# taz.de -- Israels Dilemma: Es geht ums Überleben | |
> Kein Land der Welt muss sich so für sein schieres Überleben rechtfertigen | |
> wie Israel. Selbst im Angesicht des absoluten Terrors durch seine Feinde. | |
Bild: Dürfen keine Schwäche zeigen: Israelische Soldaten in der Nähe des Gaz… | |
Seit dem 7. Oktober hat es eine beinahe nie dagewesene Welle der | |
[1][Solidarität für Israel] gegeben. Aber selbst jetzt hat es auch die | |
[2][Reaktionen] gegeben, mit denen Israelis seit jeher konfrontiert werden: | |
Die Ansicht, bei Terrorangriffen gehe es um Freiheitskampf, oder um von | |
Gewalt gesäte Gewalt. Man kann es auch einfach Antisemitismus nennen. Dazu | |
gehören die Reaktionen vieler linker Parteien in ganz Europa. | |
Es gehören auch Fragen von Journalisten dazu, die bei einer Pressekonferenz | |
am Donnerstag mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog gestellt | |
wurden. Die CNN-Moderatorin Becky Anderson fragte ihn nach Israels | |
„kollektiver Bestrafung“ der Palästinenser, was ein „Kriegsverbrechen“… | |
Ein anderer britischer Journalist warf Israel vor, „die Menschen in Gaza | |
für Hamas verantwortlich zu machen.“ Der sonst so sanftmütige Präsident | |
reagierte wütend: „Wenn sie eine Rakete in Ihrer verdammten Küche haben und | |
sie auf mich schießen wollen, darf ich mich dann verteidigen? Das ist hier | |
die Situation!“ | |
Das Bombardement von Teilen des Gazastreifens als kollektive Bestrafung zu | |
bezeichnen zeugt von einer völligen Fehlinterpretation der Situation: Es | |
geht hier nicht um Rache (obwohl israelische Politiker diese Rhetorik | |
verwenden). Der grundlegende Unterschied wird völlig außer Acht gelassen: | |
Hamas ermordet gezielt israelische Kinder. Israel hat nie die Absicht, auch | |
nur ein einziges Kind töten und, sollten Kriegsverbrechen verübt werden, | |
wird Israel sie ahnden. | |
## Unbesiegbar oder leichte Beute | |
Israel verteidigt sich selbst, wie es jeder Staat angesichts eines solch | |
grausamen Terrorangriffs dieser Dimension tun würde. Warum aber, fragen | |
sich viele, wird dafür [3][Gaza] bombardiert? Abgesehen davon, dass [4][die | |
Hamas, die sich hinter ihrer Zivilbevölkerung versteckt], entmachtet werden | |
soll, gibt es noch eine simple Antwort: Abschreckung. Es muss eine ganz | |
klare Nachricht nach Norden, an die Hisbollah gesendet werden – und noch | |
weiter, [5][nach Iran]: Israel ist militärisch überlegen. | |
Ein Israel, das Schwäche zeigt – wie zuletzt – wirkt verletzlich und macht | |
sich sofort angreifbar, und zwar von ringsherum: Hamas im Süden und Westen, | |
Hisbollah im Norden. Um zu überleben, muss Israel als unbesiegbar | |
wahrgenommen werden. Und genau das ist sein Dilemma. | |
Denn hinter den oben aufgeführten Reaktionen steckt ebendiese Wahrnehmung | |
von Israels Stärke – militärisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich – im | |
Gegensatz, beispielsweise, zu den Palästinensern. Diese Wahrnehmung von | |
Israel als unbesiegbare Macht im Nahen Osten wird auf beiden Seiten des | |
pro- und anti-israelischen Grabens geteilt, ja sogar von den Israelis | |
selbst, denn sie brauchen sie zum Überleben. | |
In den letzten paar Tagen sagten Freunde zu mir: „So schrecklich das alles | |
ist, wir haben kein Zweifel daran, dass Israel siegen wird.“ Und die | |
Botschaft, mit der sich Israelis in diesen Tagen gegenseitig bestärken – | |
egal ob sie von Politikern, Journalisten, Militärsprechern, Trauernden oder | |
normalen Bürgern kommt – ist: „Wir sind stark und wir werden das zusammen | |
durchstehen.“ | |
## Israelis haben wirklich Angst um ihre Existenz | |
Was viele außerhalb Israels jedoch überhaupt nicht wahrnehmen ist die echte | |
Fragilität von Israels Existenz. Wenn auch an der Nordfront der Krieg mit | |
der Hisbollah ausbricht – die militärisch viel mächtiger ist als die Hamas | |
– ist die Möglichkeit, dass Israel zerstört wird, sehr real. Im Schatten | |
dieser furchtbaren Bedrohung liegt Iran mit seiner potenziellen Fähigkeit, | |
eine Atombombe einzusetzen. Israelis haben wirklich Angst um ihre Existenz. | |
Das Dilemma ist, dass sie es ihren Feinden nicht zeigen dürfen. | |
Nach den grausamen Verbrechen der Hamas, den [6][kaltblütigen | |
Massentötungen], der Entführung von Kindern nach Gaza, scheint es fast | |
zynisch, dass ausländische Journalisten den Präsidenten nach israelischen | |
Kriegsverbrechen fragen. Aus israelischer Sicht kommt das einer Aberkennung | |
von Israels Recht, sich selbst vor Zerstörung zu schützen, gleich. | |
Das bedeutet längst nicht, dass man hier nicht versucht, das Leid der | |
Palästinenser zu lindern oder, trotz aller Hindernisse, weiterhin an einer | |
Lösung für die Zukunft ihres Volkes zu arbeiten. Aber wenn Israelis ihre | |
Situation der Welt erklären, ringen sie auch nach 75 Jahren oft um die | |
bloße [7][Anerkennung ihres Daseins]. Ich wage zu behaupten, dass kein | |
Bürger eines anderen Staates der Welt diese Empfindung zu teilen vermag. | |
17 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Miriam Dagan | |
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