# taz.de -- Hype um Durian-Frucht in China: Von wegen Kotzfrucht | |
> Die Durian-Frucht ist wegen ihres Geruchs verschrien, in Thailand aber | |
> werden Bauern mit ihr reich. Das liegt vor allem am Export nach China. | |
Bild: Außen stachelig, innen cremig: die Durian-Frucht | |
Die Fenster des Hauses aus Edelholz stehen weit offen. Besitzer Toi lässt | |
seinen Blick über die Landschaft mit hochragenden Karstfelsen schweifen. | |
Durian-Bäume – so weit das Auge reicht. Sie sehen fast aus wie geschmückt: | |
Toi und die Bauern der Umgebung haben knallrote Bänder von den Stämmen zu | |
den Ästen gespannt, damit sie unter der Last der kiloschweren | |
Monthong-Früchte – Thai für „Goldenes Kissen“ – nicht abbrechen. Der … | |
zeigt auf ein paar Baumstümpfe in der Nähe seines Hauses. | |
„Ich habe sie gefällt, weil ich gesünder leben will“, sagt der drahtige | |
Mann, „die Bäume waren voll von Pestiziden.“ Der 71-Jährige will hier, auf | |
seiner Plantage im Süden [1][Thailands] im Verwaltungskreis Lang Suan, | |
zukünftig auf biologische Landwirtschaft umstellen. | |
Toi kann sich solche Versuche leisten. Während der vergangenen Jahre machte | |
er gute Gewinne, denn das Geschäft mit den Durian-Früchten boomt. Die | |
Monthong-Variante, die in der Region überwiegend angebaut wird, zerschmilzt | |
wie Creme auf der Zunge und erinnert Feinschmecker an Vanillespeisen oder | |
auch Crème brûlée. | |
Der Nachteil der kiloschweren Früchte: Sie haben einen penetranten Geruch. | |
Deshalb firmiert Durian im Deutschen, wo man gern Fremdartiges erst mal | |
runtermacht, als Stink- oder Kotzfrucht. In Südostasien indes gelten | |
Durians schon seit Jahrhunderten als Delikatesse. | |
## Königin der Früchte | |
Die 180.000 Quadratmeter Obstplantagen voller Durian-Bäume – etwa 25 | |
Fußballfelder –, für die Toi vor 40 Jahren läppische 900 Euro zahlte, sind | |
deshalb jetzt 900.000 Euro wert. Toi will hier nur mit Vornamen genannt | |
werden, in Thailand existieren Nachnamen aber ohnehin nur auf dem Papier. | |
Er hatte zwar dieses Jahr keine guten Bedingungen, weil wegen [2][Dürre und | |
Klimawandel] der für gewöhnlich starke und notwendige Regen ausblieb. | |
Doch er verdient immer noch besser, als er es sich jemals erträumt hatte: | |
„Solange der Preis über 50 Baht (umgerechnet 1,50 Euro; Anm. d. Red.) pro | |
Kilo Durian liegt, machen wir Profit.“ Gegenwärtig kassieren die Bauern die | |
dreieinhalbfache Summe von 180 Baht. | |
Der Grund für die hohen Preise: 95 Prozent aller in Thailand wachsenden | |
Durian-Früchte der Sorte Monthong wurden im ersten Halbjahr nach China | |
exportiert. Der Heißhunger im Reich der Mitte auf die Früchte, die laut | |
einem chinesischen Diplomaten „wie warmes Eis auf der Zunge zerfließen“, | |
kennt keine Grenzen. | |
1,2 Millionen Tonnen Früchte importierte China vergangenes Jahr. Nur vier | |
Tage dauert es, bis die kiloschweren, stacheligen Früchte von Lang Suan, | |
dem mittlerweile weltweit größten Handelszentrum der Welt rund 500 | |
Kilometer südlich der Hauptstadt Bangkok, bis in die chinesischen Provinzen | |
Yunnan und Guangxi gelangen. | |
Auf dem Auay Chai 2 Markt am Rand des Provinznests nennen sie das Monthong | |
längst die „Königin der Früchte“. Tagelöhner wie Sanaan, der gerade bei | |
einem Händler zentnerweise Durian-Früchte abgeladen hat, lassen es nach | |
wochenlanger Schufterei in der grünen Einöde ordentlich krachen. | |
Der Mann verdient während der Erntezeit täglich rund 30 Euro, etwa vier Mal | |
mehr als der gesetzliche Mindestlohn. Sanaan – auch er will nur mit | |
Vornamen genannt werden – drängt sich entschlossen zu einem Stand mit | |
meeresfrischen Krebsen, höllisch scharf gewürztem Tintenfisch und Garnelen | |
aus dem Golf von Thailand durch. „Endlich mal was anderes als Nudelsuppe | |
und Reis mit Gemüse“, sagt der 30-Jährige und reibt sich den Bauch. | |
Die wabernden Schwaden gebratener Chili-Bohnen, die wie auf allen | |
thailändischen Märkten rund um Garküchen den Geruchssinn reizen, haben hier | |
aber keine Chance gegen den „Duft“ der wahren Herrscherin: der | |
Durian-Frucht. | |
Im Minutentakt fahren rund um den Auay Chai 2 Markt turmhoch beladene | |
Pick-ups an den Schuppen der Händler vor, die ihnen die Ernte von der | |
Ladefläche holen. Ein kurzer Schlag mit einem Stöckchen auf die Durian | |
genügt und der Händler erkennt am Klang, ob die Frucht reif genug ist. | |
Wäre da bloß nicht dieser Geruch! Fluglinien in Südostasien verbieten | |
Passagieren seit Jahren den Transport im Gepäck. Hotels von Hanoi bis Bali | |
weisen Gäste an, Durian in jeder Form jenseits der Grundstücksmauern zu | |
verspeisen. | |
Autoren aus aller Welt versuchten, die Kombination von himmlisch anmutendem | |
Vergnügen für Geschmacksnerven und höllischer Tortur des Geruchssinns | |
besonders plastisch zu beschreiben. Auch nach dem Essen verbreiten Durians | |
ihren Odeur: Wie beim Knoblauch teilen Mund- und Körpergeruch selbst | |
Stunden nach dem Verzehr der Umwelt die eigene kulinarische Freude mit. | |
## Das Stinktier lässt grüßen | |
Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München | |
spürte im Jahr 2020 den chemischen Grundlagen des penetranten Geruchs der | |
in Deutschland verpönten Kotzfrucht nach. | |
Nadine Fischer, Mitautorin der Studie, sagt: „Im Fruchtfleisch steigt nicht | |
nur die Ethionin-Konzentration mit zunehmendem Reifegrad an, sondern | |
parallel dazu auch die von Ethanthiol (eine übel riechende, nicht | |
wasserlösliche Flüssigkeit; Anm. d. Red.). Letzteres erklärt den besonders | |
starken Geruch einer reifen Durian.“ Fun fact: Ethanthiol versprüht auch | |
ein Stinktier durch eine Drüse, wenn es Feinde in die Flucht jagt. | |
Zwar wurden vor zwei Jahren erstmals nasenfreundliche, geruchsfreie | |
Setzlinge auf den Markt geworfen. Aber in einer Gegend, in der Massaman | |
Curry dank der stacheligen Früchte bereits seit dem Mittelalter zum Besten | |
gehört, was Südostasiens Küche zu bieten hat, will der Kunde oft nicht auf | |
den Geruch verzichten. | |
„Durian, die nicht riechen, sollen helfen, westliche Märkte zu öffnen“, | |
sagt Durian-Pflanzer Toi. Thailänder mögen knusprige Durians gemeinsam mit | |
Sticky Rice als Nachtisch. Käsekuchen mit Durian gehören zu eher modernen | |
Versuchen, die Frucht neuen Kunden schmackhaft zu machen. Es gibt Cendol | |
(geschabtes Eis mit Götterspeise in Kokosnussmilch) mit Duriangeschmack. | |
In Taiwan und Malaysia werden Ramen-Nudeln in ausgehöhlten halben | |
Durian-Schalen serviert. Pizza oder Pasta mit Durian-Flavour sind längst | |
Alltag. Und der Geschmack überzeugt offenbar auch Hedonisten, anders ist | |
der Durian-Fetisch kaum zu erklären: Kondome mit Durian-Geschmack sind in | |
Asien der letzte Schrei. | |
Der Anbau der Frucht ist dabei nichts für Anfänger. „Bei Durian muss man | |
probieren und lernen“, sagt Toi. Er verweist auf seinen 45-jährigen Neffen | |
Sarawuth, der mit am Tisch sitzt. „Ihm sind vor zwei Jahren mehr als 100 | |
neu gepflanzte Bäume eingegangen.“ Oft ist Wasser das Problem. Denn | |
Durian-Bäume mögen es zwar feucht. Doch wenn das Wasser um die Wurzeln | |
steht, gehen sie ein. Ein anderes Problem: Bauern meinen es zu gut mit | |
chemischem Dünger. | |
„Es geht gegenwärtig nur darum, die Blätter der Bäume zu erhalten“, sagt | |
der drahtige Mann angesichts einer anhaltenden Dürre. Ohne das Laubwerk | |
verdorren die kleinen Knospen, die zu Dutzenden an den Zweigen der Bäume | |
wachsen. Toi und sein Neffe Sarawuth schaffen tonnenweise Wasser heran. Der | |
Boom in China ist so groß, so ihr Kalkül, dass explodierende Preise ohne | |
Murren hingenommen werden. Zukunftsangst kennen Durian-Bauern auch trotz | |
Klimaveränderungen kaum. Im Gegenteil, Toi hat noch viel vor: „Wir haben | |
erst einen kleinen Teil von Chinas Bevölkerung mit unseren Durian erreicht. | |
Es gibt aber eine Milliarde Chinesen.“ | |
12 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Willi Germund | |
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