# taz.de -- Junge, politische Kunst in München: Dem Trauma einen Ton geben | |
> Leyla Yenirce, Paul Kolling und Shaun Motsi stellen im Münchener Haus der | |
> Kunst aus – und setzen sich dabei mit Politik und Ökonomie auseinander. | |
Bild: Optisch minimal, klanglich immersiv: „Holy Water“ von Leyla Yenirce, … | |
Als Musikerin mit dem Namen [1][Rosaceae] ist sie einigen bekannt. Ihr | |
Sound changiert zwischen Ambient, Noise und Techno. In letzter Zeit taucht | |
Leyla Yenirce – so ihr bürgerlicher Name – immer wieder auch als bildende | |
Künstlerin auf. Wie jetzt im Haus der Kunst in München. | |
Ihre Klanginstallation „Holy Water“ verhandelt dort das grausame Schicksal | |
der jesidischen Frauen und Mädchen, die 2014 und danach von den Kriegern | |
des sogenannten Islamischen Staats gefoltert und vergewaltigt wurden, viele | |
starben. Im Lalish, einem heiligen Tempel der Jesiden im Norden Iraks, | |
wurde ein Ritual zur Wiederherstellung der Ehre dieser Frauen erschaffen. | |
Sie werden dann ein zweites Mal getauft. Durch diese reinigende Handlung | |
erlangen sie ihre Würde wieder und können erneut Mitglieder der jesidischen | |
Glaubensgemeinde werden. Dieses Recht hatten sie als Opfer sexuellen | |
Missbrauchs verloren. | |
Yenirce hat nun einen poetischen, schon auch überpathetischen Klangteppich | |
komponiert und unterlegt ihn mit Geräuschen vom Taufereignis. Die BBC hatte | |
dieses besondere Zeremoniell im Lalish dokumentiert. Deren Aufnahmen nutzt | |
nun Yenirce. In ihrer visuell so minimalen Installation verwebt sie alte | |
Kulturtechniken, religiösen Kult und hochaktuelle (und offenbar nie | |
versiegende) Gräuel zu einer dahinfließenden Musik. Sphärisch und zugleich | |
basslastig gibt diese dem Trauma einen körperlich immersiven Klang. | |
Die 1992 geborene Yernice ist neben Paul Kolling (Jahrgang 1993) und Shaun | |
Motsi (Jahrgang 1989) Trägerin des Ars-Viva-Preises 2022. Es ist Teil | |
dieser Auszeichnung, jetzt im Haus der Kunst eine Ausstellung auszurichten. | |
Alle drei widmen sich darin ökologischen, ökonomischen oder politischen | |
Themen. | |
## Prominente Liste | |
Seit 1953 vergibt der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI | |
(Bundesverband der deutschen Industrie e.V.) den Ars-Viva-Preis an | |
Nachwuchskünstler, die in Deutschland leben. Mehr als 350 Künstler und | |
Künstlerinnen wurden im Lauf der Jahrzehnte geehrt. Die Liste ist prominent | |
besetzt: Georg Baselitz, Katharina Sieverding, Albert Oehlen, Rosemarie | |
Trockel, Candida Höfer, Thomas Ruff, Wolfgang Tillmanns, Thomas Struth, | |
Jeanne Faust, Omer Fast und Peter Piller. | |
Paul Kolling, der zweite Preisträger, wendet sich mit einer raumfüllenden | |
Installation samt Video der haarsträubend unklaren, man kann auch sagen | |
unsauberen Preisgestaltung auf dem Energiemarkt zu. Er verweist im Münchner | |
Haus der Kunst auf die Architektur der Handelsgepflogenheiten der in | |
Leipzig etablierten europäischen Energiebörse. Sie erwecken ein Übermaß an | |
wirtschaftsethischen Fragen. | |
Die [2][heroische Architektur der Institution] thematisiert Kolling mit | |
einem riesigen, den Raum transversal schneidenden, mit Stoffbahnen | |
bespannten Wall. Der alles beherrschende Blick über die Stadt vom Hochhaus | |
der European Energy Exchange (EEX) wird darauf als Fotopanorama | |
festgehalten. | |
Shaun Motsi schildert in einem gut halbstündigen Video die Veränderungen in | |
der derzeitigen Wissensbildung. Er lässt darin einen nach alter Schulmanier | |
Lehrenden mit den radikalen Vorstellungen einer | |
Online-Edutainment-Plattform (Masters) aneinandergeraten. Und er macht das | |
mit Witz, Tempo und einer guten Portion Drama. | |
22 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Annegret Erhard | |
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