# taz.de -- Humanitäre Lage in Gaza: Überlebenskampf in Gaza | |
> Weite Teile von Gaza-Stadt sind zerstört und von der Grundversorgung | |
> abgeschnitten. Die Grenze zu Ägypten bleibt vorerst weiter geschlossen. | |
Bild: Ganze Straßenzüge von Gaza-Stadt sind mittlerweile zerstört: Szene vom… | |
Jerusalem taz | Die drohende israelische Bodenoffensive im Norden des | |
Gazastreifens hat am Wochenende laut den Vereinten Nationen eine | |
„Massenflucht“ ausgelöst. Binnen 24 Stunden sei die Zahl der | |
Binnenvertriebenen „deutlich gestiegen“, erklärte das UN-Büro für | |
humanitäre Angelegenheiten (Ocha) am Sonntag, nachdem bereits bis | |
Donnerstag mehr als 420.000 Menschen ihre Häuser verlassen hätten. Israel | |
verschob eine erwartete Bodenoffensive einem Bericht der New York Times | |
zufolge wegen ungünstiger Wetterverhältnisse und nach internationaler | |
Kritik und räumte mehr Zeit für eine Evakuierung ein. | |
Die israelische Regierung hat nach dem beispiellosen [1][Angriff der Hamas] | |
vor gut einer Woche rund 360.000 Reservisten mobilisiert und zahlreiche | |
Verbände nahe der Grenze zum Gazastreifen in Stellung gebracht. Beobachter | |
gehen davon aus, dass eine Bodenoffensive jederzeit beginnen könnte. | |
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schrieb am Samstag nach einem | |
Besuch im Süden Israels bei X, vormals Twitter: „Wir sind bereit.“ Bereits | |
am Freitag hatten israelischen Medien zufolge Soldaten bei Vorstößen nach | |
Gaza die Leichen mehrerer entführter Israelis geborgen. | |
Hunderte Bewaffnete der radikalislamischen Hamas in Gaza hatten in | |
Ortschaften und auf einem Musikfestival nahe des Gazastreifens vor gut | |
einer Woche ein Massaker verübt und mehr als 1.300 Israelis getötet sowie | |
rund 150 Menschen entführt. Seitdem bombardiert die israelische Luftwaffe | |
Ziele in Gaza. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben mehr als 2.300 | |
Menschen getötet | |
Ganze Straßenzüge von Gaza-Stadt sind mittlerweile zerstört. Israel hat das | |
Gebiet seit Tagen von der Grundversorgung abgeschnitten, um eine Rückgabe | |
der Geiseln zu erzwingen. Eine Bewohnerin, die namentlich nicht genannt | |
werden wollte, beschrieb am Sonntag drastische Szenen. „In den Straßen | |
hängt der Geruch von Leichen, es gibt kein Wasser, keinen Strom, kein | |
Essen“, sagte sie. „Sie denken, wir sind alle Mörder und Kämpfer, aber das | |
sind wir nicht.“ Israel räumte am Sonntagvormittag ein weiteres Zeitfenster | |
ein, in dem es eine Fluchtroute nach Süden in Richtung Grenzübergang zu | |
Ägypten nicht beschießen wollte. | |
Mehrere internationale Menschenrechtsorganisationen sowie die Vereinten | |
Nationen kritisierten die Aufforderung Israels an die rund 1,1 Millionen | |
Einwohner des nördlichen Gazastreifens, sich nach Süden zu begeben. Die | |
Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte am Freitag die | |
Rücknahme des Evakuierungsbefehls und betonte, Israel müsse weiterhin „alle | |
erdenklichen Vorkehrungen treffen, um den Schaden für die Zivilbevölkerung | |
so gering wie möglich zu halten“. | |
Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung forderte: „Zivilisten | |
müssen auf allen Seiten geschützt werden.“ Ihre Mitarbeiter würden teils im | |
Norden von Gaza ihre Arbeit fortsetzen. Auch Papst Franziskus sagte am | |
Sonntag in seiner wöchentlichen Ansprache auf dem Petersplatz in Rom: | |
„Humanitäre Rechte müssen geachtet werden, vor allem in Gaza.“ Das | |
Kirchenoberhaupt forderte humanitäre Korridore für die Menschen in Gaza | |
sowie die Freilassung aller Geiseln in der Gewalt der Hamas. | |
Unklar ist, wo die Menschen aus dem nördlichen Gazastreifen hingehen | |
sollen. Bereits vor dem Krieg war der Küstenstreifen mit mehr als zwei | |
Millionen Einwohnern auf 356 Quadratkilometern ein extrem dicht besiedeltes | |
Gebiet. Auch im Süden hat es in den vergangenen Tagen zahlreiche | |
Luftangriffe gegeben. Chan Yunis im Süden von Gaza sei überfüllt, beschrieb | |
Wesam Amer, der Dekan der Fakultät für Kommunikationswissenschaften an der | |
Universiät Gaza, die Situation am Sonntag der taz. „Wir haben bereits zwei | |
weitere Familien in unserer Wohnung aufgenommen.“ Die Menschen würden auf | |
offenen Feldern und in den Straßen ausharren. | |
Gaza zu verlassen ist derzeit kaum möglich: Ägypten, das über den | |
Grenzübergang Rafah mit Gaza verbunden ist, hat deutlich gemacht, dass | |
seine nationale Sicherheit eine rote Linie sei. Man fürchtet, Hamas-Kämpfer | |
ins Land zu lassen und von der Zahl der Geflüchteten überfordert zu sein. | |
Indes stauen sich auf ägyptischer Seite des Grenzübergangs zahlreiche Lkws | |
mit humanitärer Hilfe für die Menschen im Gazastreifen. | |
Eine Bodenoffensive ist für die israelische Armee und für die israelischen | |
Geiseln in Gaza mit zahlreichen Gefahren verbunden. In der größtenteils | |
städtischen Umgebung müssten die Soldaten Haus für Haus einnehmen. Zudem | |
verfügt die Hamas über ein komplexes Netzwerk an Tunneln, in denen sich | |
Kämpfer mit den Geiseln verstecken können. Ein Einmarsch könnte mit hohen | |
Verlusten einhergehen. Und mit steigenden Opferzahlen von Zivilisten auf | |
palästinensischer Seite dürfte auch die internationale Unterstützung | |
abnehmen, die Israel nach dem brutalen Überfall der Hamas in der | |
vergangenen Woche bekommen hat. | |
Israels früherer Regierungschef Ehud Barak verteidigte die Bodenoffensive: | |
Die Aktivitäten der islamistischen Hamas in Gaza ließen sich nicht durch | |
„Luftangriffe, Diplomatie, Aufforderungen Israels über das Fernsehen oder | |
weltweite Unterstützung“ stoppen, sagte Barak der Deutschen Welle am | |
Sonntag. „Das muss von Bodenstreitkräften getan werden, die das Risiko | |
eingehen, dafür mit ihrem Leben zu bezahlen. | |
15 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /-Nachrichten-zum-Nahost-Krieg-/!5966392 | |
## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Israel | |
Gaza | |
GNS | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Gaza | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nahost-Konflikt an Schulen: Das neue Problemtuch | |
Die Berliner Bildungsverwaltung stellt Schulleitungen frei, wann und wie | |
sie Palästinensertücher verbieten können. Eltern befürchten | |
Diskriminierung. | |
Krieg in Nahost: Pekings doppeltes Spiel | |
China will zwischen Israel und Palästinensern vermitteln und schickt einen | |
Sondergesandten. Neutral ist die Volksrepublik aber mitnichten. | |
Nahost-Konflikt in Berlin: Freies Palästina verboten | |
Polizei und Politik gehen hart gegen jede Form von Palästina-Solidarität | |
vor. Demos, Pali-Fahnen und -tücher werden verboten – auch auf Schulhöfen. |