# taz.de -- Studie zu Lehrer:innenmangel: Kooperation der Länder gefordert | |
> Der Lehrer:innenmangel verschärft sich in den kommenden Jahren. Eine | |
> Studie fordert nun eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Ländern. | |
Bild: Bald keiner mehr da zum Tafelwischen: Lehrermangel geht weiter | |
BERLIN taz | Um die Schulen künftig mit ausreichend Personal zu versorgen, | |
müssen die Länder verbindlicher zusammenarbeiten – etwa in Form eines | |
Staatsvertrags. Das fordert der Bildungsexperte Mark Rackles in einer | |
Expertise für die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die am Montag veröffentlicht | |
wurde. „Wir haben kein Versorgungsdefizit, wir haben eine | |
Versorgungskrise“, stellte Rackles fest. Aktuell bildeten die Länder | |
insgesamt 18 Prozent weniger Lehrkräfte aus, als sie einstellen. Selbst | |
Bayern, das zusammen mit Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen über die | |
Hälfte aller Lehrkräfte ausbildet, kommt mit den eigenen Ausbildungsplätzen | |
nicht mehr zurecht. | |
Tatsächlich musste Bayerns Bildungsminister Michael Piazolo (Freie Wähler) | |
zum Schulstart einräumen, dass er den Personalbedarf an Schulen nicht | |
decken könne. Eine Erfahrung, die er mit den meisten seiner | |
Amtskolleg:innen teilt. In Sachsen-Anhalt etwa fehlten im Sommer mehr | |
als 500 Lehrkräfte, in NRW rund 4.400. Lehrer:innenverbände schätzen | |
die bundesweite Lücke derzeit auf bis zu 40.000 Lehrkräfte. Vor allem | |
Grund-, Haupt- und [1][Förderschulen sind betroffen.] | |
Laut Rackles, der von 2011 bis 2019 in Berlin Staatssekretär für Bildung | |
war und aktuell am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) | |
forscht, dürfte sich der [2][Mangel in den kommenden Jahren weiter | |
verschärfen]. Einerseits sind in den vergangenen zehn Jahren die | |
Lehramtsabsolvent:innen um 13 Prozent zurückgegangen, obwohl die | |
Studienplätze erhöht worden sind. Dazu kommt die demografische Entwicklung: | |
In vier Jahren werden fast 16 Prozent weniger Schüler:innen Abi machen – | |
und entsprechend weniger Lehramt studieren. Dabei wächst der Wettbewerb um | |
Pädagog:innen ohnehin schon: Bis 2030 entsteht durch Ganztags- und | |
Inklusionsmodelle ein Zusatzbedarf von geschätzt 74.000 Lehrkräften. | |
Deshalb hob Rackles die Dringlichkeit hervor: „Wir haben kein | |
Erkenntnisproblem. Es mangelt an der Umsetzung.“ | |
Die Kritik richtet sich an die Kultusministerkonferenz (KMK), die zwar | |
bereits 2020 eine Ländervereinbarung getroffen hat, um „bedarfsgerecht“ | |
auszubilden und auch genügend Plätze für das Referendariat an Schulen | |
bereitzustellen – nur hat sich die Lage seither nicht sichtbar verbessert. | |
Um den Personalmangel zu beheben, geht jedes Bundesland seinen eigenen Weg: | |
etwa neuerliche Verbeamtung in Berlin, erleichterter Zugang für | |
Seiteneinsteiger:innen in Brandenburg oder höhere Bezahlung an Grund- | |
und Hauptschulen in NRW und Niedersachsen. | |
## Staatsvertrag mit oder ohne Bund | |
Rackles empfiehlt den Ländern, den Ausbau der Studienplätze möglichst noch | |
2023 in einem gemeinsamen Staatsvertrag mit oder ohne Bund zu fixieren. | |
Damit hätte die Vereinbarung Gesetzesrang – und wäre maximal verbindlich. | |
Die Chancen sieht er im kommenden Jahr günstig für eine Einigung: Den | |
KMK-Vorsitz übernimmt die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse | |
(SPD). Ihre Landesregierung hat versprochen, sich für einen entsprechenden | |
Staatsvertrag einzusetzen. | |
Auch der Thüringer Bildungsminister Helmut Holter (Linkspartei) begrüßt den | |
Vorstoß. „Wir wissen, dass Unterricht ausfällt“, sagte Holter am Montag. | |
Für einen Staatsvertrag habe er sich bereits 2018 ausgesprochen. Damals | |
hatte die Große Koalition im Bund den Ländern einen Nationalen Bildungsrat | |
an die Seite stellen wollen. Manche Länder wollten lieber einen | |
Bildungsstaatsvertrag. Am Ende scheiterten beide Ideen. In seiner Expertise | |
schlägt Mark Rackles deshalb vor, den Staatsvertrag auch ohne | |
Einstimmigkeit der Länder zu verabschieden. | |
20 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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