# taz.de -- Augmented Reality im Gropius Bau: Ich sehe was, das du nicht siehst | |
> Ana Prvačkis AR-Ausstellung im Lichthof des Gropius Baus zeigt via App | |
> ein blühendes Paralleluniversum. Es ist eine kollektive Halluzination. | |
Bild: Triefende Waben: Ana Prvački, „Apis Gropius“, 2022, gestaltet von NE… | |
Der Lichthof des Gropius-Baus ist einer der prachtvollsten | |
Ausstellungsräume, die Berlin zu bieten hat. Im ehemaligen | |
Kunstgewerbemuseum – ein historistischer Mischmasch aus Schinkels | |
Bauakademie und Renaissance-Palast – sollten die Architektur und die | |
Ausstattung selbst von exemplarischer Qualität sein. Heute kann man sich | |
kaum noch vorstellen, dass hier nach Kriegsende bis 1978 nur eine | |
ausgebrannte Ruine ohne Dach und ohne Fenster die alliierte Bombardierung | |
überstanden hat und im Lichthof ein ganzer Wald wucherte. | |
Ein bisschen Natur bringt nun die Augmented-Reality-Arbeit „Apis Gropius“ | |
der serbischen Performance- und Installationskünstlerin Ana Prvački zurück | |
in das zweigeschossige Atrium, allerdings mithilfe modernster Technik. Auf | |
den ersten Blick erscheint der Lichthof bis auf einige Sofas und Bänke | |
leer. Aber wenn man die App „Gropius-Bau“ aufs Smartphone geladen und die | |
Arbeit „Apis Gropius“ gestartet hat, findet man sich bei einem virtuellen | |
„Ich sehe was, was du nicht siehst“ wieder. | |
Als wären sie alle Teilhaber einer kollektiven Halluzination, winden oder | |
bücken sich die Besucher, um ein Paralleluniversum auszuloten, das nur per | |
Telefon oder einem der Tablets, die an der Kasse ausgegeben werden, | |
zugänglich ist. Denn Ana Prvački hat sich als „artist in residence“ am | |
Gropius-Bau im vergangenen Jahr eine fiktive Bienenart ausgedacht. Aus | |
einer der schwarzen Marmorsäulen rückt dieser Schwarm der Gropius-Bienen | |
aus und fliegt eine Reihe von Honigwaben an, die unter dem Deckenfenster | |
hängen. | |
Die Bienen ernähren sich aus rosa Blumen, die aus den floralen Motiven auf | |
den Bodenkacheln sprießen. Überhaupt fällt einem dank der Arbeit plötzlich | |
auf, wie viele Naturmotive in der Innengestaltung des Gropius-Baus zu | |
finden sind: die Säulen münden in stilisierten Blüten, in den | |
Gipsornamenten dazwischen erkennt man Eichenblätter, Zweige und andere | |
Pflanzenteile. | |
Die eigentlich unmöglichen Bilder der Augmented-Reality-Arbeit, die sich | |
auf dem Monitor über Echtzeitbilder aus dem physischen Raum legen, haben | |
dabei so eine Überzeugungskraft, dass man wirklich erstaunt ist, wenn man | |
sie von der Empore im ersten Stock nicht mehr zu sehen bekommt. | |
Schiefe Metaphern | |
So ganz vertraut Prvački der Kraft ihrer Arbeit auf dem Smartphone-Monitor | |
dann aber doch nicht und ergänzt die Bilder von den triefenden Honigwaben | |
mit einem poetischen Voiceover, der einige schiefe Metaphern enthält: Erst | |
sollen wir Bienen sein, die den Honig der Bilder um uns herum einsammeln, | |
dann Honigwaben, die mit visuellen Materialien gefüllt werden. Auch eine | |
langatmige Einleitung zu der Arbeit trägt nicht unbedingt zum direkten | |
persönlichen Zugang zu einem Werk bei, das eigentlich auch ohne gewundene | |
Ausführungen der Künstlerin ganz gut zu rezipieren ist. | |
[1][Augmented-Reality-Arbeiten wie die Prvačkis sind derzeit en vogue]: Die | |
aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Kunstforum hat dem Thema eine lange | |
Titelgeschichte gewidmet, in Düsseldorf findet bereits zum zweiten Mal die | |
„AR-Biennale“ statt. Wer boshaft ist, mag finden, dass bei diesen Werken | |
lediglich der Status quo beibehalten wird: Alle starren wie hypnotisiert | |
aufs Handy. | |
Doch andererseits kann man AR-Kunst als eine neue, technisch zeitgemäße | |
Weiterentwicklung der Kunst im öffentlichen Raum sehen, die dabei noch den | |
zusätzlichen Reiz hat, sich nur Eingeweihten zu zeigen. | |
Ana Prvački zeigt alle ihre Werke nur unter der Bedingung, dass der | |
Betrachter für sie keinen Eintritt bezahlen muss. Der Gropius-Bau ist daher | |
derzeit frei zugänglich,und man kann gleich noch [2][einige Installationen | |
zum Thema künstliche Intelligenz] im ersten Stock mitnehmen sowie je eine | |
Arbeit von General Idea und Pallavi Paul als eine Art Trailer für die | |
beiden nächsten großen Ausstellungen, die im Gropius-Bau im Herbst zu sehen | |
sein werden. | |
21 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tilman Baumgärtel | |
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