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# taz.de -- Studie zur AfD: Partei darf verboten werden
> Die AfD ist verbotsreif, analysiert das Institut für Menschenrechte. Sie
> widerspricht dem Grundgesetz, Mitglieder gehörten entwaffnet.
Bild: Strebt laut DIFM „eine am Nationalsozialismus orientierte Gewaltherrsch…
Berlin taz | Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMF) sieht die
Voraussetzungen für ein Verbot der AfD erfüllt. Das geht aus einer
72-seitigen Analyse des Rechtswissenschaftlers Hendrik Cremer mit dem Titel
„Warum die AfD verboten werden könnte“ vor, die das Institut [1][am
Mittwoch veröffentlichte]. Die Studie kommt zum Schluss, dass die extrem
rechte Partei das Ziel verfolge, die freiheitlich-demokratische
Grundordnung zu beseitigen.
Die AfD habe sich seit ihrer Gründung 2013 stetig radikalisiert und [2][zu
einer rechtsextremen Partei entwickelt]. In ihrer Programmatik sei
mittlerweile die rassistische national-völkische Ausrichtung fest
verankert, die sich nicht nur auf Mitglieder des offiziell aufgelösten
„Flügels“ beschränke. Sie missachte mit ihrer Ausrichtung die im
Grundgesetz verankerte Garantien der Menschenwürde sowie das Demokratie-
und Rechtsstaatsprinzip – folglich erfülle die Partei die Voraussetzungen
für ein in [3][Artikel 21 des Grundgesetzes vorgesehenes Verbot].
Man wolle mit der Analyse auch dazu beitragen, dass die AfD als die klar
rechtsextreme Partei wahrgenommen werde, die sie sei. Cremer sagte in einem
Pressegespräch: „In der Medienberichterstattung ist immer noch fälschlich
von einer ‚rechtspopulistischen Partei‘ die Rede oder von einer ‚in Teilen
rechtsextremen‘.“ Wenn die AfD aber wie eine demokratische Partei
wahrgenommen und so behandelt werde, trage das zum „sehr gefährlichen
Prozess der Normalisierung“ bei, ergänzte Nele Allenberg, die im DIFM
Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik ist.
## Die Lage ist anders als bei der NPD
Das im Jahr 2001 gegründete Deutsche Institut für Menschenrechte orientiert
sich am „Pariser Prinzip“ der Vereinten Nationen. Es ist politisch
unabhängig, wird jedoch vom Bundestag über den Haushalt finanziert. Es
forscht zu Menschenrechtsfragen und prüft die Einhaltung etwa der
UN-Behindertenrechtskonvention, der Istanbul-Konvention oder der
UN-Kinderrechtskonvention.
Ein Verbotsverfahren könnte der Bundestag, der Bundesrat oder die Regierung
beantragen. Am Ende müsste das Bundesverfassungsgericht darüber
entscheiden. Ein [4][Verbotsverfahren gegen die NPD] scheiterte 2017 an
mangelnder Relevanz – das kann man von der AfD allerdings nicht behaupten
angesichts ihrer Präsenz in fast allen Parlamenten und [5][derzeitigen
Umfragewerten] bei 18 Prozent.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als „rechtsextremen
Verdachtsfall“ und deren Jugendorganisation Junge Alternative als
„gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ ein.
## Höcke und der Nationalsozialismus
Als Belege für die antidemokratische Ausrichtung der AfD sieht der
Rechtswissenschaftler Cremer unter anderem Grundsatz- und Wahlprogramme,
das Sozialkonzept und öffentliche Äußerungen von AfD-Politiker*innen: Die
AfD erkenne nicht alle Deutschen als solche an und strebe an, „allein
willkürlich bestimmen zu können, wer in Deutschland lebt und wer nicht, was
Deportationen deutscher Staatsangehöriger und damit die Anwendung grund-
und menschenrechtswidriger Gewalt einschließt“, wie es in der
Zusammenfassung der Studie heißt.
Cremer nannte auf Nachfrage der taz etwa Äußerungen Gaulands als Beispiel
dafür, die ehemalige Integrationsbeauftragte und jetzige
Bundestagsvizepräsidentin [6][Aydan Özoğuz (SPD) in Anatolien entsorgen zu
wollen] – eine Äußerung, für die er in der Partei weitgehend Rückendeckung
bekam. Ebenso findet sich in der Studie Höckes Forderung von einem
„großangelegten Remigrationsprojekt“, bei dem man nicht um „wohltemperie…
Grausamkeit“ herumkommen würde.
In der Partei setze sich zunehmend der Kurs des rechtsextremen Björn Höcke
durch, der derzeit auch wegen der Verwendung der [7][SA-Losung „Alles für
Deutschland“ angeklagt ist]. In der Analyse heißt es, Höcke ziele „offen
auf eine am Nationalsozialismus orientierte Gewaltherrschaft“ ab und
beeinflusse die Ausrichtung der gesamten AfD als führende Stimme auch ohne
Posten auf Bundesebene maßgeblich.
Selbst die Anwendung von Gewalt als Ziel der Partei lässt sich laut Studie
belegen: Insbesondere wiederum mit Äußerungen von Höcke, die sich positiv
auf den Nationalsozialismus beziehen oder wenn dieser etwa innerparteiliche
Gegner „ausschwitzen“ wolle, womit er sich unverhohlen auf das von den
Nationalsozialisten betriebene Vernichtungslager beziehe. Er habe damit den
Wunsch zum Ausdruck gebracht, „innerparteiliche Widersacher zu
eliminieren“, analysiert die Studie.
Insbesondere verweist Studienautor Cremer aber auf Höckes Buch: Demnach
würden am Ende nach einem von Höcke gemalten Umbruch „noch genug Angehörige
unseres Volkes vorhanden sein“, zitiert er Höcke. „Auch wenn wir leider ein
paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind,
sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und
Islamisierung zu widersetzen.“ Alle diejenigen, die nicht die
völkisch-nationalistische Ideologie der AfD verwirklichen wollten, „würden
beseitigt“, folgert die Studie.
Weil die extrem rechte Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele planvoll
verfolge, lägen alle im Artikel 21 vorgesehenen materiell-rechtlichen
Voraussetzungen für ein Verbot vor. Gleichwohl gebe es einen
Ermessensspielraum der Antragsberechtigten, nachdem man auch zum Schluss
kommen könne, die politische Auseinandersetzung mit der AfD zu suchen, wie
DIFM-Direktorin Beate Rudolf im Vorwort schreibt.
## Politikwissenschaftler sehen Verbot kritisch
Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, der viel zum
NPD-Verbotsverfahren publiziert hat, sieht ein AfD-Verbot hingegen
kritisch: „Ein Parteiverbot ist kein probates politisches Mittel. Es hat
den Abschreckungseffekt verloren und den Appeal einer autoritären Maßnahme,
die das Märtyrer-Gefühl bei der AfD und ihren Wählern eher noch verstärken
würde.“
Demokratietheoretisch sei es völlig unvertretbar, eine Partei abzuschaffen,
die in fast allen Parlamenten sitzt. Man müsse ein breites
gesellschaftliches, über das Antifa-Milieu hinausreichendes Bündnis für
Demokratie aufbauen, die AfD politisch stellen und ausgrenzen. Gewaltsame
Bestrebungen müsse man strafrechtlich verfolgen. In der Analyse
unterscheidet sich Leggewie hingegen weniger: „Die AfD sind im Kern
Neo-Faschisten, die den Parlamentarismus zerstören wollen, um ein
autokratisches Regime zu errichten.“
Auch der Kommunikationsforscher und Politikberater Johannes Hillfe ist eher
skeptisch, ob ein Parteiverbot hilft: „Ein Verbot der rechtsextremen AfD
löst nicht das gesellschaftliche Problem rechtspopulistischer
Einstellungen, die weit über die Partei hinausgehen. Es ist ein manifestes
Demokratieproblem, wenn Menschen aus Unzufriedenheit mit der aktuellen
Politik eine rechtsextreme Anti-System-Partei wählen wollen.“ Wenn man
juristisch scheitere, liefert man der Partei zudem ein starkes Argument,
mit dem sie sich jahrelang verharmlosen und behaupten kann, dass sie eine
demokratische Partei wäre, so Hillje.
„Es muss darum gehen, der Normalisierung der AfD entgegenzuwirken und
Menschen für demokratische Politik zu gewinnen“, sagt Hillje. Alle
Demokraten seien aufgefordert, die AfD politisch zu isolieren und den
Unzufriedenen bessere Angebote zu machen. Sie sollten „selbstkritisch mit
dem Aufwind von Demokratiefeinden umgehen und nicht ihre Narrative
legitimieren. Um Vertrauen in ihre Veränderungspolitik zurückzugewinnen,
sollte die Ampel soziale, ökonomische und alltagskulturelle Sicherheit
bieten.“
## Abgrenzung und Entwaffnung gefordert
Für das Institut für Menschenrechte ergeben sich aus ihrer Analyse
Einordnung jedenfalls Schlussfolgerungen für die politische Praxis: Man
könne der von der AfD ausgehenden Gefahr für die Demokratie nur begegnen,
„wenn sich die anderen politischen Parteien unmissverständlich“ von der AfD
auf allen Ebenen abgrenzen. Zuletzt bröckelte die sogenannte Brandmauer vor
allem auf kommunaler Ebene.
Laut dem Institut für Menschenrechte müssten zudem sämtliche
Bildungsinstitutionen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus als
wichtige Themenfelder verinnerlichen, wozu auch die Einordnung der AfD
gehöre. Der Staat müsse darüber hinaus konsequent AfD-Mitglieder entwaffnen
und Disziplinarverfahren einleiten, wenn Beamt*innen, Soldat*innen oder
[8][Richter*innen für die AfD] einträten, weil diese dadurch ihre
verfassungsrechtliche Treuepflicht verletzten.
AfD-Mitglieder seien überdies vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung aus dem
Staatsdienst zu entlassen. Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung müsse
man von der staatlichen Förderung ausschließen und ihr die Gemeinnützigkeit
aberkennen, weil sie rassistisches und rechtsextremes Gedankengut
verbreite.
## Grundsatzprogramm belege völkische Ausrichtung
Die DIMF-Studie sieht die [9][rassistische national-völkische Ausrichtung
der AfD] fest in der Programmatik verankert: Bereits das Grundsatzprogramm
2016 sei auf das „Ideal einer kulturell homogenen Bevölkerung“ ausgelegt
gewesen, die es gegen „importierte kulturelle Strömungen“ zu verteidigen
gelte. Das Programm sei ein Beispiel dafür, dass rassistische
Argumentationsmuster heutzutage nicht allein auf physische Merkmale oder
biologistische Begründungen Bezug nähmen, sondern auf Kultur oder
Religionszugehörigkeit.
Dabei nehme die AfD „eine Hierarchisierung von Menschen vor, indem sie
nicht nur die ‚deutsche Identität‘ als ‚Leitkultur‘ hervorhebe, sondern
auch durch „die Betonung einer vermeintlich unangebrachten Gleichstellung
verschiedener Kulturen“ Menschen abwerte, die nach ihren Vorstellungen
nicht Teil der „einheimischen Kultur“ seien – das widerspreche den
Garantien aus dem ersten Artikels des Grundgesetzes und bringe ein
rassistisches und national-völkisches Konzept zum Ausdruck.
Im Wahlprogramm 2017 hätten sich ähnliche Aussagen direkt gegen Muslime
gerichtet und die völkische Ausrichtung damit untermauert, womit der
Grundsatz der gleichen Menschenwürde eines jeden Individuums fundamental in
Frage gestellt würde. Im Wahlprogramm zu letzten Bundestagswahl 2021 finde
sich ebenfalls ein Menschenbild von einem (deutschen) „Uns“ und den
„anderen“, das dem Grundgesetz diametral entgegenlaufe.
## Verwendung von Kampfbegriffen
Ebenso zeige sich die national-völkische Ausrichtung im Konzept zur
Sozialpolitik von 2020, das vorsieht soziale Leistungen wie die Rente
anhand völkischer Kriterien zu beschränken. Das bewertet das Institut als
„offensichtlich grund- und menschenrechtswidrig. Schon der Ansatz,
Nicht-Deutsche von der Rentenversicherung auszuschließen, wäre nicht zu
rechtfertigen“, heißt es.
Hinzu komme, dass das AfD-Führungspersonal rechtsextreme Kampfbegriffe
verwende. Ob Parteichef [10][Tino Chrupalla] das sprachlich im
Nationalsozialismus verankerte Wort „Umvolkung“ nutze, Gauland von
„Bevölkerungsaustausch“ rede oder Weidel von „Kopftuchmädchen“ und
„sonstigen Taugenichtsen“ spreche – die Führungsspitze habe ihre
rassistische national-völkische Positionierung deutlich zum Ausdruck
gebracht.
Die grundgesetzwidrige Ausrichtung finde ihre Fortsetzung in der
„Bagatellisierung nationalsozialistischer Verbrechen“, wie bei Gaulands
„Vogelschiss“-Äußerung und „offenen Bekenntnissen zum Nationalsozialism…
wie etwa Siegbert Droeses Foto an der Wolfsschanze mit Hand auf dem Herz.
7 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/warum-die-…
[2] /Rechtsextreme-Jugendorganisation-der-AfD/!5928815
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_21.html
[4] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/20…
[5] /Populismus-der-Union/!5938090
[6] https://www.tagesspiegel.de/politik/gauland-will-integrationsbeauftragte-oz…
[7] /Rechtsextremer-AfD-Politiker/!5938468
[8] /Urteil-gegen-Reichsbuergerin/!5922460
[9] /Kuenstliche-rassistische-Bilder/!5923104
[10] /AfD-und-Russland/!5911068
## AUTOREN
Gareth Joswig
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