ | |
Ungestört von polizeilicher Intervention blieb eine Aktion am Samstagabend | |
im Mauerpark. Dort kamen gegen 22 Uhr neun Personen zusammen, sie hatten | |
sich über eine Chatgruppe verabredet. Bei der Aktion, die auch in anderen | |
Städten stattfand, wurden Zettel auf Poller, Stromkästen und Mülleimer | |
geklebt mit der Aufschrift „Kidnapped from Israel“, darunter jeweils ein | |
Foto, Name und Alter von einem der vielen Jüd*innen, die von der Hamas als | |
Geiseln genommen wurden. „Wir wollen damit auf die Situation der Geiseln | |
aufmerksam machen, und auch Druck auf die Politik hier in Deutschland | |
aufbauen“, erklärte eine junge Frau. | |
Während der Klebe-Aktion blieben drei junge Männer stehen und fragen, worum | |
es gehe. Ihre Familie komme aus dem Libanon, sagten sie, ob denn das | |
Unrecht an den Palästinensern nicht genauso groß sei. Die Verständigung war | |
aufgrund von Sprachbarrieren schwierig. Als die drei jungen Männer | |
begriffen, dass ihnen mehrheitlich Israelis gegenüberstanden, winkten sie | |
ab, „dann hat es ja eh keinen Sinn“, sagte einer. | |
Viele Schriftzüge, Plakate und Transparente mit Palästina-Bezug im ganzen | |
Stadtgebiet wurden am Wochenende von der Polizei entfernt, wie sie in einer | |
Übersicht zu den Geschehnissen vom Wochenende berichtete. Unter anderem gab | |
es „Farbschmierereien in Form eines Davidsterns“ in Prenzlauer Berg und | |
Friedrichshain, „israelfeindliche Plakate“ an der East-Side-Gallery, eine | |
„antisemitische Schmiererei“ in Wilmersdorf. | |
Laut einem [4][Post auf X von Anna Staroselski], Sprecherin der | |
jüdisch-deutschen Werteinitiative, wurden am Freitag mehrere Wohnhäuser von | |
Jüdinnen und Juden in Berlin mit einem Davidstern „markiert“. | |
Der [5][Neuköllner Bezirksverband der Linkspartei veröffentlichte am | |
Samstag auf X eine Resolution,] die versucht, beiden Seiten des | |
israelisch-palästinensischen Konflikts gerecht zu werden. Man gedenke der | |
Opfer in Israel und Palästina, heißt es dort. „Auch in Neukölln leben viele | |
Menschen mit israelischen und palästinensischen Hintergründen; unsere | |
Gedanken sind bei unseren Mitbürger:innen“. Die Terror-Akte der Hamas | |
werden ebenso als „Kriegsverbrechen“ verurteilt wie das Bombardement und | |
die Abriegelung von Gaza. Zudem kritisiert die Neuköllner Linke die | |
„pauschalen Demonstrationsverbote im Zusammenhang mit der | |
Palästina-Solidarität hierzulande und die daraus resultierende massive | |
Grundrechtseinschränkung“. Politik und Medien wird vorgeworfen, „Menschen | |
mit Migrationsgeschichte in Neukölln zu stigmatisieren und sie einer | |
rassistischen Kampagne auszusetzen“. | |
15 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/search/top?q=j%C3%BCdische%20stimme%20f%C3%BCr%20g… | |
[2] https://twitter.com/RashadAlhindi/status/1713254812207222818 | |
[3] https://twitter.com/AhmedAbedNK/status/1713294802031116407 | |
[4] https://twitter.com/AStaroselski/status/1713150097284870320 | |
[5] https://twitter.com/LinkeNeukoelln/status/1713163647621443816 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
Uta Schleiermacher | |
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