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# taz.de -- Billig-, Marken- und Edelpasta im Test: Spaghetti alla schlappi
> Unsere Autorin hat Pastasorten auf Geschmack, Gefühl und die
> Bereitschaft, sich mit der Sauce zu verbinden, getestet – und hat eine
> klare Siegerin.
Bild: Nudelgeschäft in Neapel, Italien, 1954
Der Prozess vom Allesschlucker zum Feinschmecker vollzieht sich
üblicherweise schleichend. Erst greift man zum 5-Euro-Plus-Wein, weil einem
die 1,99-Euro-Flasche einen Horrorsonntag zu viel beschert hat. Dann folgt
das Erweckungserlebnis mit einer Tomate, die nach mehr als nur nach saurem
Wasser schmeckt. Plastikverpacktes Brot kommt irgendwann auch nicht mehr in
die Tüte, und wer jetzt nicht aufpasst, hat mir nix, dir nix Dinge wie
Dry-Aged-Steak und Jacobsmuscheln in den Speiseplan aufgenommen und sich
finanziell ruiniert.
Oder man hält es etwas simpler und konzentriert sich auf: Pasta. Und zwar
nicht auf die frische aus dem Kühlregal oder gar aus der eigenen
Nudelmaschine, sondern auf getrocknete. Von der man ja spätestens seit
Corona weiß, dass sie der [1][Deutschen liebstes Hamsterprodukt] ist,
gleichauf mit dem Klopapier.
Doch bis vor Kurzem ahnte ich nicht, welches Nerdtum sich dahinter
verbirgt. Denn ebenso wie bei Wein oder Kaffee gibt es auch bei
Trockenpasta – immer aus Weißmehl, Vollkornpasta ist keine echte
Trockenpasta!!! – Expert:innen, die darüber fachsimpeln, welche Marke das
Nonplusultra ist und welche gar nicht geht. Da gibt es zum Beispiel
Vincenzo, ein in Australien lebender Italiener, der auf seinem
Youtube-Kanal mehr als 1,2 Millionen Follower:innen hat und in dem
[2][mehr als zwölfminütigen Video] „How to BUY PASTA like an Italian (It
will Change your Pasta Game Forever)“ erklärt, worauf man beim Pastakauf
achten sollte, und einem auch gleich noch jede Menge obskure Marken mit auf
den Weg gibt.
Vincenzo ist Pastaexperte – und er ist ein guter Geschichtenerzähler. Bei
ihm lerne ich: Jede Trockenpasta besteht aus Semolina. Das ist ein fein
gemahlener Hartweizengrieß, aus Wasser und nichts anderem, das gilt bei
billiger genauso wie bei teurer. Den entscheidenden Unterschied macht
erstens die Weizenqualität, zweitens die Nudelmaschine und drittens die
Trocknungszeit.
## Der Experte empfiehlt Teig aus Bronzeformen
So ist es laut Vincenzo bei Billigpasta oft so, dass sie nur sehr kurz und
bei sehr hohen Temperaturen getrocknet wird. Was nicht nur dazu führt, dass
viele ihrer Nährstoffe zerstört werden, sondern auch, dass sie statt dieses
hübschen Weizengelbs so ein trauriges Orange kriegt. Sein Fazit: Je länger
und schonender die Pasta getrocknet wird, desto besser ist sie.
Ferner sollte man darauf achten, durch welche Form der Pastateig gepresst
worden ist, erklärt [3][der französische Youtuber Alex], der sich
stellvertretend für seine 2 Millionen Follower:innen ebenfalls mit
Trockenpasta auseinandersetzt. Ist es eine Form aus Teflon, die häufig in
der Massenproduktion eingesetzt wird, ist das Äußere der Pasta sehr glatt,
sodass nichts richtig an ihr haften bleibt. Deshalb empfiehlt er Pasta aus
Bronzeformen, da die sich dank ihres aufgerauten Äußeren [4][besser mit der
Sauce verbindet].
Aber diese ganzen Pastanerds, die fast alle Männer sind, können ja viel
erzählen. Stimmen muss es noch lange nicht. Also beschließen mein Freund
und ich, Pastanerds im Herzen, unseren eigenen Pastatest zu machen. Auf
unseren Tellern: 1. Billigspaghetti der Marke La Campagna (500 g für 79
Cent bei Netto), 2. Markenspaghetti, in unserem Fall No. 5 von Barilla
(2,49 Euro bei Edeka) und 3. Edelspaghetti, genauer: die von beiden
Youtubern gehypten Spaghetti von Mancini (4,90 Euro bei Viani). Letztere
stammt aus der italienischen Region Marken und hat mit vom Pastaunternehmen
selbst angebautem Hartweizen, einer mehr als 40-stündigen Trocknungszeit
und Bronzepressung alles, was eine gute Pasta laut Vincenzo und Alex haben
muss.
Während in meiner Küche in drei Töpfen auf drei Herdplatten das Wasser
langsam zu kochen beginnt, schauen wir uns die drei Sorten genauer an: Die
teuren Spaghetti kommen in einer stilvollen, blutorange-weißen
Papierverpackung – wie zu erwarten sind sie schön blass und rau. Am
dunkelsten sind zu unserem Erstaunen die Barilla-Spaghetti und nicht die
von La Campagna. Was ihre Oberflächentextur betrifft, nehmen sich die
beiden Sorten nicht viel: Sie sind aalglatt.
Die Kochzeit ist je nach Marke unterschiedlich; [5][wir mögen es beide al
dente] und reizen sie jeweils nicht aus. Erst probieren wir die Spaghetti
pur, direkt aus dem Topf. Nur das minimal Nussige, das ja jeder Nudel
innewohnt, kommt durch – am stärksten bei den Mancini-Spaghetti; vielleicht
weil sie einen deutlich größeren Durchmesser haben, also mehr Masse, und
einen Teig, der durch seine lockere Körnigkeit mehr Platz für die Aromen
lässt. Daneben schmeckt La Campagna nach nix, hat aber immerhin eine
überraschend gummiartige Konsistenz, die meinen Freund und mich sofort in
unsere Kindheit zurückkatapultiert.
Und dann kommt die Barilla dran, lange meine Haus-und-Hof-Spaghetti.
„Igitt, die hat aber einen ekligen Nachgeschmack. Irgendwie künstlich!“,
sagt mein Freund, ohne dass er dieses Künstliche genauer beschreiben
könnte. „Schmecke ich nicht“, sage ich. „Aber ich finde sie irgendwie
schleimig und glitschig.“ Doch kein Mensch isst Pasta ohne Sauce und
deshalb bereiten wir jetzt eine zu.
Weil wir es möglichst neutral halten wollen, machen wir unsere Version von
Spaghetti aglio e olio. Also Pinienkerne in der Pfanne anrösten und
beiseitestellen, dann (gutes!!!) Olivenöl in die Pfanne und richtig viel
Knoblauch darin anbrutzeln lassen. Darin schwenken wir die drei
Spaghettisorten und garnieren sie mit reifem Parmesan, einer Spur Piment
d’Espelette (französisches Chilipulver, das süchtig macht) und frisch
gezupften Basilikumblättern.
Wir fangen mit der günstigsten Pasta an. Die finden wir in Kombination mit
dem würzigen Öl und dem Käse wirklich gut. Doch auf den zweiten Bissen
stört mich, dass sie ihrer Konsistenz treu bleibt: quietschig, plastikhaft.
Im Gegensatz zu meinem Freund, der gleich noch eine Gabel nimmt.
Die Barilla verhält sich auch mit aglio e olio, als hätte sie ein schwaches
Bindegewebe – irgendwie schlappi. Doch sie vereinigt sich etwas besser mit
dem Öl als die günstige. „Vom Mundgefühl finde ich die jetzt viel
angenehmer“, sage ich. „Irgendwie harmonischer.“ Mein Freund schüttelt d…
Kopf. Er bleibt von La Campagna überzeugt, die ich wiederum eher in einer
Pfanne angebraten und mit Ei überbacken sehe.
Dann machen wir uns über die Luxus-Spaghetti her. „Hier schmecke ich halt
einfach auch die Pasta“, schwärmt mein Freund. Sie hat nämlich Biss und ist
nicht nur Trägerin für irgendeine Sauce, sondern ein vollwertiges Mitglied
des Gerichts. Ich schiebe mir ebenfalls eine Gabel mit einer Riesenschnecke
Mancini in den Mund.
„Einfach nur köstlich!“
„Jetzt sind wir für immer versaut.“
„Krass.“
„Und von welcher willst du Nachschlag?“
Mein Freund und ich essen die teuren Spaghetti bis auf die letzte Nudel auf
und sind uns einig, dass wir sie bald wieder zubereiten werden. Nicht
täglich, wir sind ja keine Pastasnobs, sondern zu besonderen Gelegenheiten,
wie ein teures Steak oder einen guten Wein. Und für den Alltag wird es dann
etwas im niedrigen bis mittleren Preissegment. Allerdings nicht mehr von
Barilla.
12 Aug 2023
## LINKS
[1] /Hamsterkaeufe-und-Corona/!5668075
[2] https://www.youtube.com/watch?v=mYsffeNkslA
[3] https://www.youtube.com/@FrenchGuyCooking
[4] /Pastawissenschaft/!5794061
[5] /Kochen-in-der-Energiekrise/!5876408
## AUTOREN
Anna Fastabend
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