# taz.de -- Kitas sollen für Spielplätze bezahlen: Hamburger Senat bremst Kit… | |
> In Hamburg sollen Kitas, die nicht genug Außenfläche haben, für die | |
> Nutzung von Spielplätzen Geld bezahlen. Und sie brauchen eine | |
> Sondererlaubnis. | |
Bild: Soll Kitas künftig was kosten: der Aufenthalt auf dem Spielplatz | |
HAMBURG taz | In Hamburg müssen Kindergärten, die kein ausreichendes | |
Außengelände haben, künftig eine Sondererlaubnis für die Nutzung eines | |
Spielplatzes in der Nähe vorweisen. Und sie sollen dafür eine monatliche | |
Gebühr von bis zu 25 Euro pro Kind bezahlen. Das geht aus einer neuen | |
„Fachanweisung“ des Amtes für Naturschutz und Grünplanung der Umweltbehö… | |
hervor, die seit dem 15. Februar in Kraft ist. Unter Kitas sorgt dies für | |
Unmut. | |
„Das ist nicht im Sinne der Kinder“, sagt zum Beispiel Kita-Leiter Torsten | |
Behnk, der einen empörten Brief an die Sozialbehörde schrieb. Seine Kita | |
„Mottenlos“ im dicht bewohnten Stadtteil Ottensen hat kein eigenes | |
Außengelände. Doch das sei gar kein Problem. „Unsere Kinder gehen täglich | |
raus. Seit nunmehr zwölf Jahren, ohne besondere Regulierung“. | |
Man habe aus der Not eine Tugend gemacht, die Kinder bewegten sich in ihrer | |
urbanen Umgebung, besuchten die umliegenden Spielplätze und Parks, gingen | |
schwimmen oder besuchten Museen. Und sie besuchten zehn verschiedene | |
Spielplätze in der Nähe, die je ganz unterschiedlich sind. „Die Kinder auf | |
einen Spielplatz zu begrenzen, begrenzt die Kinder in ihren Möglichkeiten“, | |
findet Behnk. | |
„Ich weiß nicht mehr, ob ich darüber lachen oder weinen soll“, schreibt | |
Kita-Leiterin Mona Slama zur Fachanweisung. Die sei ein „neues | |
Bürokratiemonster“. Auch ihre Kita „Kurz & Klein“ liegt in Ottensen, hat | |
kein eignes Außengelände und besucht die Spielplätze der Umgebung. „Wir | |
sehen das als außerordentlich positiv“, sagt Slama. Die Kinder bewegten | |
sich und lernten viel dabei. | |
## Hygiene-Konzept gegen „Verunreinigung“ verlangt | |
Und nun gibt es seit dem 15. Februar eine „Fachanweisung“ für die | |
Spielplatz-Nutzung. [1][Bisher genügte es], wenn eine Kita auf Spielplätze | |
in der Nähe verweisen konnte. Künftig müssen Häuser, die nicht sechs | |
Quadratmeter Außenfläche pro Kind haben, eine Sondernutzung beim Bezirksamt | |
beantragen. | |
Sie sollen sich auf einen Spielplatz festlegen und sogar, sollte der Platz | |
weiter als 300 Meter entfernt sein, zum Schutz vor Verunreinigung ein | |
Hygienekonzept vorlegen. Sie dürfen nicht mehr als die Hälfte eines Platzes | |
für ihre Kinder benötigen. Darüber, welche Kitas wo spielen, wird ein | |
Kataster erstellt. Auf die Nutzung haben Kitas keinen Rechtsanspruch. | |
Was sollen also Kitas tun, die in dichten Quartieren ohne Außengelände | |
sind? Die Behörden sollen „Bestandsschutz“ versprochen haben. Allerdings | |
[2][sagt die Stadt offiziell], die Überlegungen dazu seien „nicht | |
abgeschlossen“. | |
Klar ist: Für neue Kitas gilt dieses Regelwerk. In Hamburg können dank des | |
„[3][Kita-Gutschein-System]s“ von 2004 eigentlich Kitas immer dort öffnen, | |
wo es die Nachfrage gibt. Die Finanzierung ist pauschal in Gutscheinen | |
erhalten, die die Eltern von der Stadt erhalten und bei den Kitas einlösen | |
können. Die Fachanweisung wirkt wie der Versuch der Stadt, doch etwas zu | |
steuern. | |
Dringenden [4][Bedarf an Kita-Plätzen] sieht der Träger [5][Sternipark] im | |
Stadtteil Harburg und beantragte dort 2020 den Ausbau einer Kita um 90 | |
Plätze. Doch für dessen Genehmigung verlangte der Bezirk erstmals so eine | |
„Sondererlaubnis“, weil das Außengelände nicht reiche. Die Sache ging vor | |
Gericht. Der Träger argumentierte, dass die Kinder in Harburg sieben | |
Spielplätze gut zu Fuß erreichen könnten. Und da eh die meisten Kinder in | |
einer Kita seien, verdrängten sie keine Kinder. | |
Doch das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg entschied am 5. November 2020, | |
dass die Nutzung eines Spielplatzes einer Sondererlaubnis des jeweiligen | |
Bezirks bedarf. Einer Kita müsse eine bestimmte Fläche zur „alleinigen | |
Nutzung“ vorbehalten sein. | |
Seither beruft sich die Stadt bei neuen Anträgen auf das OLG-Urteil, obwohl | |
dieses zunächst nur im Eilverfahren ergangen ist. Laut den Antworten des | |
Senats auf CDU-Anfragen [6][wurde 2021] und [7][2022] insgesamt zehn Kitas | |
die Eröffnung nicht erlaubt oder der Platzausbau reduziert. | |
„Der Eröffnung neuer Kitas im städtischen Verdichtungsraum wird deutlich | |
erschwert“, sagt Sabine Kümmerle vom Wohlfahrtsverband „Soal“, der rund … | |
Kitas vertritt. „Jahrzehntelang war so etwas nicht nötig“, sagt auch | |
Sternipark-Chefin Leila Moysich. „Es ist inhaltlich nicht der richtige | |
Weg.“ | |
## Träger kündigt Widerspruch an | |
Zu spüren bekam die neue Linie auch der Kita-Träger „KMK Kinderzimmer“, d… | |
im Stadtteil Rahlstedt eine Kita eröffnen wollte und auf drei Spielplätze | |
in der Nähe verwies. Weil der Bezirk die Genehmigung nicht erteilte, konnte | |
die in einem ehemaligen Discounter errichtete Kita nur mit 40 Plätzen | |
weniger öffnen. Solche Probleme hatte der Träger auch an zehn weiteren | |
Standorten. | |
„Unsere Vision ist es, möglichst vielen Kindern einen sicheren Hafen für | |
ihre Entwicklung zu bieten“, sagt Geschäftsführer Daniel Grimm. | |
„Tatsächlich hätte KMK Kinderzimmer circa 1.000 weitere Kita-Plätze in den | |
nächsten zwei Jahren in Hamburg schaffen können, wenn das | |
Genehmigungsverfahren gerade in Hinblick auf Außengelände und die Nutzung | |
von Spielplätzen nicht so kompliziert wäre.“ Der Träger kündigte an, | |
Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid einzulegen. | |
Aber auch für die bestehenden Kitas ohne Außengelände – es sollen nach | |
älteren Angaben etwa 60 sein – bedeutet die Fachanweisung einen hohen | |
Aufwand und Ungewissheit. Denn auf taz-Nachfrage erklärt | |
Umweltbehörden-Sprecherin Renate Pinzke dann doch, auch „sogenannte | |
Bestandskitas“ fielen „entsprechend des Gleichheitsgrundsatzes“ unter eben | |
jene Fachanweisung. Umwelt- und Sozialbehörde seien sich einig, dass die | |
Mitnutzung öffentlicher Spielsplätze anstelle eines eigenen Außengeländes | |
so einer Sondererlaubnis bedürfe. | |
„Für Kitas mit bestehender Betriebserlaubnis muss Bestandschutz gelten“, | |
hält Sabine Kümmerle dagegen. „Es wäre absurd, wenn Kitas, die jahrelang | |
gut mit der Spielplatznutzung zurecht kamen, schließen müssten, nur weil | |
jemand im Bezirk findet, dass die Sondernutzungserlaubnis nicht erteilt | |
werden kann“. | |
Gerade in Eimsbüttel oder Altona würde das alteingessene Kinderläden | |
treffen. Sie sehe die Stadt in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass es | |
ausreichend Freiflächen und Spielplätze für Kinder gibt, sagt die | |
Verbands-Sprecherin Kümmerle: „Das kann nicht auf dem Rücken der Kitas | |
ausgetragen werden.“ | |
17 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hamburg.de/contentblob/16925564/9b5f85406e0e4d4769cce5a64a67571… | |
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/82703/fehlende_aussenspiel… | |
[3] /Kita-Finanzierung-in-Bremen/!5541155 | |
[4] /Kita-Versorgung-in-Hamburg/!5708386 | |
[5] /Jugendliche-Fluechtlinge-in-Hamburg/!5903934 | |
[6] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/79636/fehlende_aussenspiel… | |
[7] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/82703/fehlende_aussenspiel… | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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