| # taz.de -- Fachkräfte-Mangel in Hamburger Kitas: Bei Rot gibt’s keine Kita | |
| > Kita-Beschäftigte klagen, dass sie die Bildungsempfehlungen nicht mehr | |
| > umsetzen können. Ver.di fordert Ampeln, die den Personalstand vor Ort | |
| > offenlegen. | |
| Bild: Ausgebrannt: Plakat auf einer Demonstration von Kita-Beschäftigten in Ha… | |
| Hamburg taz | Als symbolischen Akt gaben am Montag Kita-Beschäftigte die | |
| seit 2005 gültigen „Hamburger Bildungsempfehlungen“ an die Bürgerschaft | |
| zurück. Die dort auf 112 Seiten dargestellte „hochwertige pädagogische | |
| Arbeit“ sei nicht mehr umsetzbar, heißt es in einer Erklärung des | |
| „Hamburger Kita-Netzwerks“, das sich hier an [1][einer Aktion der | |
| Gewerkschaft Ver.di beteiligte]. Um dem Fachkräftemangel Herr zu werden, | |
| sollten alle Kita-Träger verpflichtet werden, „Notfallpläne“ zu | |
| installieren. | |
| „In solchen Notfallplänen könnte man ganz klar festlegen, ab welcher | |
| Krankenzahl Öffnungszeiten eingeschränkt werden“, erläutert | |
| Netzwerk-Sprecherin [2][Alexandra Balthasar]. Theoretisch sei die | |
| Grundversorgung mit Personal in Hamburgs Kitas gar nicht so schlecht. „Das | |
| Problem ist die Realität“, sagt Balthasar. Die meisten Kitas könnten nicht | |
| alle Stellen besetzen. Hinzu kämen Ausfälle durch Krankheit, Urlaub, | |
| Fortbildung, Schwangerschaft und Langzeitkranke. „Es gibt schon Kitas, die | |
| ganz schließen, weil sie kein Personal haben.“ | |
| Die Idee solcher Notfallpläne kommt von Ver.di. „In vielen Einrichtungen | |
| steht das Personalbarometer auf Sturm“, sagt | |
| [3][Ver.di-Gewerkschaftssekretär Michael Stock]. Der Kita-Fachkräftemangel | |
| werde „von kaum jemandem mehr bestritten“. Darum hat die Gewerkschaft eine | |
| Art Ampel mit fünf Stufen entwickelt. Mit Farben von Grün und Grüngelb über | |
| Gelb und Orange bis zu Rot sollen Eltern einer Kita schon am Eingang über | |
| die aktuelle Personallage informiert werden. Grün bedeutet, dass alle da | |
| sind und das pädagogische Angebot nach Konzept stattfindet. Bei Rot ist so | |
| wenig Personal da, dass die Kita schließt. In den Farben dazwischen gibt es | |
| stufenweise Einschränkungen. | |
| „Das Thema Leistungseinschränkungen wird uns weiter begleiten. Wir denken, | |
| dass ein offener Umgang damit sinnvoll ist“, sagt Stock. Die Notfallpläne | |
| sollten am besten in den Kitas mit den Beschäftigten vereinbart werden. | |
| Auch die Eltern gehörten informiert. Bei einigen Trägern gebe es diese | |
| Pläne schon, bei vielen aber auch nicht. | |
| ## Kitas sollen weg vom Konkurrenz-Denken | |
| [4][Das Kita-Netzwerk] und Ver.di Hamburg fordern deshalb von Politik und | |
| Behörde, dass alle Träger verpflichtet werden, diese einzuführen. Man müsse | |
| davon wegkommen, sagt Balthasar, dass Kitas aus einem Konkurrenzgedanken | |
| heraus die Einrichtung offen lassen. In Hamburg werden solche Dinge in | |
| einer „Vertragskommission“ zwischen Sozialbehörde und Sozialverbänden | |
| vereinbart. | |
| In [5][der Behörde] ist man schon im Bilde. „Die Forderung zur Einführung | |
| von Notfallplänen wird von uns geprüft“, sagt Sprecherin Stefanie Lambernd. | |
| Hamburg brauche in der Tat ständig neue Kita-Fachkräfte. Bis 2026 rechne | |
| man wegen der wachsenden Stadt mit einem Mehrbedarf von 200 Fachkräften im | |
| Jahr. Hinzu kämen jährlich 300 bis 500 Fachkräfte, die etwa wegen | |
| Renteneintritt ersetzt werden müssten. Die Stadt habe schon früh die | |
| Ausbildungszahl erhöht. Aufgrund der Statistiken gehe man nicht von einem | |
| „expliziten Fachkräftemangel“ bei Kitas aus. Gleichwohl nehme auch die | |
| Sozialbehörde eine starke Belastung der Kita-Mitarbeitenden wahr. Zu den | |
| Gründen zählten [6][auch die Folgen „aktueller Krisen“]. Man rede mit all… | |
| Beteiligten, um „Maßnahmen zu erarbeiten“. | |
| Die Landeselternvertretung der Kitas (LEA) fände so eine | |
| Kita-Personal-Ampel gut. „Wir sind dafür, das es transparent wird, wenn | |
| keine frühkindliche Bildung stattfindet“, sagt LEA-Vorständlerin Ellen | |
| Pietzarka. Zugleich befänden sich die Eltern im Zwiespalt. „Es wäre | |
| schlimm, wenn die Ampel auf Rot steht und sie ihr Kind nicht abgeben | |
| können. Das darf nicht passieren.“ | |
| Skepsis äußern größere Sozialverbände. „Die letzten drei Jahre waren eine | |
| enorme Belastung für die Kita-Teams“, sagt etwa Beatrix | |
| Wildenauer-Schubert vom [7][Paritätischen Hamburg]. Gerade im Dezember und | |
| Januar seien sehr viele krank gewesen. Notfallpläne könnten ein Schritt | |
| sein, um mehr Sicherheit im Austausch mit Eltern zu schaffen, sie wären | |
| aber „nicht für alle Kitas gleichermaßen praktikabel“. | |
| Zudem gebe es bereits seit Corona eine mit der Behörde abgestimmte „gute | |
| Praxis“, bei schlechter Personallage „individuelle Lösungen“ zu finden, … | |
| Wildenauer-Schubert. Das könnten eine Kürzung von Randzeiten, temporäre | |
| Gruppenzusammenlegungen oder, falls nötig, eine befristete Schließung von | |
| Gruppen oder kleinen Kitas sein. Die gut 350 Kitas des Paritätischen gingen | |
| mit solchen Notfällen „sehr verantwortungsvoll“ um. | |
| „Die Personallage ist sehr eng“, sagt auch die Kita-Referentin der | |
| [8][Diakonie Hamburg], Mirjam Nadolny. Auch die evangelischen Kita-Träger | |
| machten sich deshalb über Notfallpläne Gedanken oder müssten sie bereits | |
| umsetzten. Vorgaben der Politik, solche Notfallpläne bei allen Trägern | |
| verpflichtend einzuführen, sehe die Diakonie aber skeptisch, da dies zu | |
| „Überregulierung“ führen könne. Wichtiger sei, dass die angespannte | |
| Personallage in den Kitas „von der Sozialbehörde als solche anerkannt und | |
| auch gegenüber den Eltern benannt wird“. | |
| Auch beim [9][Alternativen Wohlfahrtsverband „Soal“] kennt man Kitas, die | |
| seit Ende letzten Jahres auf solche Notfallpläne zurück greifen. Damit | |
| werde eine Transparenz erreicht und „bestenfalls auch ein Bewusstsein | |
| darüber, was an pädagogischer Arbeit überhaupt noch leistbar ist“, sagt | |
| Soal-Refrentin Maike Wesseln. Der Fachkräftemangel werde sich perspektisch | |
| noch verstärken, vermutet Wesseln: „Deshalb braucht es solche Lösungen, um | |
| die frühkindliche Bildung und Begleitung der Kinder zu sichern.“ | |
| 16 Feb 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Verdi-Referent-ueber-Probleme-in-Kitas/!5888741 | |
| [2] /Mehr-Haende-fuer-Hamburger-Kitas/!5448408 | |
| [3] https://gesundheit-soziales-bildung-hamburg.verdi.de/branchen/kindertagesst… | |
| [4] https://www.kitanetzwerk-hamburg.de/ | |
| [5] https://www.hamburg.de/sozialbehoerde/ | |
| [6] /Psychologin-ueber-Kinder-in-der-Pandemie/!5846688 | |
| [7] https://www.paritaet-hamburg.de/ | |
| [8] https://www.diakonie-hamburg.de/de/start/index.html | |
| [9] https://www.soal.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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