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# taz.de -- Volksbegehren „Berlin autofrei“: Verhältnismäßig umstritten
> Die Innenverwaltung hält den Gesetzentwurf von „Berlin autofrei“ für
> grundgesetzwidrig. Wahrscheinlich geht es nun vors Verfassungsgericht.
Bild: Noch haben sie die Hoffnung nicht aufgegeben
Berlin taz | Das [1][Volksbegehren Berlin autofrei] verstößt gegen das
Grundgesetz und ist damit unzulässig – findet jedenfalls die
Senatsverwaltung für Inneres. Mit zweimonatiger Verspätung hat die Behörde
am Dienstag ihre Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf an die Senatsverwaltung
für Mobilität übermittelt. Hat diese sich auch dazu geäußert, muss der
gesamte Senat seinen Standpunkt formulieren. Dann wandert die Sache
voraussichtlich vor den Verfassungsgerichtshof des Landes.
„Die angestrebten Regelungen, den privaten Autoverkehr im gesamten
Innenstadtbereich (sog. Hundekopf) grundsätzlich gesetzlich zu verbieten
und nur noch in Ausnahmefällen zuzulassen, sind im Ergebnis
unverhältnismäßig und mit der allgemeinen Handlungsfreiheit unvereinbar“,
so die stellvertretende Sprecherin der Innenverwaltung, Sylvia Schwab.
Dabei beruft sich das Haus von Senatorin Spranger (SPD) auf Artikel 2
Absatz 1 Grundgesetz, wo es heißt: „Jeder hat das Recht auf die freie
Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer
verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das
Sittengesetz verstößt.“
Beantragt wurde das Volksbegehren von der Initiative Volksentscheid Berlin
autofrei: Anfang August 2021 reichte sie mehr als 50.000 Unterschriften
dafür bei der Innenverwaltung ein. Gemäß dem Berliner Abstimmungsgesetz
hätte sich der Senat eigentlich schon im Januar positionieren müssen, es
kam aber zu einem Aufschub bis März, [2][weil die Initiative inhaltliche
Änderungen nachreichte]. Angestrebt wird von ihr die Verbannung des
privaten Kfz-Verkehrs aus dem gesamten S-Bahn-Ring – mit einer Vielzahl von
Ausnahmen. Ein Berlin mit weniger Autoverkehr wäre „lebenswerter und
klimafreundlicher“, so die Überzeugung von „Berlin autofrei“.
In einer ersten Reaktion auf die Bewertung durch die Senatsverwaltung
teilten die InitiatorInnen mit, die Unverhältnismäßigkeit liege nicht im
Gesetzentwurf, sondern „in der Vorherrschaft des Autos“. Senatorin Iris
Spranger und ihrer Verwaltung fehlten offenbar „der politische Wille und
Mut, diese Probleme ernsthaft zu lösen. Aber sollte der Senat uns vor das
Landesverfassungsgericht schicken, scheuen wir diesen Weg nicht“, so
Sprecherin Nina Noblé.
## Gute Chancen erwartet
Die Initiative verwies darauf, dass ihr Entwurf durch „viele erfahrene
Jurist:innen erarbeitet, geprüft und verbessert“ worden sei. Deshalb
schätze man die Chancen vor dem Verfassungsgericht als „sehr gut“ ein. Auch
habe 2021 der Verwaltungsrechtler Remo Klinger in einem Gutachten für die
Senatsverwaltung festgestellt, dass der Gesetzentwurf der Initiative
„formell mit dem Grundgesetz vereinbar“ und in Bezug auf die
Verhältnismäßigkeit eine rechtskonforme Auslegung möglich sei.
An die VerfassungsrichterInnen überwiesen hatte der Senat schon den
Gesetzentwurf des Volksbegehrens „Berlin werbefrei“. Begründung: Er
vermische nicht zusammengehörende Dinge und sei wegen dieses Verstoßes
gegen das sogenannte Koppelungsverbot unzulässig. [3][Der Gerichtshof
entschied allerdings Ende 2019], die Innenverwaltung müsse der Initiative
eine rechtskonforme Nachbesserung ermöglichen. Das tat diese – aktuell
liegen ihre Vorschläge wieder zur Prüfung im Hause Spranger.
Berlins grüne Doppelspitze – Susanne Mertens und Philmon Ghirmai – erklär…
am Dienstag, ihre Partei teile das „Ziel des Volksbegehrens, autofreie und
autoarme Bereiche in Berlin zu schaffen“. Die große Unterstützung habe
gezeigt, „wie wichtig und richtig dieser Weg ist“. Die Prüfung durch das
Verfassungsgericht stelle nun „eine große Chance dar“, finden Mertens und
Ghirmai, weil geprüft werden könne, „ob dieser Weg verfassungskonform und
verhältnismäßig ist. Dann haben wir Klarheit darüber, ob diese gesetzliche
Regelung tatsächlich ein Baustein zu einer Verkehrswende in Berlin werden
kann.“
10 May 2022
## LINKS
[1] https://volksentscheid-berlin-autofrei.de/
[2] /Volksentscheid-Berlin-autofrei/!5825975
[3] /Verfassungsgericht-zu-Berlin-Werbefrei/!5729436
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Berlin autofrei
Mobilitätswende
Verfassungsgericht
Tesla
Volksinitiative
Wochenkommentar
Bettina Jarasch
Schwerpunkt Stadtland
Autoverkehr
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