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# taz.de -- Yaya Beys neues Album: Eindeutig zweideutig
> Emotionales Panorama: US-R&B-Sängerin und Rapperin Yaya Bey findet auf
> ihrem Album „Ten Fold“ einen eleganten Umgang mit der Familiengeschichte.
Bild: Cool mit viel Gefühl: Yaya Bey
R&B wird traditionell von starken Frauenstimmen geprägt, was daran liegt,
dass Musikerinnen aus diesem Genre oft schon früh ihre Gesangsschulung beim
Engagement in einem Kirchenchor erhalten haben – so heißt es. Diesem
Klischee will die Laufbahn von Hidaiyah Bey allerdings so gar nicht
entsprechen.
Im Gegenteil. Die 35-jährige New Yorkerin, die als Yaya Bey mit „Ten Fold“
gerade ihr drittes Album veröffentlicht hat, zweifelte lange an ihren
stimmlichen Fähigkeiten. Aufgewachsen im Bezirk Queens, wollte Yaya als
Kind am liebsten Sängerin werden. Ihr Vater Ayub Bey hingegen vermutete bei
seiner Tochter einfach kein Talent.
Dieses Urteil muss umso härter geklungen haben, da er selbst künstlerisch
tätig war. Unter dem Namen Grand Daddy I.U. war Ayub Bey Ende der 1980er
Jahre Mitglied der Juice Crew, einem Zusammenschluss von Rapper*innen
wie Biz Markie, Big Daddy Kane und [1][Roxanne Shanté]. Dahinter stand die
Handschrift des Produzenten Marley Marl, dessen Tracks damals neue Maßstäbe
im Umgang mit Samples setzten.
## Mit der eigenen Stimme singen
Vater Bey war zwar wenig beeindruckt von der Stimme seiner Tochter, dafür
erkannte er, dass sie gut mit Worten umgehen konnte, und so ließ er sie an
seinen Stücken mitwirken. Später trat sie auf der Bühne zunächst mit
eigenen Gedichten auf. Weiterhin an Musik interessiert, fremdelte Yaya
jedoch auch mit der Rolle als Komponistin für andere. Erst als sie
schließlich die Songs mit ihrer eigenen Stimme sang, passte beides zusammen
– da war Yaya Bey Mitte 20.
Ihre Debüt-EP „The Many Alter-Egos of Trill’eta Brown“ (2016) ist [2][von
Audre Lorde geprägt, der schwarzen US-Schriftstellerin und Feministin, die
auch eine Zeit in Westberlin gelebt hat und wichtig für die afrodeutsche
Szene] wurde. [3][Auch Werke der US-Nobelpreisträgerin Toni Morrison] haben
Yaya Bey beeinflusst.
Den Durchbruch schaffte Yaya Bey 2022 mit ihrem zweiten Album, „Remember
Your North Star“, das sie beim britischen HipHop-Label Big Dada
veröffentlichte. Auf diesem Werk verbindet Yaya Bey Jazz, Soul, HipHop und
Reggae so elegant wie mühelos miteinander, dass der Ernst ihrer Songtexte
einen Kontrast zur Leichtigkeit des Sounds bildet.
## Falsches Versprechen
Häufig grundiert von biografischen Erlebnissen, thematisiert Bey in einer
Mischung aus Singen und Sprechen Feindlichkeit gegenüber Frauen und
Traumata, die über Generationen vererbt werden; sie reflektiert Beziehungen
zu Partnern und ihrer Familie und entlarvt das neoliberale Versprechen von
Leistung, die sich lohne, als Mythos kapitalistischer Ausbeutung.
Der Erfolg von „Remember Your North Star“ ermöglichte es Yaya Bey, endlich
von ihrer Musik leben zu können. Ökonomische Bedingungen beschäftigen sie
auf dem neuen Album „Ten Fold“ jedoch weiterhin. Etwa die Gentrifizierung
in New York in dem Stück „Eric Adams in the Club“, wobei Bey dieses Thema
wie so oft über eine Metapher anspricht. Im Refrain imaginiert sie den
schwarzen Bürgermeister der Stadt in einem Club tanzend, während um ihn
herum die Welt zusammenbricht.
Das Leitmotiv, das sich durch die 16 reduziert arrangierten Stücke zieht,
ist jedoch ein Schicksalsschlag. Im Dezember 2022 verstarb Yaya Beys Vater
im Alter von nur 54 Jahren. Schon das erste Stück „Crying Through My Teeth“
setzt den Ton. Unterlegt von langgezogenen Orgelakkorden singt Bey von der
Last des Lebens, der Beerdigung des Vaters und der Erinnerung an ihn.
## Daddys Voicemail
Im Verlauf des Albums tauchen immer wieder Sprachnachrichten von ihm auf.
Während Bey in „So Fantastic“ die Aufnahme seines Sprechgesangs zu einem
Duett verwebt, huldigt sie in dem Video zur Single „Me and All My N****S“
den für Rapper ungewöhnlichen Kleidungsstil von Grand Daddy I.U., der für
seine Anzüge aus feinstem Zwirn und üppige Krawatten bekannt war.
Gegen Ende der Songs spricht sie ihn in „Yvette’s Cooking Show“ schließl…
direkt an, erzählt ihm stolz von ihren Erlebnissen auf einer Tournee und
schildert mit brüchiger Stimme ihre Trauer und Einsamkeit: „Griefs a heavy
meal when its on your plate / Loneliness’ a monster too and it’s all our
fate“.
Diesen wolkenverhangenen Liedern voller Schmerz und Verlustgefühlen stehen
viele hell strahlende Momente entgegen. Der ungewohnt dancefloorlastige und
so an die alte Eintracht von House und HipHop erinnernde Track „Sir
Princess Bad Bitch“ strotzt vor Selbstbewusstsein. Hedonistisch geht es
auch in „All Around Los Angeles“ zu.
[4][Das dem charismatischen Soulsänger (und Mastermind der Funkband Maze)
Frankie Beverly gewidmete Stück „Iloveyoufrankiebeverly“ ist eine Ode an
den Müßiggang]. Und was ein Lied mit einem leicht federnden Reggae-Groove
und dem flirtenden Titel „Slow Dancing in the Kitchen“ im Sinn hat, ist
eindeutig zweideutig.
„Ten Fold“ eröffnet ein ganzes Panorama an Emotionen, die sich durch die
bildliche Sprache und die eindringliche Stimme von Yaya Bey auf uns
übertragen. Diese Kraft ist es, die R&B auszeichnet.
26 May 2024
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=0V_9LunHXtk
[2] /Buch-ueber-afrodeutschen-Aktivismus/!5927638
[3] /Nachruf-auf-Autorin-Toni-Morrison/!5616527
[4] https://www.youtube.com/watch?v=y4854yQ1sHc
## AUTOREN
Sven Beckstette
## TAGS
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