# taz.de -- Berliner Klimabürger:innenrat: Die Tür stand auf | |
> Die Empfehlungen des Klimabürger:innenrats überraschen nicht | |
> wirklich. Dennoch sind sie von Wert für die Berliner Politik. | |
Bild: Hier wurden am 30. Juni der Politik die Forderungen des Klimabürger:inne… | |
Jetzt liegen sie also vor, die mit [1][allergrößter Spannung] erwarteten | |
[2][Ergebnisse des Berliner Klimabürger:innenrates]. 47 | |
Empfehlungen, wie die Politik beim Klimaschutz handeln soll, ausgesprochen | |
von genau 100 Menschen aus der ganzen Stadt, Menschen aller Altersgruppen, | |
mit und ohne Migrationserfahrung, aus unterschiedlichen sozialen Kontexten. | |
War diese Spannung nun gerechtfertigt? Vielleicht eher nicht, soll die | |
Antwort hier lauten. Was keineswegs bedeutet, dass die Übung umsonst war. | |
[3][Viele der Empfehlungen], die zum Teil mit großen Mehrheiten | |
verabschiedet wurden, lesen sich wie eine Zusammenfassung wichtiger Punkte | |
des rot-grün-roten Koalitionsvertrags bzw. der politischen Agenda der | |
grünen Senatsverwaltung für Mobilität, Umwelt und Klimaschutz. Etliche sind | |
in ihrer Allgemeinheit auch über das gesamte politische Spektrum hinweg | |
Common Sense. | |
„Der Energie- und Ressourcenverbrauch muss in allen Bereichen – Staat, | |
Wirtschaft und Gesellschaft – reduziert werden.“ Wer wollte da | |
widersprechen? Ein attraktiverer ÖPNV mit guten Umsteigemöglichkeiten, ein | |
zügiger Ausbau der Ladeinfrastruktur, die rasche Umsetzung der vom | |
Mobilitätsgesetz vorgesehenen Radinfrastruktur? Ja klar. Schnellstmögliche | |
Umsetzung der Solarpflicht auf Dächern, Abbau der Förderung von | |
Gasheizungen, eine Ausbildungsoffensive in klimarelevanten Berufen, etwa im | |
Installationshandwerk: Was denn sonst? | |
All das verweist auch auf einen strukturellen „Bias“, also eine bereits | |
vorhandene Tendenz bei vielen der Ratsmitglieder – auch wenn die | |
Verantwortlichen immer wieder auf das angewandte Losverfahren und die | |
soziale Mischung der Teilnehmenden hinweisen. Aber ist die Vermutung | |
wirklich weit hergeholt, dass bei 2.800 zufällig Angeschriebenen und 238 | |
Rückmeldungen vor allem Menschen in die engere Wahl kamen, denen das | |
Klima-Thema ohnehin am Herzen liegt? | |
Hätte es sich beim Bürger:innenrat tatsächlich um das viel beschworene | |
„Miniatur-Berlin“ gehandelt, hätten bestimmte Forderungen vielleicht keine | |
Mehrheit in den Abstimmungen gefunden – vor allem diejenigen, die so | |
konkret sind, dass ihre Folgen für jedeN einzelneN leicht vorstellbar sind. | |
Interessanterweise fiel das Votum gegen den Weiterbau der A100 mit 59 | |
Prozent auch so schon vergleichsweise knapp aus. | |
## Nicht nachher wundern! | |
So gesehen sollte es niemanden Wunder nehmen, wenn sich das vom | |
Klimabürger:innenrat erzeugte Meinungsbild nicht bestätigt, sobald es | |
hart auf hart kommt, also zum Beispiel über die Forderungen von „Berlin | |
autofrei“ an den Urnen entschieden wird. Dass die Bevölkerung in | |
Wirklichkeit vielleicht nicht ganz „so weit“ ist, zeigt ja schon ein Blick | |
auf die Zulassungszahlen von Pkw oder andere Konsumindikatoren. | |
Aber: Politik wird von denen geprägt, die sich engagieren – das gilt für | |
Parteien und Institutionen ebenso wie für ehrenamtliche Formate. Wer seine | |
Chance ergriffen hat, Senat und Parlament durch die Teilnahme am | |
Klimabürger:innenrat auf die Sprünge zu helfen, der darf auch darauf | |
hoffen, dass sich dieses Engagement auszahlt. Die Tür stand auf – wer | |
wollte, konnte hindurchgehen. | |
Jetzt muss die Politik liefern, das haben Senatorin und Abgeordnete bei der | |
Übergabe der Forderungen betont. Einen Richtungswechsel wird es auf der | |
Grundlage der Empfehlungen nicht geben, aber an der einen oder anderen | |
Stelle erhöht das Votum der BürgerInen dann doch die Legitimität von | |
unangenehmen oder teuren Maßnahmen. | |
Erfreulich war vor allem die durchaus glaubwürdige vorgetragene | |
Bereitschaft der AdressatInnen, den Dialog nicht einfach abreißen zu | |
lassen. Senatorin Jarasch hat die RätInnen schon zur Evaluation nach einem | |
Jahr eingeladen. Die sollten sich auf diese Chance zum Nachbohren | |
keinesfalls entgehen lassen. | |
1 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Start-des-Klimabuergerinnenrats/!5847243 | |
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[3] https://www.berlin.de/klimabuergerinnenrat/_assets/dokumentation/klimaburge… | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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