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# taz.de -- Klima-Protestaktionen: Schön und schmerzhaft
> Nach der Blockade des Privatjet-Terminals am BER stellt sich die Frage:
> Was könnten Letzte Generation und Scientist Rebellion voneinander lernen.
Bild: Im Februar blockierten Klimaschutz-Aktivisten der Letzten Generation eine…
Es gibt Aktionen, die sind symbolisch so präzise und aussagekräftig, dass
sie einfach nur als „schön“ bezeichnet werden können. [1][Die Blockade des
BER-Privatjet-Terminals durch Aktivist:innen der Gruppe Scientist
Rebellion am Donnerstag war so eine Aktion.] Ein Dutzend Mitglieder der
Klimaschutzgruppe demonstrierte mehrere Stunden lang vor dem Eingang des
Terminals und forderte ein Verbot von Privatflügen.
Schön ist an der Aktion, dass sie moralisch kaum Angriffspunkte liefert.
Ziel der Blockade waren in erster Linie superreiche Multimillionäre, die,
um ein paar Stunden zu sparen, lieber mit dem Privatjet von Berlin nach
Nizza zum Golfen fliegen. Auch die Aktivist:innen selbst sind wenig
angreifbar: Als berufstätige Wissenschaftler:innen, die besser als die
Durchschnittsbevölkerung über Ursachen und Folgen der Klimakrise informiert
ist, lassen sie sich kaum als verblendete Fanatiker:innen
verunglimpfen.
Schlussendlich ist auch die Forderung nach einem Verbot von Privatflügen
durchdacht. Wenn wir als Gesellschaft unseren CO²-Ausstoß radikal
reduzieren müssen, warum fangen wir nicht beim offensichtlich
Überflüssigsten an?
In einer demokratischen Gesellschaft, in der die überwiegende Mehrheit der
Bevölkerung keinen Privatjet besitzt und Konsens darüber herrscht, dass
Privatflüge keine relevante Funktion erfüllen, sollte die Umsetzung eines
solches Verbot eigentlich kein Problem sein. Dass es trotzdem nicht
passiert, offenbart wie der Einfluss Superreicher auf die Politik einen
effektiven Klimaschutz blockiert.
## Gegenentwurf zur Letzten Generation?
Diese Schönheit unterscheidet die Privat-Blockade der Scientist Rebellion
maßgeblich von den Straßenblockaden der Letzten Generation. Diese betreffen
vor allem Pendler:innen, die außer ihrer Wahl des Verkehrsmittels keine
herausragende Schuld an der Klimakrise trifft. Zwar sind die Forderungen
nach einem Tempolimit auf Autobahnen ebenfalls einfach umsetzbar, dennoch
entsteht der Eindruck, das Klimaaktivismus hier auf dem Rücken von
Arbeiter:innen ausgetragen wird.
Es ist diese fehlende Vermittelbarkeit, die die letzte Generation so
angreifbar macht. Bei [2][der hitzigen Debatte um den verspäteten
Rettungswageneinsatz, dessen vermeintliche Ursache eine Klebeaktion gewesen
sein soll,] schwingt immer mit, dass sie genauso gut eine andere
Aktionsform hätten wählen können, wenn es einfach nur darum geht, den
Alltag zu stören.
Man stelle sich einmal das folgende Bild vor: Nach wochenlangen Blockaden
von Privatjet Terminals sprechen Politiker:innen von [3][“Angriffen
auf unsere kritische Infrastruktur“,] in Medienkommentaren ist von der
„moralischen Überheblichkeit“ die Rede, mit der Wissenschaftler:innen
das Grundrecht auf Privatflüge einschränken wollen. Videos von verärgerten
Millionär:innen, die versuchen Aktivist:innen von der Landebahn zu
schleifen, würden wahrscheinlich viel Zuspruch ernten.
Die traurige Wahrheit ist aber auch: mit schönen Aktionen allein, die
eigentlich niemanden wehtun (laut Aussagen des Flughafenbetreibers wurde
der Flugbetrieb nicht gestört) lassen sich weder gesellschaftliche Debatten
anstoßen, noch politischer Druck erzeugen. Die Privatjet-Blockade war zwar
vielen Medien eine Meldung wert, das politische Tagesgeschäft störte sie
aber nicht. Was das angeht, ist die Letzte Generation deutlich
erfolgreicher. Ihre Aktionen sind so schmerzhaft, dass sie mittlerweile
niemand mehr ignorieren kann.
Aber vielleicht kann die eine Aktionsform ja von der anderen lernen:
Blockaden, die wehtun, dabei aber auch schön sind.
12 Nov 2022
## LINKS
[1] /Blockade-am-Flughafen-BER/!5889329
[2] /Getoetete-Radfahrerin-in-Berlin/!5890360
[3] https://twitter.com/Lambsdorff/status/1588141356689547265
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Privatjet
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Extinction Rebellion
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