# taz.de -- Reiche sollen mehr zahlen: Schluss mit Luxus | |
> Linken-Chef Martin Schirdewan fordert ein Verbot von Privatjets. Das kann | |
> nur ein Anfang sein. Niemand schadet dem Klima so sehr wie die | |
> Superreichen. | |
Bild: Superfly in den Abgrund | |
Sonntagnacht war es voll am Himmel über Los Angeles. [1][Die Oscar-Awards | |
waren gerade vergeben], die Dankesreden gehalten und der Champagner | |
geleert, da stiegen die ersten geladenen Gäste in ihre Privatjets, um sich | |
nach Hause fliegen zu lassen. So ist das eben, wenn die Superreichen in den | |
USA zu Großevents zusammenkommen oder einfach so Lust haben, von A nach B | |
zu reisen. Die Nachricht, dass die Musikerin Taylor Swift mit Flügen im | |
Privatjet innerhalb der ersten 200 Tage im Jahr 2022 schon mehr als acht | |
tausend Tonnen CO2 verbraucht hat, provozierte kürzlich eine Menge Memes | |
und Aufregung im Netz. | |
Doch Superreiche, die aus Faulheit, Luxus und Rücksichtslosigkeit auf | |
Privatjets setzen, sind kein US-Phänomen. Auch in Deutschland ist die Zahl | |
der Privatjetflüge angestiegen, laut Recherchen von NDR und SZ befanden sie | |
sich 2022 auf einem Rekordhoch. Allein die Strecke von Hamburg nach Sylt | |
soll im letzten Jahr 508-mal geflogen worden sein. Mit dieser Zahl | |
argumentiert nun auch Linken-Chef Martin Schirdewan bei seiner Forderung | |
nach einem Verbot von Privatjets. | |
Aber was ist denn mit der Freiheit? Hört man die FDP schnappatmend fragen. | |
Dabei sollte die Frage eigentlich lauten: Wie lange wollen wir noch den | |
Luxus einiger weniger auf Kosten der Freiheit von vielen in Kauf nehmen? | |
Ein Verbot von CO2-intensiven Reisemitteln wie Privatjets und Jachten kann | |
dabei nur ein Anfang sein, denn wir können uns die Reichen schlichtweg | |
nicht mehr leisten. Durch ihren Lifestyle und ihre Investitionen haben sie | |
einen CO2-Fußabdruck, der den einer Durchschnittsbürger*in um ein | |
Tausendfaches übersteigt. [2][Laut Oxfam verursacht ein*e Milliardär*in | |
so viel Treibhausgase wie eine Million Menschen]. All die verschiedenen | |
Zahlen und Studien zu dem Thema lassen sich runter brechen auf: Reichtum | |
schadet dem Klima. Je reicher Menschen sind, desto mehr Treibhausgase | |
verursachen sie. | |
## Klimakrise ist auch eine Gerechtigkeitskrise | |
Doch statt einer Politik, die dem Einhalt gebietet, bekommen die | |
Superreichen eine Art Freifahrtschein für die Zerstörung des Klimas. Und | |
die Zivilgesellschaft guckt zu und verfängt sich je nach Saison in | |
Debatten, ob es in Ordnung ist, einmal im Jahr nach Mallorca zu fliegen | |
oder die Heizung schon Anfang November aufzudrehen. Selbst | |
Klimaaktivist*innen wie die Letzte Generation adressieren mit der | |
Wahl ihrer Protestform und ihren Forderungen die Mittelschicht. | |
Klar ist, die Klimakrise muss politisch gelöst werden. Gleichzeitig trägt | |
jede*r einzelne mit seinem oder ihrem Verhalten Verantwortung dafür. Doch | |
für eine wirksame Bekämpfung der Klimakrise müssen wir sie als das | |
begreifen, was sie ist: Eine Gerechtigkeitskrise. Damit diejenigen, die sie | |
verursachen, stärker in die Pflicht genommen werden. | |
Wie das gehen könnte, dafür gibt es verschiedene Vorschläge. Eine viel | |
diskutierte Idee ist die eines C02-Budgets mit Handlungsoption: Damit | |
weniger CO2 in die Atmosphäre gelangt, bekommt hier jeder Mensch ein Budget | |
von rund drei Tonnen zur Verfügung. Wer auf Pool, Jacht und Privatjet nicht | |
verzichten will, muss dann einkaufen bei denen, die weniger verbrauchen. | |
Sicherlich würde diese Maßnahme zu einigen Verschiebungen von Verbrauch und | |
Geld führen, doch sie öffnet auch Tor und Tür für Missbrauch. Denn wir | |
wissen: Wenn Reiche etwas von Armen wollen, dann kriegen sie es auch. | |
## Erste Versuche im Ausland: Proposition 30 | |
Effektiver wäre eine Klimasteuer für Reiche, also eine CO2-Besteuerung, | |
die nicht beim Verbrauch (wie eine Steuer auf Benzin oder Fleisch), sondern | |
beim Vermögen ansetzt und so die Hauptverantwortlichen zur Kasse bittet. | |
Erste Versuche im Ausland gab es schon, wie die „[3][Proposition 30]“ in | |
Kalifornien. Laut Gesetzesentwurf sollten alle Personen, die mehr als zwei | |
Millionen Dollar im Jahr verdienen, eine Extrasteuer von 1,75 Prozent | |
zahlen. Nach anfänglicher großer Zustimmung in der Bevölkerung kippte die | |
Stimmung, nachdem eine Kampagne – angeführt von Superreichen – gegen den | |
Entwurf aufbegehrte. | |
Im Bundestag fehlen konkrete Diskussionen um eine Klima-Reichensteuer | |
bislang. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. In der aktuellen | |
Haushaltsdebatte behauptet Finanzminister Christian Lindner, es gebe eher | |
ein Ausgaben- als ein Einnahmeproblem. Eine zweckgebundene Vermögenssteuer | |
würde die Haushaltskasse füllen, mehr Mittel zur Bekämpfung der Klimakrise | |
bereitstellen und zu mehr Gerechtigkeit führen. Bis es soweit ist, müssen | |
vielleicht noch ein paar Villen besetzt und Privatjets festgeklebt werden. | |
13 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /95-Oscar-Verleihung/!5918761 | |
[2] https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2022-11-07-klimakiller-reich… | |
[3] https://voterguide.sos.ca.gov/propositions/30/ | |
## AUTOREN | |
Carolina Schwarz | |
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