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# taz.de -- Schüsse auf Zeugen Jehovas in Hamburg: Offene Fragen nach den Sch�…
> Nach den Schüssen auf Zeugen Jehovas in Hamburg wird über das
> Waffenrecht, mögliche Behördenfehler und die Einordnung der Tat
> gestritten.
Bild: Durch die Schüsse sind am Donnerstag mehrere Menschen in Hamburg getöte…
Berlin/Hamburg taz | Die [1][tödlichen Schüsse auf Zeugen Jehovas] in einer
Hamburger Gemeinde befeuern weiter die Debatte um das Waffenrecht, um
mögliche Behördenfehler und die Einordnung der Tat. SPD und Grüne stellten
sich am Dienstag hinter Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die eine
Verschärfung des Waffenrechts fordert. Die FDP jedoch bremst weiter.
„Niemand darf nach einer solchen Tat einfach zur Tagesordnung übergehen“,
betonte Faeser nach der Gewalttat. Am Donnerstagabend hatte der 35-jährige
Philipp F., ein früherer Zeuge Jehovas, sieben Gemeindemitglieder und sich
selbst erschossen. „Wir wissen schon von früheren schweren Gewalttaten,
dass wir striktere und regelmäßigere Überprüfungen brauchen“, so Faeser.
Die Innenministerin verwies auf ihren Gesetzentwurf für ein schärferes
Waffenrecht, [2][den sie bereits im Januar vorlegte]. Darin enthalten ist
eine allgemeine Pflicht zur Vorlage eines ärztlichen oder psychologischen
Zeugnisses bei der erstmaligen Beantragung einer Waffenerlaubnis. Bisher
gilt diese nur für unter 25-Jährige. Zudem sollen in den Austausch von
Waffenbehörden, Polizei und Verfassungsschutz künftig auch die
Gesundheitsämter einbezogen werden.
„Wir müssen sicherstellen, dass bei Anzeichen für eine Gefährlichkeit einer
Person Waffenerlaubnisse gar nicht erst erteilt oder rechtzeitig entzogen
werden“, forderte Faeser. Sie sprach von „verhältnismäßigen Lösungen“…
einem „wirksamen und ausgewogenen“ Gesetzentwurf. „Jetzt müssen wir züg…
vorankommen.“
## SPD und Grüne machen Druck, die FDP bremst
Der SPD-Innenexperte Dirk Wiese stellte sich am Dienstag hinter Faeser.
Auch er forderte zu prüfen, ob Antragstellende für Waffenberechtigungen
künftig generell ein psychologisches Gutachten zur Zuverlässigkeit vorlegen
müssten – so wie es Faesers Gesetzentwurf vorsieht. Parallel müsste neben
der Thematisierung von Vollzugsproblemen bei der Gesetzesanwendung auch der
erleichterte Waffenentzug bei vorliegender Unzuverlässigkeit angegangen
werden, sagte Wiese.
Auch die Grünen-Innenexpertin Lamya Kaddor forderte einen besseren
anlassbezogenen Austausch von Waffenbehörden, Polizei und
Gesundheitsämtern, unter einzuhaltendem Datenschutz. Sie plädiert ebenso
für psychologische oder ärztliche Zeugnisse bei Erstantragstellenden für
Waffen. Zudem müssten Kontrollen auch von Munition erfolgen und der private
Waffenbesitz „auf lange Sicht reduziert“ werden. „Weniger Waffen bringen
mehr Sicherheit“, so Kaddor zur taz. „Wer sie führen darf, muss bei klarem
Verstand sein.“
Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) unterstützte am Dienstag ebenso
Faesers Gesetzesvorhaben. Der Angriff in Hamburg sei „nicht die erste Tat“,
die eine Gesetzesverschärfung nötig mache. Auch für Grote wäre es „eine
ganz entscheidende Änderung“, wenn bei Waffenantragstellungen ein
ärztliches oder psychologisches Gutachten vorgelegt werden müsste.
Die FDP dagegen blockiert weiterhin eine Waffenrechtsverschärfung. „Die
schreckliche Tat in Hamburg hat uns alle erschüttert“, sagte
FDP-Innenexperte Manuel Höferlin der taz. Selbstverständlich stelle sich
nun die Frage, warum die Waffenbehörde dem Täter seine Waffenerlaubnis
nicht zuvor entzog. Hier brauche es vorerst aber eine „präzise Aufarbeitung
der Hintergründe als Basis für Gespräche bezüglich des Waffenrechts“, so
Höferlin. „In symbolpolitischen Forderungen ohne Sicherheitsgewinn sehen
wir keinen Mehrwert.“
Die FDP lehnt Faesers Gesetzesvorhaben von Beginn an ab. Für sie ist eine
Verschärfung überflüssig – das Gesetz müsse nur besser umgesetzt werden. …
der Koalition soll sich Faeser zunehmend verärgert über die Blockade der
Liberalen geäußert haben.
## Kritik an der Waffenbehörde
Die Ermittlungen zu der Tat zog inzwischen die Generalstaatsanwaltschaft
Hamburg an sich. Laut Polizei befanden sich bis Dienstag noch sechs Zeugen
Jehovas im Krankenhaus, eine Person davon in Lebensgefahr. Oberstaatsanwalt
Arnold Keller sagte auf einer Pressekonferenz, die Ermittlungen zum Motiv
dauerten weiter an. Es sei nicht ausgeschlossen, dass F. „aus Hass gegen
diese Gemeinschaft gehandelt“ habe. Auch gebe es bisher keine weiteren
Beschuldigten oder Hinweise, dass der Tatplan im Vorfeld „auch nur
ansatzweise“ absehbar war.
Laut Hamburgs Staatsschutz-Vizechef Uwe Stockmann wurde bisher eine hohe
zweistellige Zahl an Zeugen vernommen. Zu dem Täter gebe es bisher „ein
differenziertes Bild“, das „psychische Auffälligkeiten“ aufweise.
Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer stellte sich vor die
Waffenbehörde, die Philipp F. im Dezember eine Waffenerlaubnis erteilt
hatte. Nach einem anonymen Hinweis im Januar, dass der 35-Jährige womöglich
psychisch krank sei und eine „besondere Wut“ auf die Zeugen Jehovas habe,
hatte die Behörde einen unangekündigten Besuch bei F. vorgenommen – außer
einer herumliegenden Patrone aber nichts zu beanstanden. Außer einer Rüge
seien die rechtlichen Möglichkeiten damals ausgeschöpft gewesen, so Meyer.
Er könne den Mitarbeitern keine Vorwürfe machen. Auch die Meldung, dass F.
in Bayern einen Drogenverstoß begangen habe, sei falsch.
Die Behörde steht dennoch in der Kritik, weil F. schon damals auf seiner
Internetseite wirre Angaben machte und dort auch [3][sein 300-seitiges
Buch] bewarb, in dem er die Geheimnisse von Jesus Christus zu lüften
versprach und auch über Hitler oder Putin sinnierte. Meyer sagte, auf
dieses Buch sei die Waffenbehörde damals trotz Google-Recherche nicht
gestoßen. Auch bei einem Onlinehändler, wo es F. verkaufte, habe man es
nicht gefunden. Wäre das Buch bekannt gewesen, hätte es die Möglichkeit
gegeben, ein Gutachten zu F.s Waffentauglichkeit einzuleiten, räumte Meyer
ein.
Meyer erklärte auch, dass inzwischen weitere Indizien für psychische
Auffälligkeiten von Philipp W. vorlägen – ohne konkreter zu werden. Auf
taz-Nachfrage gestand er zudem, dass die Zeugen Jehovas nach dem anonymen
Hinweis vom Januar nicht vor einer möglichen Gefährdung gewarnt wurden.
## Zweifel an einer Amoktat
Für die Grüne Lamya Kaddor ist zudem noch nicht geklärt, dass es sich
wirklich um eine Amoktat handelte. „Aus meiner Sicht war das weder ein
reiner Amoklauf noch ein zufälliger Racheakt“, sagte sie am Dienstag der
taz. „Ich sehe hier eher die Tat eines religiös motivierten Extremisten mit
psychischer Disposition und Rachemotiv, der Menschen gezielt aufgrund
seiner Ansichten ermordet hat.“ Kaddor verweist dabei auf das Buch von
Philipp F.: „Die geschichtsrevisionistische, antisemitische und
theologische Abhandlung, die der Täter verfasst hat, weist in diese
Richtung.“ Schon in der Vergangenheit hätten sich bei schweren Gewalttaten
psychische Auffälligkeiten und extremistische Haltungen vermischt.
Mehrere Kirchengemeinden wollen Sonntag mit einem Gottesdienst eine
Trauerfeier für die Opfer der Gewalttat begehen. Die Zeugen Jehovas
beklagten, dass sie bisher nicht in die Planungen einbezogen wurden. Laut
einem Senatssprecher soll an die Gemeinde noch eine Einladung erfolgen.
14 Mar 2023
## LINKS
[1] /Schuesse-auf-Zeugen-Jehovas-in-Hamburg/!5921158
[2] /Verschaerfung-des-Waffenrechts/!5904967
[3] /Amok-Attentaeter-von-Hamburg/!5921159
## AUTOREN
Konrad Litschko
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