# taz.de -- Klimapolitik in Berlin: Gefangen in der Autoblase | |
> Der Senat übernimmt den Großteil der Maßnahmen des | |
> Klimabürger*innenrats. Bis zur emissionsfreien Stadt wird es aber | |
> noch dauern. | |
Bild: Gegen die Autoliebe des Senats hilft auch die Installation „Auto-Blase�… | |
BERLIN taz | „Klimaschutz hat oberste Priorität. Er muss zügig, | |
entschlossen und sozial gerecht umgesetzt werden.“ So lautet der oberste | |
Leitsatz des Klimabürger*innenrats, dem 97 Prozent der Mitglieder | |
zugestimmt haben. Von April bis Juni vergangenen Jahres haben 100 zufällig | |
ausgeloste Berliner*innen über die Frage beraten, wie die Stadt | |
möglichst schnell klimaneutral wird. [1][Herausgekommen sind 47 | |
Handlungsempfehlungen], die nun vom Senat bewertet wurden. | |
Als „zukunftsweisende Impulse für die Klimaschutzpolitik in unserer Stadt“ | |
bezeichnet die rot-grün-rote Koalition die Maßnahmen in einer Stellungnahme | |
an das Abgeordnetenhaus. 31 davon sollen nun vollständig und 12 teilweise | |
in das Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 aufgenommen werden: etwa der | |
schrittweise Austausch von Öl- und Gasheizungen, weniger bürokratische | |
Hürden beim Ausbau erneuerbarer Energien oder Dachbegrünung. | |
Nicht übernommen wurde die Empfehlung, leerstehende Gebäude zwangsweise in | |
Wohnraum umzufunktionieren. Weder das Bundesrecht noch das Berliner | |
Zweckentfremdungsrecht würden dazu eine Handhabe bieten, heißt es. | |
Eine weitere Forderung des Klimarats ist eine sozial gerechte | |
Kostenverteilung für energetische Sanierungen. Demnach sollen große | |
Immobilienkonzerne mehr zahlen als kleine Vermieter*innen. Immerhin 77 | |
Prozent wollen dafür Teile der Gewinne von profitorientierten | |
Wohnungsunternehmen abschöpfen. | |
Der Senat sieht hier jedoch gleich zwei Probleme: Berlin habe dafür keine | |
Gesetzgebungskompetenz und es sei nicht ersichtlich, wie dies unter Wahrung | |
des Gleichbehandlungsgebots geregelt werden könne. | |
## Senat und Klimabürger*innenrat gegen Stadtautobahn | |
Ebenfalls nicht übernommen wurde die Empfehlung, in der Hauptstadt eine | |
City-Maut einzuführen. Der Senat konzentriere sich lieber auf andere | |
Maßnahmen wie eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, neue | |
Finanzierungsinstrumente des ÖPNV sowie die „mittelfristige Einführung | |
einer Nullemissionszone“. | |
Fragt sich nur, was „mittelfristig“ heißt. „Die konkreten Zielzahlen der | |
Maßnahmen hat der Senat nicht übernommen“, kritisiert Michaela Zimmermann | |
von der Initiative Klimaneustart Berlin, die den Bürger*innenrat durch | |
eine Volksinitiative erwirkt hat. So will der Senat von der geforderten | |
[2][Verbannung von Verbrennermotoren] ab diesem Jahr sowie einer | |
emissionsfreien Innenstadt bis 2030 nichts wissen. „Es muss alles schneller | |
passieren, dafür braucht es konkrete Ziele“, sagt Zimmermann zur taz. | |
Doch das vom Bürger*innenrat ausgegebene Ziel einer Innenstadt, „in der | |
grundsätzlich nicht mit dem Auto gefahren wird“, teilt der Senat explizit | |
nicht. Einig ist man sich dafür in der Ablehnung der umstrittenen | |
Stadtautobahn. „Das Land Berlin will den Weiterbau nicht – die A100 muss | |
mit einem qualifizierten Abschluss am Treptower Park enden“, sagt | |
Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) zur taz. Bundesverkehrsminister | |
Volker Wissing (FDP) müsse das ernst nehmen, statt eine „Verkehrspolitik | |
der Vergangenheit“ zu betreiben. | |
Danach sieht es aber nicht aus. Laut Tagesspiegel will das | |
Bundesverkehrsministerium den 17. Bauabschnitt bis 2035 fertigstellen. Ganz | |
ohne Probleme mit „konkreten Zielzahlen“. | |
10 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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