Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Olaf Scholz vor EU-Sondergipfel: Rüffelchen des Bundeskanzlers
> In seiner Regierungserklärung kündigt Scholz neue Sanktionen gegen
> Russland an. Gleichzeitig staucht er die Koalitionspartner sanft
> zusammen.
Bild: Olaf Scholz am Mittwoch im Bundestag
Berlin taz/afp | Bevor er zur menschengemachten kam, widmete sich Olaf
Scholz am Mittwoch der Naturkatastrophe: den [1][Erdbeben in der Türkei und
Syrien], wo die Suche nach verschütteten Menschen allmählich zum Wettlauf
gegen die Zeit wird. „Wir sind erschüttert über so viel Leid und
Zerstörung“, sagte Scholz zu Beginn seiner Regierungserklärung im
Bundestag.
Deutschland habe den türkischen Behörden unverzüglich Hilfe zugesagt, er
habe das auch im Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan
bekräftigt. „In Katastrophen wie diesen müssen wir zusammenrücken und uns
gegenseitig unterstützen“, so der Bundeskanzler.
Anlass der Regierungserklärung war jedoch die Sondersitzung des
Europäischen Rats, zu der Scholz am Donnerstag reist. Und in deren Zentrum
steht unter anderem die [2][weitere Unterstützung für die Ukraine]. Fast
ein Jahr ist vergangen, seitdem Russland das Nachbarland überfiel, seit
zwölf Monaten herrscht in der Ukraine Krieg, mit mehr als 7.000 zivilen
Opfern und 4 Millionen Menschen auf der Flucht.
Scholz kündigte an, dass die EU die Sanktionen gegen Russland zum ersten
Jahrestag noch einmal verschärfen werde. „Als klares Signal an Putin, dass
er mit seinen imperialistischen Plänen keinen Erfolg haben wird.“
## Scholz kritisiert Dissonanzen in der Ampel
Außerdem sicherte der deutsche Bundeskanzler der Ukraine zu, dass a) ihr
Platz in Europa sei und man sie b) so „lange wie nötig“ unterstützen werd…
In diesem Zusammenhang strich er noch einmal die führende Rolle
Deutschlands innerhalb der EU bei der humanitärem, wirtschaftlichen, aber
auch der militärischem Hilfe heraus. Für die größte Volkswirtschaft der EU
eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Gleichzeitig verteidigte Scholz seinen langen Anlauf bis zum Entschluss,
[3][deutsche Kampfpanzer an die ukrainische Armee zu liefern]. Seine
Maxime: „Wir behalten die Nerven und handeln mit Umsicht.“
Was hingegen schade, sei ein öffentlicher Überbietungswettbewerb nach dem
Motto „Kampfpanzer, U-Boote, Flugzeuge, wer fordert mehr“. Im gleichen
Atemzug kritisiert er „innenpolitische Statements und Kritik an Partnern
und Verbündeten auf offener Bühne“. Solche Dissonanzen nützten einzig und
allein Putin. Eine mehr als deutliche Abmahnung von Grünen- und
FDP-Politiker:innen, die Scholz immer wieder vorgeworfen hatten, bei der
Lieferung von Panzern zu bremsen.
Auch [4][Außenministerin Annalena Baerbock] bekam ihr Fett weg: „Nicht
die Nato führt Krieg gegen Russland“, stellte Scholz noch einmal klar,
sondern Russland habe die Ukraine überfallen. Baerbocks Namen nannte er
zwar nicht, war aber auch nicht nötig. Jeder wusste, wer gemeint war, zumal
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz in seiner Erwiderung den Fauxpas der
Außenministerin samt namentlicher Quelle noch einmal zitierte, den sich
diese während einer kontroversen parlamentarischen Versammlung des
Europarats geleistet hatte: „Wir führen einen Krieg gegen Russland“ (-„u…
nicht gegeneinander“ – doch den Teil zitierte Merz nicht). Baerbock sah
ziemlich bedröppelt aus, ein Indiz, dass sie sich der Tragweite des
schiefen Sprachbildes sehr wohl bewusst ist.
## Die Union setzt auch auf das Thema Migration
Beim Thema Waffenlieferungen, auch das wurde deutlich, wird die Union
weiter versuchen, die Ampel anzutreiben. Merz thematisierte am Mittwoch vor
allem den fehlenden Nachschub an Munition – die Ukraine verbrauche an einem
Tag so viel, wie Deutschland in sechs Monaten produziere.
Ein weiteres Thema, das die Union in den nächsten Wochen ebenfalls in der
gesellschaftlichen Debatte halten will, blitzte am Mittwoch im Bundestag
ebenfalls auf: die Begrenzung der Migration. Während Scholz sich hinter den
[5][geplanten Migrationsgipfel seiner Innenministerin Nancy Faeser]
stellte, machte Merz erneut deutlich, dass die Aufnahmekapazitäten
eigentlich erschöpft seien. Schulen, Kindergärten und der Wohnungsmarkt
sind nach Ansicht des Christdemokraten nicht darauf ausgelegt, zusätzlich
zu den über eine Million Ukrainer:innen noch mehr Menschen aus Syrien,
dem Irak oder Afghanistan aufzunehmen.
Scholz setzt auch darauf, dass sich die EU bei diesem schwierigen Thema
zusammenraufen könnte. Nach der Einigung des EU-Ministerrat bei der
biometrischen Registrierung der Menschen glaubt Scholz, dass auch eine
Reform des europäischen Asylsystems in dieser Legislatur, also bis 2024,
möglich sei.
## Scholz wirbt für Antwort auf den Inflation Reduction Act
Ebenfalls optimistisch ist Scholz, dass es gelingen könne, eine europäische
Antwort auf das 370-Milliarden-Dollar-Programm der USA zur Unterstützung
der heimischen Wirtschaft und grüner Technologien zu geben, den Inflation
Reduction Act. Scholz zählte die verschiedenen Töpfe auf, die in der EU
bereits zur Verfügung stünden – den Corona-Wiederaufbaufonds etwa, der noch
mit über 250 Milliarden Euro gut befüllt sei oder die Einnahmen aus dem
Emissionshandel. Da brauche sich Europa nicht zu verstecken,
„Kassandra-Rufe“ seien nicht angezeigt. Als falschen Weg bezeichnete Scholz
hingegen einen ungehemmten Subventionswettlauf mit den USA.
Allerdings ist die unter anderem von Deutschland favorisierte Antwort,
nämlich das EU-Beihilferecht zu lockern, in der EU ebenfalls umstritten.
Staaten wie Österreich, Finnland, Dänemark oder Tschechien fürchten einen
EU-internen Subventionswettbewerb zu ihren Lasten. Ihnen gegenüber muss
Scholz am Donnerstag weniger mahnende als überzeugende Worte finden.
## Treffen mit Selenski
Wie im Laufe des Nachmittags bekannt wurde, trifft sich Scholz am
Mittwochabend mit dem ukrainischen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj und Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zu Gesprächen in
Paris. Die Bundesregierung und der Elysée bestätigten gegenüber der
Nachrichtenagentur AFP am Nachmittag das Dreiertreffen in der französischen
Hauptstadt.
Selenski war am Vormittag nach London gereist und hatte sich dort unter
anderem mit Premierminister Rishi Sunak getroffen. Am Donnerstag wird
Selenski voraussichtlich zum EU-Gipfel nach Brüssel weiterreisen. Über den
Brüssel-Besuch war seit Tagen spekuliert worden.
Bei den Besuchen in London, Paris und Brüssel handelt es sich um die zweite
Auslandsreise Selenskyjs seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf
die Ukraine vor fast einem Jahr. Im Dezember war der ukrainische Präsident
in Washington gewesen.
8 Feb 2023
## LINKS
[1] /Hilfe-nach-Erdbeben-in-Tuerkei-und-Syrien/!5914408
[2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5914548
[3] /Panzerlieferungen-an-die-Ukraine/!5913649
[4] /Gruene-Leoparden-Witze/!5913655
[5] /Geplanter-Fluechtlingsgipfel/!5910972
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Migration
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Wirtschaft
Olaf Scholz
Auswärtiges Amt
Russland
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
WTO
Nancy Faeser
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Aus für den Nationalen Sicherheitsrat: Kein Wille zum Querschnitt
Weil sich Auswärtiges Amt und Kanzleramt nicht einigen können, gibts keinen
Nationalen Sicherheitsrat. Dabei ist Sicherheit eine Querschnittsaufgabe.
Bauteile für Russland: Verdacht auf Sanktionsverstoß
Der Westen will Russlands Kriegswirtschaft isolieren. Offenbar lieferte
eine deutsche Firma trotz Verbots Elektronikbauteile nach Russland.
Selenski trifft Macron und Scholz in Paris: Teil der „europäischen Familie“
Nach seinem London-Besuch traf der ukrainische Präsident Emmanuel Macron
und Olaf Scholz im Élysée-Palast. Selenski forderte weitere Waffen.
Selenskis Besuch in Großbritannien: Es geht nicht nur um Waffen
Worum in der Ukraine eigentlich gekämpft wird, wird im Streit um
Waffenlieferungen inzwischen fast vergessen. Selenski hat in London daran
erinnert.
Selenski in London: Emotionen in Olivgrün
Der ukrainische Präsident besucht Großbritannien. Im Parlament fordert er
Kampfjets und „eine Welt, die in dunklen Stunden prinzipienfest bleibt“.
Streit über Inflation Reduction Act: EU sucht Antwort auf Washington
Europas Mitgliedsstaaten können sich noch nicht auf Maßnahmen einigen.
Bundeskanzler Scholz warnt vor einem Subventionswettlauf mit den USA.
Geplanter Flüchtlingsgipfel: Kommunen fordern „Masterplan“
Die Gemeinden klagen, sie seien mit der Versorgung von Geflüchteten
überlastet. Nun gibt es bald einen „Flüchtlingsgipfel“.
Panzerlieferungen an die Ukraine: Lieferstatus unbekannt
Deutschland hat Ja gesagt – aber die Zusagen vieler Nato-Länder,
Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern, stehen noch aus. Woran liegt's? Ein
Überblick.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.