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# taz.de -- Buch über afrodeutschen Aktivismus: Deutschland ist Black
> US-Historikerin Tiffany N. Florvil stellte am Dienstag im „Heimathafen
> Neukölln“ Berlin ihr Buch „Black Germany“ über die afrodeutsche Beweg…
> vor.
Bild: Audre Lorde und May Ayim am Berliner Winterfeldplatz, 1992
Deutschland wurde nicht erst Anfang der Neunziger „BLACK“. Aber, damals, in
der Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung, die von einem erstarkten
Nationalismus geprägt war, gründete sich die „Badische Liga für
Afrikanische Connection und Kommunikation“, kurz BLACK. Eine
Graswurzelorganisation mit Kleingruppen in Freiburg und Heidelberg.
Ihnen und anderen, in westdeutschen Großstädten und Berlin tätigen
Aktivist:Innen ging es darum, sich als Schwarze Deutsche
zusammenzuschließen, um gemeinsam für gesellschaftliche Anerkennung zu
kämpfen und gegen den grassierenden Rassismus.
Die Geschichte dieser Bewegung hat die US-Kulturwissenschaftlerin Tiffany
N. Florvil in „Mobilizing Black Germany“ aufgeschrieben und 2020
veröffentlicht. In den USA hat ihr Buch ein breites Echo ausgelöst. Nicht
nur eine anschauliche Beschreibung der düsteren Seite von Deutschland sei
der Autorin gelungen, sondern auch die Darstellung von „deutscher Kultur
als Ort literarischen und künstlerischen Ausdrucks von Schwarzen“, lobte
etwa die Los Angeles Review of Books.
## Endlich in deutscher Übersetzung
Am Dienstag kam die 42-Jährige mit der deutschen Übersetzung ihrer
Pionierarbeit, die nun im Ch. Links Verlag publiziert wurde, in den gut
gefüllten Heimathafen Neukölln in Berlin und stellte sich den Fragen der
Afrikanistin Josephine Apraku. Florvil studierte Anfang der nuller Jahre in
Hamburg, lehrt inzwischen in New Mexico und ist momentan Stipendiatin an
der American Academy in Berlin.
Bei der Vorstellung spricht Moderatorin Apraku von einem besonderen Tag, an
dem Florvils Lesetour beginnt und eine TV-Serie über das Schicksal des
ersten Schwarzen Polizisten Sachsens bei Disney Plus läuft, „Sam der
Sachse“. Jeden Tag wird Dunkeldeutschland heller.
Schwarze Geschichte, sagt Florvil, ist ein blinder Fleck. Obwohl seit
Jahrhunderten Menschen mit schwarzer Hautfarbe auf deutschem Boden leben
und Spuren hinterlassen haben. Etwa der Philosoph [1][Anton Wilhelm Amo]
(um 1703–1753), der in Wittenberg, Halle und Jena lehrte und der
Schauspieler Louis Brody (1892–1953), der in UFA-Kolonialfilmen mitwirkte
und darin haarsträubende Rollenklischees auszufüllen hatte. Dennoch hängen
bis heute Deutsche dem Irrglauben von der „ethnischen Homogenität“ ihres
Landes an.
## Intellektuelle des Alltags
„Die Schwarze Community in Deutschland ist heterogen, so auch ihre Kultur
und Geschichte,“ betont Florvil in der Einleitung und erklärt, dass in
Schwarzen Initiativen hauptsächlich Frauen aktiv waren, darunter etwa May
Ayim und Katharina Oguntoye. Die Autorin bezeichnet diese feministischen,
teils queeren Aktivistinnen als „Intellektuelle des Alltags“, die
„Raumpolitik“ betreiben, um sich besser zu vernetzen. Ab 1985 erscheinen
erste Zeitschriften wie Onkel Tom’s Faust, finanziert von den Beteiligten,
meist ohne institutionelle Unterstützung.
Der Zündfunke für die Politisierung kam von der feministischen US-Dichterin
Audre Lorde. 1984 hielt sie Vorlesungen in Berlin, schloss viele
Freundschaften und kehrte in der Folge oft nach Deutschland zurück.
[2][Lorde bat die Zuhörer, „Gefühle zu schärfen“,] um sich der
Diskriminierung bewusst zu werden. Florvil zitiert aus einem Vortrag
Lordes, den diese 1988 am Berliner LCB hielt. „Ich glaube an die Macht der
Dichtung […]. Sie hilft uns, eine Zukunft auszumalen, die es noch nicht
gegeben hat. Sie hilft uns, das Fehlen dieser Zukunft zu überleben.“
Am Dienstag bestätigen anwesende Schwarze Frauen, dass das Charisma von
Audre Lorde und das Pathos ihrer Zeilen einem tiefen Bedürfnis entsprach,
als diasporischer Mensch sichtbar zu werden. Offenbar konnten Anliegen der
Schwarzen Selbstorganisation weder von feministischen noch von linken
Gruppen erfüllt werden, auch wenn diese gegen Rassismus gekämpft hatten und
mit Schwarzen solidarisch waren.
## Reform des Staatsangehörigkeitsrechts
Florvil erzählt, wie Aktivist:innen auf den rassistischen Passus im
Staatsangehörigkeitsrecht hingewiesen haben: Dadurch wurde das 1914 in
Kraft getretene ius sanguinis (Abstammungsprinzip) 2000 von der rot-grünen
Bundesregierung reformiert. Die Autorin betont die Eigenständigkeit der
Erfahrung Schwarzer Deutscher, die weniger durch die gewalttätige Epoche
der US-Sklaverei geprägt ist und viel mehr durch die unvollständig
aufgearbeitete Kolonialgeschichte des Kaiserreichs.
Rassismus sei kein US-Import, erklärt Tiffany N. Florvil und erzählt, wie
sie schlimme Erfahrungen in Hamburg darin bestärkten, ein Buch über
Schwarze deutsche Geschichte zu schreiben. Moderatorin Apraku ergänzt:
Träume der Netzwerker:Innen der Achtziger werden heute wahr.
26 Apr 2023
## LINKS
[1] /Literaturwissenschaftler-ueber-Kolonialismus/!5876119
[2] /Ausstellungsempfehlung-fuer-Berlin/!5563383
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Afrodeutsche
Geschichte
Sachbuch
Schwerpunkt Rassismus
Kolumne Flimmern und Rauschen
New York
Black History
Haiti
Schwerpunkt Rassismus
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