Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nachhaltigkeitsziele der UN: Halbzeit!
> Ein gutes Leben für alle – das wollten die Vereinten Nationen mit der
> Agenda 2030 erreichen. Sieben Jahre bleiben fürs große Ziel.
Bild: Eine Lehrerin klärt in Malawi über Cholera und Hygiene auf
Wie geht das, ein gutes Leben für alle? Was dazugehört, ist eigentlich
klar: Ein Leben ohne Armut, ohne Hunger. Zugang zu Bildung und Arbeit,
Wasser und sauberer Energie. Und natürlich der Schutz unserer Lebensräume,
der Meere, der Wälder, der Artenvielfalt.
Eigentlich ganz einfach, oder?
Diese [1][Ziele für die Zukunft] nahmen im September 2015 alle 193
UN-Mitgliedstaaten in der Agenda 2030 an. Darin wurden 17 nachhaltige
Entwicklungsziele, kurz SDGs (Sustainable Development Goals) für eine
sozial gerechte und ökologische Zukunft definiert. „Niemand soll
zurückgelassen werden“, das war das Motto.
Acht Jahre sind seitdem vergangen, sieben Jahre bleiben noch bis zum Jahr
2030. [2][Halbzeitpfiff] also für das Ziel vom guten Leben. Und Zeit für
eine Zwischenbilanz.
## Es geht voran
Die Ziele, so viel ist schon klar, werden bis 2030 kaum zu erreichen sein.
Zu diesem Schluss kommt ein Team von Wissenschaftler*innen, die die
Fortschritte der Agenda 2030 untersuchen.
Los geht es gleich beim ersten Ziel, der Beseitigung extremer Armut.
„Wenig oder gar kein Fortschritt“ bilanziert der [3][jüngste
Weltnachhaltigkeitsbericht]. Heute lebt etwa jeder Zehnte (9,3 Prozent) mit
weniger als 1,90 US Dollar pro Tag. Vor vier Jahren waren es nur 8,4
Prozent. Immerhin: Vor acht Jahren, als die UN die Ziele beschloss, waren
es noch über 10 Prozent der Weltbevölkerung.
Es gab also Fortschritte, doch dieser ist durch eine Vielzahl von Krisen
teils zunichte gemacht worden. Im Zuge der Pandemie seien 75 bis 95
Millionen Menschen in die extreme Armut gerutscht. Nimmt man, wie etwa die
Weltbank, 6,85 US Dollar pro Tag als Maßstab für Armut, hat fast die Hälfte
der Erdbevölkerung weniger zu Verfügung: 47 Prozent.
## Nur 15 Prozent der Ziele sind auf dem richtigen Weg
Verschlechtert hat sich auch die Ernährungssicherheit. 735 Millionen
Menschen hungerten 2022. Zu Beginn der Agenda waren es 589 Millionen. Die
Zahl steigt vor allem in Afrika und Zentral- und Südasien. Auch beim Zugang
zur Schulbildung gibt es Rückschritte, ebenso beim Klimaschutz und der
biologischen Vielfalt. Bei der Geschlechtergerechtigkeit bewegt sich kaum
etwas.
Auf Kurs sind laut Bericht drei Ziele: Mehr Menschen haben Zugang zu
Mobiltelefonen und Internet. Und es gab in den letzten Jahren mehr Geld für
Forschung und Wissenschaft.
Die Untersuchung zeigt, dass wir nur bei etwa 15 Prozent der Ziele auf dem
richtigen Weg sind. Bei einem Drittel der Ziele stagniert die Entwicklung
oder ist sogar rückläufig gegenüber 2015. „Auf halbem Weg zum Jahr 2030 ist
die Lage dramatisch“, bilanzieren die Autorïnnen. Gründe dafür sind auch
die schlechte wirtschaftliche Lage [4][nach der Coronapandemie] und dem
russischen Angriff auf die Ukraine sowie zahlreiche weitere Kriege und
Klimakatastrophen.
„Es ist noch nicht zu spät, das Blatt zu wenden“, versuchte
UN-Generalsekretär António Guterres im Vorfeld des UN-Gipfels in New York,
Hoffnung zu geben. Am 18. und 19. September, vor der UN-Generalversammlung,
trifft sich die Welt zum SDG-Gipfel. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz wird
erwartet. Am Ende soll eine beschleunigte Umsetzung der
Nachhaltigkeitsziele beschlossen werden.
## It’s about money
Im Mittelpunkt der Diskussionen wird die Frage der Finanzierung stehen. Die
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat
berechnet, dass den Entwicklungsländern 3,9 Billionen US-Dollar fehlen, um
die Ziele zu erreichen. Zwar haben sich die Zahlungen seit 2019 erhöht,
viele Industriestaaten kommen aber nicht der Verpflichtung nach, 0,7
Prozent ihres Nationaleinkommens dafür auszugeben. Auch haben sie noch
nicht die zugesagten 100 Milliarden US-Dollar für Klimafinanzierung
bereitgestellt, die ab 2020 jährlich versprochen wurden.
Lauter wird deshalb die Forderung, die internationale Finanzarchitektur
grundlegend zu reformieren. Multilaterale Entwicklungsbanken müssten
Entwicklungsländern mehr Geld, bessere Konditionen und mehr Spielraum
geben. Das forderten zuletzt die G20. Auf dem Afrikanischen Klimagipfel
wurde kürzlich eine globale CO2-Steuer gefordert, auch das soll in New York
diskutiert werden. Die Hoffnung ist, dass eine solche Steuer
Entwicklungsländern die Möglichkeit gibt, in Klimaschutz und soziale
Sicherung zu investieren.
Ärmere Staaten kritisieren zudem, dass sie auf den Finanzmärkten bis zu
achtmal höhere Zinssätze auf Kredite zahlen als Industrieländer. Viele
Länder im Globalen Süden sind hoch verschuldet. Das Geld, das sie für
Zinsen bezahlen, fehlt für öffentliche Ausgaben in Bildung oder Gesundheit.
Gleichzeitig sorgt legale und illegale Steuerflucht für Lücken in den
Staatshaushalten. Die Ungleichheit an Wohlstand vergrößert sich.
## Wie weiter?
Geld für soziale Sicherungssysteme, der Einsatz für Frieden, Klima-,
Umwelt- und Artenschutz – all das braucht internationale Kooperation. Was
ist also vom anstehenden Gipfel in New York politisch zu erwarten?
Vielleicht gibt es leisen Grund zum Optimismus. Denn die Konfrontation
zwischen China und den USA, zwischen Russland und der Europäischen Union
und das Streben dieser Mächte nach stabilen Partnern und Ressourcen wird
auch New York zum Schauplatz geopolitischer Spannungen machen.
Der Globale Süden hat in dieser internationalen Machtverschiebung eine
stärkere Stimme bekommen. Die mächtigen Staaten brauchen sie, für die
Energiewende und für den Zugang zu ihren Ressourcen. Das zeigt etwa auch
die gerade beschlossene Aufnahme der Afrikanischen Union in die G20.
Die Interessen der Ärmsten der Welt repräsentieren diese Bündnisse jedoch
nicht. Und auch die BRICS-Staaten waren bei ihrem jüngsten Treffen in
Südafrika hörbar leise zu Themen der Verschuldung, auch die G20 schwieg
über Zinspolitik.
Der SDG-Gipfel in New York soll die Welt wieder mal an eine bessere Zukunft
erinnern. Vielleicht kann die internationale Gemeinschaft etwas erreichen.
Sicher wird es neue Beschlüsse geben. Vermutlich bleiben sie aber wieder:
unverbindlich.
16 Sep 2023
## LINKS
[1] /Zwischenbilanz-des-UN-Aktionsplans-2015/!5856396
[2] /Halbzeit-der-Agenda-2030/!5943579
[3] https://www.un.org/Depts/german/millennium/SDG%20Bericht%202023.pdf
[4] /Welthunger-Index-2020-vorgestellt/!5719468
## AUTOREN
Leila van Rinsum
## TAGS
wochentaz
Uno
Nachhaltigkeit
Entwicklungspolitik
GNS
Podcast „Vorgelesen“
Steuern
Schwerpunkt Klimawandel
Entwicklungspolitik
Schwerpunkt Klimawandel
Entwicklungsziele
Hunger
SDG
## ARTIKEL ZUM THEMA
Studie zu weltweiter Steuerflucht: Das Gift der Neoliberalen
Ja, Milliardäre und Großkonzerne zahlen kaum Steuern. Darüber zu klagen,
nützt nichts. Wählen und ein anderes Mindset aber schon.
Bevölkerungswachstum: Menschen als Gefahr
Die Diskussion über ein nötiges Schrumpfen der Weltbevölkerung hat oft
einen rassistischen Unterton. Und weniger Menschen sind auch keine Lösung.
Halbzeit der UN Agenda 2030: „Geld allein würde nicht helfen“
Um die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zu erreichen, braucht es
strukturelle Veränderungen, sagt Imme Scholz. Sie ist Ko-Autorin des
Statusberichts.
Nachhaltigkeit auf UN-Vollversammlung: Agenda 2030 weit vom Kurs ab
Kein Hunger, keine Armut, ökologische Grenzen respektieren: 17 Ziele wollen
die UN in 7 Jahren erreicht haben. Bilanz bislang? Eher schlecht.
Halbzeit der Agenda 2030: Viele Pläne, wenig Entwicklung
Der EU-Bericht zur Umsetzung der Agenda 2030 zeigt: in Sachen Klimapolitik,
Naturschutz und Auswirkungen auf andere Länder ist viel Luft nach oben.
Welthunger-Index 2020 vorgestellt: Corona führt zu mehr Hunger
Die Welthungerhilfe warnt vor den globalen Folgen der Pandemie. Das Ziel
der UN, ein Planet ohne Hunger im Jahr 2030, rücke in weite Ferne.
Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele: Die Uhr tickt und tickt
Bis zum Jahr 2030 will die Weltgemeinschaft ihre Entwicklungsziele erreicht
haben. Gibt es noch eine Chance, das zu schaffen?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.