# taz.de -- Inflationsfolgen in Hamburg: Stadtbeschäftigte fordern Zuschlag | |
> Weil das Leben zu teuer ist, wandern Kräfte von Feuerwehr und Jugendamt | |
> ins Umland, warnen bei Ver.di organisierte Beschäftigte. Berlin zahlt | |
> mehr. | |
Bild: Fast wie in „Mission Impossible“: Hamburger Feuerwehrleute üben das … | |
HAMBURG taz | Nicht begeistert sind bei Ver.di organisierte Beschäftigte | |
von Hamburgs Finanzsenator. Dreimal schon haben sie sich mit Andreas | |
Dressel (SPD) und dem Personalamt zum Gespräch getroffen, um im Sinne der | |
städtischen Beschäftigten eine Lösung für die [1][steigenden | |
Lebenshaltungskosten] zu finden. Doch weder für einen Zuschlag, wie ihn | |
[2][München] und [3][Berlin] gewähren, noch für die [4][Zahlung einer | |
Inflationsprämie] sei der zu erwärmen gewesen. „Wir vermissen hier die | |
Ernsthaftigkeit des Senats“, sagte Ver.di-Sekretär Max Stempel. | |
Dabei seien die rund 38.000 Angestellten eher arm. So verdienten im Jahr | |
2020 über 70 Prozent von ihnen weniger als den Medianlohn der Hamburger, | |
gehörten also zur ärmeren Hälfte. Zugleich ist Hamburg aber teuer als das | |
Umland. Die Stadt habe ein massives Fachkräfte-Problem, sagte Stempel. Ein | |
Viertel der ausgeschriebenen Stellen sei unbesetzt. | |
Besonders dramatisch wirke sich dies bei der Feuerwehr und den Jugendämtern | |
aus, die nicht einfach schließen können, ergänzte Ver.di-Sprecherin Anja | |
Keuchel. Hätten die meisten Hamburger besinnliche Festtage vor sich, dürfte | |
Weihnachten und Silvester für die Feuerwehr und die Jugendämter „alles | |
andere als besinnlich werden“. | |
Der [5][Allgemeine Soziale Dienst (ASD)] im Stadtteil Süderelbe habe | |
gegenüber 2019 ohnehin 40 Prozent mehr Fälle, berichtete die bei Ver.di | |
organisierte Sozialarbeiterin Anneli Schröder. „Im ASD brennt die Hütte. | |
Viele Kräfte wandern ab ins Umland.“ | |
## Wenig Geld, viel Arbeit | |
Süderelbe ist ein stark wachsender Stadtteil und liegt dicht bei | |
Niedersachsen. In Schröders Team habe die Leitung bereits gekündigt, zwei | |
weitere Kolleginnen gingen im Laufe des Jahres und eine vierte spiele mit | |
diesem Gedanken. Das nahe Hittfeld biete zwei Urlaubstage mehr und einen | |
Zuschlag. | |
Im Schnitt habe jetzt schon jede Kraft 60 bis 80 „Zuständigkeiten“. So | |
schlecht besetzt sei präventiv zu arbeiten nicht mehr möglich, sodass das | |
Risiko einer Inobhutnahme von Kindern steige. „Feiertage bringen Familien | |
in Notlagen in zusätzlichen Stress“, sagte Schröder. „Da kommt es zu | |
Eskalationen, auf die wir reagieren müssen.“ | |
Ähnlich düster sieht es laut der Ver.di-Frau Alexandra Wastrack auch bei | |
der Feuerwehr aus. Jede Woche meldeten Kollegen, dass sie ins Umland | |
abwanderten. „Da bezahlen sie besser“, heiße es. Außerdem müssten | |
Feuerwehrleute in Hamburg zusätzlich die Rettungseinsätze ins Krankenhaus | |
fahren, was die Belastung enorm steigere. | |
## Dienst bei Umlands-Feuerwehr attraktiver | |
Im Umland werde dieser Rettungsdienst von privaten Dienstleistern gefahren, | |
was die Feuerwehr entlaste. Auch der Nachwuchs sei nicht zu halten. Zwei | |
von drei Auszubildenden als Notfallsanitäter blieben nicht bei der | |
Feuerwehr. Hinzu komme, dass gerade viele Kollegen in den Ruhestand gingen | |
und sich die Zahl der Einsätze in den letzten Jahren verdoppelt habe, das | |
Personal aber nicht, sagte Wastrack. Hamburg baue ganze Stadtteile neu, | |
ohne die Feuerwehr mitzudenken. „Es gibt eine Auswertung, wo die Feuerwehr | |
in der vorgegeben Zeit kommt und wo nicht“, sagte sie. „Da gibt es | |
Bereiche, da können wir nicht rechtzeitig sein.“ | |
Auch bei anderen Dienstleistungen erwarteten die [6][Stadtbeschäftigen eine | |
sofortige Entlastung] durch eine „Hamburg-Zulage“, sagte Max Stempel. Das | |
sei wichtig: „Wer in Hamburg arbeitet, muss sich Hamburg leisten können.“ | |
Nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) wäre es möglich, „zum Ausgleich | |
höherer Lebenshaltungskosten“ ein höheres Entgelt zu zahlen. | |
Finanzsenator Dressel verweise stets auf die bundesweiten | |
Tarifverhandlungen im Herbst und argumentiere, ein Vorpreschen sei nicht | |
möglich. Das sieht Ver.di anders. „Wir haben dazu extra eine rechtliche | |
Stellungnahme vorgelegt“, sagt Stempel. | |
Zu den Vorhalten befragt, erklärte Dressel denn auch, ein Alleingang | |
einzelner Länder komme „tarifrechtlich und tarifpolitisch“ nicht in Frage. | |
Dressel: „Wir haben nicht ohne Grund eine Tarifgemeinschaft, um eben genau | |
keinen Wettbewerb unter den Ländern zu haben“. Es stehe den Gewerkschaften | |
natürlich frei, bei den Tarifverhandlungen auf Länder-Ebene im Herbst 2023 | |
„entsprechende Forderungen zu formulieren.“ | |
Doch bis da ein Tarifergebnis vorliegt, dauere es „mindestens noch ein | |
Jahr“, hält Stempel dagegen. „Die Bereiche bluten jetzt aus, das dauert | |
einfach zu lang“. Stempel: „Das ganze ist jetzt auch eine Frage des | |
politischen Willens“. | |
22 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Einigung-in-Metall--und-Elektrobranche/!5896066 | |
[2] https://stadt.muenchen.de/dam/jcr:8b36f5f7-1d02-4d89-8ba3-242486464256/mff_… | |
[3] /Ausgleich-fuer-hoehere-Kosten-in-Berlin/!5708057 | |
[4] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/entlastung-fuer-deutschland/i… | |
[5] /Prekaerer-Kinderschutz-in-Hamburg/!5666046 | |
[6] https://hamburg.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++82416aa4-4558-11ed… | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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