Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schüsse auf Zeugen Jehovas in Hamburg: Die Täterwaffe und viele F…
> Schon vor den Schüssen auf Zeugen Jehovas in Hamburg war der Täter
> auffällig, durfte seine Pistole aber behalten. Nun entbrennt eine
> Waffenrechtsdebatte.
Bild: Nach der Gewalttat bleibt die Trauer: Abgelegte Kerzen und Blumen am Tato…
Hamburg/Berlin taz | In Hamburg herrscht auch am Wochenende Trauer nach den
[1][tödlichen Schüssen auf sieben Zeugen Jehovas] in einer lokalen Gemeinde
– und die Suche nach dem Motiv. Man sei „zutiefst bestürzt über den
unvorstellbaren Akt der Gewalt und des Hasses“, teilte ein Sprecher der
Zeugen Jehovas mit. „Die Motive für dieses entsetzliche Verbrechen sind uns
nicht bekannt.“ Auch die Polizei ermittelte weiter zu dem Fall.
Klar ist, dass der Attentäter, der 35-jährige Philipp F., einst selbst
[2][zu den Zeugen Jehovas gehörte]. Laut Polizei hatte er diese aber vor
anderthalb Jahren verlassen, „nicht im Guten“. Die Zeugen Jehovas sprechen
dagegen davon, F. habe „freiwillig“ die Gemeinde verlassen.
[3][Seit Dezember war er dann Waffenbesitzer], führte als Sportschütze
legal eine halbautomatische Heckler&Koch-Pistole – die spätere Tatwaffe.
Noch im Januar hatte ein anonymer Hinweisgeber die Waffenbehörde um eine
Überprüfung von F. gebeten, da dieser psychisch krank sei und eine
besondere Wut auf die Zeugen Jehovas und seinen früheren Arbeitgeber habe.
Die Waffenbehörde kontrollierte daraufhin den 35-Jährigen am 7. Februar –
hatte aber außer einer herumliegenden Patrone nichts zu beanstanden. Ein
Monat später erfolgte die Amoktat, an deren Ende F. auch sich selbst
erschoss.
Man werde den Vorgang nun noch einmal prüfen, erklärte Hamburgs
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Tatsächlich muss sich die Polizei nun
Fragen stellen lassen. Zwar war Philipp F. strafrechtlich bisher nicht
auffällig, seine Website, ein Buch von ihm und von ihm gestellte Anzeigen
bestärkten aber den Verdacht einer psychischen Erkrankung.
## Ein eigenes Buch mit wirren Gedanken
So bewarb sich der 35-Jährige auf seiner Homepage als angeblich
erfolgreicher Unternehmensberater – indes ohne Referenzen, mit religiösen
Glaubensbekenntnissen und einem irrwitzigen „Mindesttageshonorar von
250.000 Euro“. Zudem berichtet F. dort von mehreren Anzeigen, die er gegen
frühere Arbeitgeber wegen „Finanzbetrugs“ eingereicht habe. Auf seiner
Webseite erklärte er, er ermittle dazu „pro bono“.
Zudem veröffentlichte F. im Dezember ein Buch, in dem er auf 300 Seiten
über „Gott, Jesus und Satan“ sinniert. Im Vorwort erklärt er, er selbst s…
die vergangenen drei Jahre „durch die Hölle gegangen“ – ohne dies weiter
auszuführen. Gewidmet sei das Buch einer „besonderen Dame“, die er
ebenfalls nicht namentlich benennt. Er sei „der Erste“, der die Geheimnisse
von Jesus Christus lüften könne, prahlt er stattdessen. Männer nennt F. die
Krönung der Schöpfung, geißelt Prostitution und äußert Verständnis für
Russlands Angriff auf die Ukraine. Manches an dem Buch wirkt wie ein
Vermächtnis, einem Tatmanifest gleich.
Das alles machte die Waffenbehörde nicht stutzig? Bundesinnenministerin
Nancy Faeser (SPD) unterstrich inzwischen jedenfalls die Notwendigkeit
ihres bereits zu Jahresbeginns vorgelegten [4][Gesetzentwurfs], mit dem das
Waffenrecht verschärft werden soll – den bisher aber die FDP blockiert. Die
„furchtbare Tat“ von Hamburg habe „mal wieder gezeigt, wie notwendig
Änderungen sind“, sagte Faeser der ARD. Waffenbesitzende müssten auf
psychische Auffälligkeiten überprüft, Extremisten „aussortiert“ und
Kontrollen verstärkt werden. Ämter sollten sich besser vernetzen.
## Faeser pocht auf Waffenrechtsverschärfung
Tatsächlich enthält Faesers Gesetzentwurf [5][gleich mehrere
Verschärfungen]: Ämter sollen sich künftig regelmäßiger über Erkenntnisse
über Waffenbesitzende austauschen, auch über psychische Auffälligkeiten.
Waffenbehörden sollen nun auch die Polizeidienststellen und
Gesundheitsämter der Wohnsitze aus den vergangenen fünf Jahre abfragen –
und Erstantragstellende ein psychologisches Zeugnis vorlegen. Das gilt
bisher nur für Unter-25-Jährige. Zudem will Faeser „kriegswaffenähnliche
halbautomatische Feuerwaffen“ verbieten.
Die Tatpistole von Philipp F. würde indes nicht darunter fallen. Allerdings
hatte er weit mehr Munition besessen, als erlaubt: Bei der Tat feuerte er
135 Schüsse ab, in seiner Wohnung fanden Ermittler weitere 425 Patronen.
Faeser kündigte an, sie wolle ihren Gesetzentwurf auf „Lücken“ prüfen.
Auch Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) hatte nach der Tat auf Faesers
Gesetzesplan hingewiesen, der „nicht ohne Grund“ vorgelegt worden sei.
Unterstützung kommt auch von den Grünen. „Das Verbrechen in Hamburg
verdeutlicht auf grausame Art das große Sicherheitsrisiko, das von
Schusswaffen ausgeht“, sagte ihr Innenexperte Marcel Emmerich der taz. „Es
ist klar, dass weniger private Waffen für die öffentliche Sicherheit besser
sind als mehr.“ Die Waffenrechtsreform müsse die Eignung und
Zuverlässigkeit von Waffenbesitzenden besonders in den Blick nehmen und
dürfe „nicht auf die lange Bank geschoben“ werden.
Auch die Gewerkschaft der Polizei unterstützt eine Gesetzesverschärfung. In
den Behörden müsse zudem Personal verstärkt werden. Auch sei die private
Aufbewahrung von Sportwaffen zu prüfen.
## Die FDP blockiert das Gesetzesvorhaben
Das Problem: Justizminister Marco Buschmann (FDP) und seine Partei
blockieren das Gesetz von Beginn an. Die deutschen Waffengesetze seien
bereits streng und müssten nur besser durchgesetzt werden, betont die FDP
unentwegt. Wenn aber schon geltendes Recht nicht angewandt werde, sei es
zwecklos über Verschärfungen zu sprechen. Bis heute fehle eine Evaluation
des Waffenrechts, welche die Ampel vereinbart habe. Und auch die deutschen
Schützen- und Jagdverbände laufen Sturm gegen Faesers Plan.
Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle sagte am Sonntag der taz, die Kritik
seiner Partei an dem Gesetzentwurf habe Bestand. Vor übereilten Forderungen
müsse der Hamburger Fall erstmal aufgearbeitet werden. Grundsätzlich
bräuchten Waffenbehörden aber eine bessere Ausstattung. Ein Sprecher
Buschmanns wollte sich nicht weiter äußern. Es laufe „weiterhin die
Ressortabstimmung“, erklärte er nur. Faeser erklärte dagegen, sie sei
zuversichtlich, dass es eine Einigung geben werde.
Der Grüne Emmerich gibt der FDP zumindest in einem Punkt recht: Im Fall
Philipp F. stelle sich tatsächlich die Frage, wie konsequent die Behörden
auch mit den bisherigen Möglichkeiten den 35-Jährigen überprüften.
„Womöglich hätte eine intensive Internetrecherche gereicht, um an
Informationen zu kommen, die einen Waffenentzug ermöglicht hätten.“
12 Mar 2023
## LINKS
[1] /Toedliche-Schuesse-auf-Zeugen-Jehovas/!5921094
[2] /Toedliche-Schuesse-auf-Zeugen-Jehovas/!5921091
[3] /Toedliche-Schuesse-auf-Zeugen-Jehovas/!5921094
[4] /Verschaerfung-des-Waffenrechts/!5904967
[5] /Verschaerfung-des-Waffenrechts/!5904967
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Hamburg
Zeugen Jehovas
Gewalt
Waffenrecht
Waffen
Polizei Hamburg
GNS
Schusswaffen
Amoklauf
Hamburg
Amoklauf
Zeugen Jehovas
Zeugen Jehovas
Hamburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tödliche Schüsse im Mercedes-Werk: Schütze schweigt zum Motiv
Ein 53-Jähriger hat im Mercedes-Werk in Sindelfingen zwei Männer
erschossen. Täter und Opfer kannten sich. Wie die Waffe aufs Gelände
gelangte, ist nicht die einzige offene Frage.
Manifest des Amokläufers von Hamburg: Polizei muss googeln lernen
Hätte Hamburgs Polizei das Attentat auf Zeug:innen Jehovas verhindern
können? Vielleicht, mit besserer Internetrecherche über mögliche Gefährder.
Schüsse auf Zeugen Jehovas in Hamburg: Offene Fragen nach den Schüssen
Nach den Schüssen auf Zeugen Jehovas in Hamburg wird über das Waffenrecht,
mögliche Behördenfehler und die Einordnung der Tat gestritten.
Amok-Attentäter von Hamburg: Ein misogyner Blender
Der mutmaßliche Todesschütze lebte in einer beruflichen Scheinwelt – und in
einem Gedankengebäude, in dem Frauen sich unterordnen sollten.
Tödliche Schüsse auf Zeugen Jehovas: Schock und Trauer in Hamburg
In einem Gemeindehaus der Zeugen Jehovas erschießt ein Amoktäter sieben
Menschen und sich selbst. Das Motiv bleibt unklar.
Tödliche Schüsse auf Zeugen Jehovas: Verdächtiger war Ex-Mitglied
Bei der Amoktat in Hamburg am Donnerstag starben acht Menschen, acht wurden
verletzt. Der mutmaßliche Täter war früher Mitglied der Gemeinde.
Tödliche Schüsse auf Zeugen Jehovas: „Wir sind tief schockiert“
Nach den tödlichen Schüssen auf Zeugen Jehovas in Hamburg äußert sich die
Gemeinde bestürzt. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.