| # taz.de -- Kevin Kühnert über Energiepolitik: „Ich lasse mich nicht auftei… | |
| > SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärt sein Selbstverständnis und die | |
| > Irrwege in der Energiepolitik. Er hält wenig von grünem Lifestyle. | |
| Bild: „Wir sind hier nicht bei ‚Wünsch dir was‘“: SPD-Generalsekretär… | |
| taz am wochenende: Herr Kühnert, Sie haben als Jugendlicher den Wehrdienst | |
| verweigert. Würden Sie das heute auch wieder tun? | |
| Kevin Kühnert: Ja. | |
| Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordert, dass die Gesellschaft | |
| wehrhafter wird. Liegt er falsch? | |
| Ich habe Zivildienst geleistet. Und so verstehe ich auch Wehrhaftigkeit. | |
| Dazu gehört mehr als nur in Militär zu investieren. Wir müssen uns auch | |
| gesellschaftlich wehrhaft zeigen. | |
| Den 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr haben Sie aber | |
| zugestimmt. | |
| Weil ich das in der jetzigen Situation für richtig halte. Der Krieg ist nah | |
| an uns herangerückt. Die Annahme „Das wird schon nicht passieren“ hat sich | |
| mit Blick auf diesen irrational agierenden Diktator als trügerisch | |
| erwiesen. Leider. | |
| [1][Scholz hat kürzlich neben einem Panzer für die Fotografen posiert.] Ist | |
| das für Sie zu viel Nähe zum Militärischen? | |
| Ich kenne Olaf Scholz mittlerweile gut genug, um zu wissen: sein Wille zur | |
| dramatischen Inszenierung ist so gering, dass ich hier keine tiefergehende | |
| Botschaft erkenne. | |
| Offenbar doch. | |
| Wenn Scholz etwas sagen will, dann sagt er es. | |
| Ist Scholz Kurs in Sachen Ukraine richtig? | |
| Scholz hat aufgrund seiner politischen Erfahrung früh begriffen, dass | |
| dieser Krieg lange dauern und damit auch unsere Unterstützung lange | |
| notwendig sein wird. Dass es noch keine große Leistung ist, auf den ersten | |
| Metern energische verbale Unterstützung für die Ukraine zu leisten. | |
| Unserer Solidarität darf unter schwierigen Umständen nicht die Puste | |
| ausgehen. Deutschland hält aller Herausforderungen zum Trotz finanziell, | |
| militärisch und bei der Aufnahme von Geflüchteten sein Level an | |
| Unterstützung aufrecht. Und das auf die Scholz-Art: unaufgeregt und | |
| verlässlich. Wenn ich mir angucke, dass in den USA vor den Midterms diese | |
| Linie von Republikanern und einigen demokratischen Abgeordneten verlassen | |
| wird, dann ist unser Weg eine beachtliche politische Leistung. | |
| Sie haben Anfang des Jahres, vor dem 24. Februar, versucht, die Debatte um | |
| Nord Stream 2 für beendet zu erklären. Das war doch ein Griff ins Klo. | |
| Stimmt. | |
| Haben Sie etwas daraus gelernt? | |
| Die Entscheidung für russisches Gas als alternativlose Brückenenergie auf | |
| dem Weg ins Zeitalter der Erneuerbaren war ein Irrweg. Dieser hatte viele | |
| Ursachen: Eine Marktliberalisierung, die dazu führte, die billigste | |
| Gasquelle zu bevorzugen oder beispielsweise die Verweigerung von einigen, | |
| alternative Bezugsquellen zu ermöglichen, zum Beispiel den [2][Bau von | |
| LNG-Infrastruktur]. Im Ergebnis haben wir uns einseitig von russischem Gas | |
| abhängig gemacht. Die Öffnung von Nord Stream 2 hätte diese Abhängigkeit | |
| noch verstärkt. Das sehe ich heute ganz klar. | |
| Die chinesische Reederei Cosco hat sich in den Hamburger Hafen eingekauft, | |
| [3][das Kanzleramt hat dies gegen die Warnungen von Fachministerien | |
| genehmigt]. Passiert da gerade der nächste Fehler? Der Hamburger Hafen wird | |
| von einer Anstalt öffentlichen Rechts betrieben, ist damit im Gegensatz zu | |
| anderen europäischen Beispielen unabhängig und bleibt es auch. Unsere | |
| grundsätzliche Position ist ganz klar: Wir müssen raus aus einseitigen | |
| Abhängigkeiten, gerade gegenüber autokratischen Regimen. | |
| Wir müssen uns in ökonomisch und strategisch wichtigen Bereichen aus der | |
| Abhängigkeit Chinas befreien, etwa bei Seltenen Erden oder Halbleitern. | |
| Denn da beziehen wir übergroße Anteile aus China und seiner Einflusssphäre. | |
| Diese Haltung sollte man keinesfalls verwechseln mit einem völligen Abbruch | |
| jeglichen Handels mit China. Das wäre auch mittelfristig illusorisch. Nicht | |
| jede potenzielle Investitionsentscheidung taugt zur Schicksalsfrage über | |
| die Resilienz unserer Volkswirtschaft. | |
| Eine Beteiligung Chinas in Höhe von 25 Prozent an einem Teil des Hamburger | |
| Hafen ist also in Ordnung. Und was geht nicht? | |
| Wenn Sie mich fragen: [4][die indirekte Beteiligung an der Chipfabrik Elmos | |
| in Dortmund, wie sie gerade durch chinesische Investoren angestrebt wird.] | |
| Warum? | |
| Die Chipproduktion ist ein besonders kritischer Zukunftsmarkt. Wir brauchen | |
| enorme Mengen, halten aber unter 10 Prozent der Weltmarktproduktion in | |
| Europa. Das ist viel zu wenig. Elmos ist folglich zwar kein | |
| Weltmarktführer. Aber hier geht es um das Prinzip. Viele kleinere | |
| Beteiligungen an mittelmäßig relevanten Unternehmen machen am Ende auch | |
| eine relevante Beteiligung aus. Hier sollten wir die Tür gezielt zumachen. | |
| Gehört kritische Infrastruktur in s gesamt in staatliche Hand? | |
| Ja, so wie der Hamburger Hafen in staatlicher Hand liegt, woran sich ja | |
| nichts ändert. Für andere Verkehrsinfrastrukturen ist das ebenso | |
| unbestritten. Es muss jetzt akut darum gehen, den Zugriff von der falschen | |
| Seite zu verhindern. | |
| Der Staat hat während der Pandemie und danach gezeigt, dass er Willens und | |
| in der Lage ist, sich strategisch zu beteiligen, damit Strukturen nicht | |
| zusammenbrechen, zum Beispiel bei der Lufthansa oder bei Uniper. An anderer | |
| Stelle wurde gar verstaatlicht. Und natürlich sollten wir in bestimmten | |
| Bereichen nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Beim | |
| 5G-Netz und der Beteiligung chinesischer Firmen sehen wir die Gefahr. Der | |
| Preis spricht für Huawei, der Selbstschutz dagegen. Uns sollte der Schutz | |
| etwas wert sein. | |
| Die generelle Verstaatlichung aller vital wichtigen Infrastruktur finden | |
| Sie richtig? | |
| Mir geht es ums Grundprinzip. Wir brauchen mehr am Gemeinwohl orientierte | |
| öffentliche Einflussnahme, wo es möglich und nötig ist. | |
| Und wo ist es nötig? | |
| Wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was“. Wenn ich jetzt etwas Konkretes | |
| benenne, wird unser ganzes schönes Interview auf diese Antwort reduziert. | |
| Das wäre doch schade. | |
| Spricht da jetzt der Generalsekretär der SPD, der Bundestagsabgeordnete | |
| Kevin Kühnert oder der Juso? | |
| Ich lasse mich nicht aufteilen. | |
| Beim Juso-Bundeskongress musste sich SPD-Chef Lars Klingbeil anhören, | |
| [5][er rede wie der Pressesprecher von Olaf Scholz.] Haben Sie sich | |
| gedacht: Das hätte ich als Jusochef früher auch so gesagt? | |
| Ich werde nicht kommentieren wie die Jusos auftreten sollen. Das habe ich | |
| mir als Juso-Vorsitzender immer verbeten, das mache ich jetzt andersrum | |
| auch nicht. | |
| Und warum die scharfe Kritik am SPD-Chef? | |
| Solche Kongresse haben ihre eigene Dramaturgie. Alle Gäste nur zu bejubeln, | |
| passt nicht zum Selbstverständnis eines kritischen Jugendverbandes. Das war | |
| früher so, und so ist es richtigerweise noch immer. Das führt gelegentlich | |
| zu spontanen Entladungen. Hier hat es meines Erachtens nach den Falschen | |
| getroffen. Lars Klingbeil war zusammen mit Saskia Esken und Rolf Mützenich | |
| maßgeblicher Treiber, als es darum ging, die Abschöpfung von | |
| Zufallsgewinnen bei Energiekonzern durchzusetzen. Ein Parteivorsitzender, | |
| der sich der Regierung unterwerfen würde, hätte dazu weder den Mut noch die | |
| Kraft gehabt. | |
| Jetzt klingen Sie ein bisschen wie der Pressesprecher von Lars Klingbeil. | |
| Nein, wenn ich jemanden sachlich begründet unterstütze, bin ich deswegen | |
| doch nicht dessen Pressesprecher. | |
| Stephan Weil hat der Ampel in Sachen Gasumlage widersprochen – auch deshalb | |
| hat die SPD gut bei den Landtagswahlen in Niedersachsen abgeschnitten. Muss | |
| die SPD im Bund auch häufiger eigene Akzente setzen? | |
| Das machen wir doch. Nicht nur bei der Gewinnabschöpfung, sondern auch bei | |
| der Feststellung, dass in der Wärmeversorgung die Übernahme einer | |
| Abschlagszahlung im Dezember nicht reicht. Im Ergebnis wird nun wohl die | |
| Gaspreisbremse auf Februar vorgezogen. Die Partei hat sich zudem dafür | |
| eingesetzt, dass auch Rentner und Studierende die Energiepreispauschale | |
| noch bekommen. Diese Debatten kamen aus der SPD, auch von Stephan Weil. | |
| Wahlkämpfe sind Zeiten verdichteter Kommunikation. Man kriegt permanent | |
| Rückmeldung von verschiedenen Leuten. Das schärft den Kompass. | |
| Und warum hört man von SPD zum Thema Umverteilung so wenig? | |
| Da widerspreche ich. Umverteilung spielt doch seit Monaten eine zentrale | |
| Rolle – nur nicht immer im klassischen Gewand als Steuerdebatte, sondern | |
| wenn es um den sozialen Ausgleich bei den Entlastungen geht. Bei vielen | |
| Entlastungen ging es zunächst darum, im Eiltempo die riesigen notwendigen | |
| Summen zu mobilisieren. Das hat gut funktioniert – und die FDP ist dabei | |
| über manchen Schatten gesprungen. Schrittweise wird nun geklärt werden | |
| müssen, wie die Lastenverteilung organisiert werden soll und welcher | |
| Steuer-Mix dabei für größtmögliche Gerechtigkeit sorgt. | |
| Wieso traut sich die SPD sich nicht, laut und offensiv Reiche stärker zur | |
| Kasse zu bitten? | |
| Die SPD will Lücken bei Betriebsvermögen in der Erbschaftssteuer schließen | |
| und wir halten eine Reaktivierung der Vermögenssteuer für sehr große | |
| Vermögen von Krisenprofiteuren für dringend geboten, auch weil Einkünfte | |
| aus Arbeit und Vermögen in Deutschland hochgradig ungleich behandelt | |
| werden. Aber diese SPD-Position ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im | |
| Bundestag bislang nicht durchsetzbar – so wenig wie andersherum Christian | |
| Lindners Steuerpläne. Wir werden aber nicht müde, für unseren Weg zu | |
| kämpfen. | |
| Aber seit dem 24. Februar und der Energiekrise gibt es eine neue Lage. In | |
| Spanien gibt es eine Vermögensabgabe. Warum ist das mit einem SPD-Kanzler | |
| nicht möglich? | |
| Auch Olaf Scholz steht für die Steuerkonzepte der SPD ein, er hat sie | |
| mitentwickelt. Aber auch er kann die Mehrheiten im Parlament nicht | |
| verzaubern, sondern muss werben und argumentieren. Wir werden [6][auf dem | |
| SPD-Debattenkonvent an diesem Wochenende] deshalb erneut über Fragen der | |
| Verteilungsgerechtigkeit diskutieren. | |
| Beim Debattenkonvent geht es um die Energiewende. Eine These der SPD | |
| lautet: Die gelingt nur, wenn Chancen und Lasten gerecht verteilt sind. Ist | |
| das der Fall? | |
| Es gibt Fortschritte. Ein Beispiel: Manuela Schwesig hat für | |
| Mecklenburg-Vorpommern verfassungsfest in Karlsruhe durchgekämpft, dass | |
| Windparkbetreiber den Anwohner*innen und Anrainerkommunen mindestens | |
| eine Beteiligung von 20 Prozent an ihrer Gesellschaft anbieten müssen. Das | |
| ist verteilungsgerecht und schafft Akzeptanz in der Bevölkerung. Andere | |
| Bundesländer können sich daran ein Beispiel nehmen. | |
| Jetzt kommt ein aber… | |
| Problematisch ist, wie wir mit manchen Regionen umgehen, die von der | |
| Energiewende direkt betroffen sind. Ich war zuletzt viel in der Lausitz | |
| unterwegs, wo noch Braunkohle gefördert und verstromt wird. Was ich | |
| mitgenommen habe ist: In solchen Strukturwandel-Regionen braucht es vor | |
| allem eines – Verlässlichkeit, nicht hü oder hott. | |
| Das erleben viele dort gerade ganz anders. Erst wurde der Kohleausstieg für | |
| 2038 festgelegt. Kaum war die Tinte trocken, gab es die Debatte um einen | |
| früheren Ausstieg. Dann beginnt Putins Krieg – und jetzt betteln wir die | |
| Beschäftigten dort an, die wir gerade mit Volldampf in die Transformation | |
| geschickt haben, ihren Kraftwerksblock wieder anzuschmeißen, um damit die | |
| akute Energiekrise zu bewältigen. Bei dieser launischen Sprunghaftigkeit | |
| sagen dort manche: Wenn ihr uns so zum Spielball macht, könnt ihr eure | |
| Transformation alleine machen. Solche Alarmsignale sollten wir wahrnehmen. | |
| Und nicht versuchen, vor 2038 aus der Kohle auszusteigen? | |
| Es gibt klar festgelegte Stichtage und qualitative Kriterien, anhand derer | |
| der schlussendliche Zeitplan entschieden wird. Statt alles daran zu setzen, | |
| diese Kriterien zu erfüllen, führen manche eine Wohlfühl-Diskussion, in der | |
| sie sich mit Jahreszahlen gegenseitig unterbieten. Das ist | |
| Politik-Simulation. | |
| Beim SPD Debattenkonvent steht der klimaneutrale Umbau im Fokus. Im ersten | |
| Halbjahr 2022 wurden nur 350 neue Windanlagen in Deutschland genehmigt. Wo | |
| bleibt da der Doppel-Wumms? | |
| Der Bund baut die Anlagen ja nicht selber. Die Ansage war immer: Die | |
| Regierung schafft schnell die nötigen Gesetze für mehr Tempo beim Ausbau. | |
| Deshalb können Bundesländer künftig nicht mehr mit eigenen Knebel-Regeln | |
| den Ausbau von Windanlagen verhindern und müssen zwei Prozent der Fläche | |
| für Erneuerbare ausweisen. Das wird auch die skandalöse | |
| Windenergie-Blockade von Herrn Söder in Bayern lösen. Aber machen wir uns | |
| nichts vor: ein Land wie Bayern, das noch immer voll von Landespolitikern | |
| ist, die den Ausbau regenerative Infrastruktur vor Ort verhindern, wird es | |
| schwer haben, irgendetwas zu entfesseln. Hier geht es auch um eine | |
| Mentalitätsfrage. | |
| Die SPD hat selbst lange an alten Arbeitsplätzen festgehalten und | |
| Transformation verhindert… | |
| Erfolgreiche Transformation heißt nicht, dass exakt gleiche Tätigkeiten | |
| konserviert werden. Das war in der Industriegeschichte nie so. Sonst würden | |
| wir noch heute an der Spinning Jenny arbeiten. Es geht darum, gute | |
| Industriearbeitsplätze zu schaffen, die Lebensperspektiven für Mensch und | |
| Umwelt schaffen, und nicht darum, noch eine Kohlegrube zum Weltkulturerbe | |
| zu machen. | |
| Dann muss die SPD klarer sagen. | |
| Wir sind mehrheitlich keine Gesellschaft von Veränderungsverweigerern. Aber | |
| die Leute haben einen Anspruch darauf zu wissen, ob aus guten | |
| tarifgebundenen Industriearbeitsplätzen bald irgendein Hilfsjob wird. Oder | |
| ob wir neue Wertschöpfung mit neuer Industrie und guten Arbeitsplätzen | |
| entstehen lassen. Das hat nichts mit Veränderungsverweigerung zu tun, | |
| sondern mit Lebensperspektiven. | |
| Gehört zur Wahrheit nicht auch, dass wir wieder Verzicht lernen müssen? | |
| Weil die Zeiten von billiger Energie und satten Globalisierungsgewinnen | |
| vorbei sind? | |
| Einspruch! Wenn wir in der Rezession eine Zeit lang weniger haben, darf das | |
| nicht heißen, dass alle einfach anteilig weniger bekommen. Das ist | |
| ungerecht und widerspricht allem, für was die SPD steht. Wenn | |
| Industriebetriebe Deutschland wegen Blackoutgefahr, zerrissener | |
| Lieferketten oder hoher Energiepreise verlassen, hat das Klima übrigens gar | |
| nichts davon. Die produzieren dann anderswo mit lascheren Ökostandards. Die | |
| SPD verfolgt deswegen auch [7][keine wohlfeile Degrowth-Strategie.] Wir | |
| sind kein nostalgischer Arbeitskreis für Subsistenzwirtschaft. Wir stehen | |
| zu industrieller Wertschöpfung. | |
| 2,8 Prozent globales Wachstum jedes Jahr bedeutet, dass die Warenflut im | |
| Jahr 2100 rund 16 mal höher ist als aktuell. Ist das vernünftig? | |
| Das BIP ist eine Rechengröße für Waren und Dienstleistungen im Land. 5 | |
| Prozent Wachstum heißt nicht 5 Prozent mehr herkömmliche Produkte in | |
| Plastikverpackung. Es gibt Wachstum ohne rauchende Schlote und Verbrennung | |
| von Öl, Kohle und Gas. | |
| Wenn VW wächst, bedeutet das, mehr und teurere Autos zu verkaufen. | |
| Im Zeitalter der E-Mobilität bedeutet Wachstum im Automobilsektor vor | |
| allem, dass wir lernen müssen, Batterien nicht nur zu bauen, sondern auch | |
| in die Kreislaufwirtschaft zu überführen. Nur so können wir [8][den | |
| Lithiumverbrauch deckeln und enormen Raubbau an der Natur verhindern]. | |
| Wachstum heißt dann nicht, mehr Lithium zu verbrauchen, sondern aus alten | |
| Batterien neue Speichermedien zu machen. | |
| Also Wachstum für die Ewigkeit? | |
| Nicht als Fetisch. Aber gerade im Übergang ins regenerative Zeitalter | |
| brauchen wir als Industrienation Wachstum, Innovation und technologische | |
| Sprünge, um CO2-Emissionen zu senken. Das entscheidet auch, ob andere | |
| Länder beim ökologischen Umbau mitziehen. Mir hat sich ein Beispiel echt | |
| eingebrannt: das Hüttenwerk von ArcelorMittal in Bremen macht etwa die | |
| Hälfte der CO2-Emissionen des Bundeslandes Bremens aus. | |
| Wenn dort künftig Stahl mit grünem Wasserstoff produziert wird, hat Bremen | |
| mit einem Schlag seine Emissionen radikal reduziert. Das ist Fortschritt in | |
| einem Ausmaß, gegen das keine private Selbstoptimierung anstinken kann. Ja, | |
| wir müssen teilweise auch unsere Lebensweise verändern, das muss nichts | |
| Schlechtes sein. Wir sollten das jedoch nicht zum Lifestyle verklären. | |
| Weniger fliegen, weniger konsumieren, alles zweitrangig? | |
| So habe ich es nicht gesagt und nicht gemeint. Aber wir stehen unter | |
| Zeitdruck. Jeder, der schon mal in letzter Sekunde eine Arbeit abgeben | |
| musste, weiß, dass dann zählt: first things first. Das Wichtigste zuerst. | |
| Und das heißt, dort politisch einzugreifen, wo in kurzer Zeit das maximale | |
| erreicht werden kann. Deshalb geht es uns um eine glasklare Gesetzgebung | |
| für den Ausbau-Turbo bei den Erneuerbaren und darum, die | |
| Wertschöpfungsketten schnell CO2-neutral zu machen. Wir sollen und können | |
| daneben auch über Verzicht reden, aber bitte nicht auf dem Level von | |
| Waschlappen. Da ist dann die Ebene des Klamauks erreicht. | |
| Herr Kühnert, [9][vermissen Sie manchmal Twitter?] | |
| Nein, wirklich nicht. | |
| Als Ex-Bild-Chef Julian Reichelt getwittert hat „Kevin Kühnert ist ein | |
| kleingeistiger, zickiger Putschist“ haben sie spontan geantwortet „Aber | |
| immerhin bin ich nicht Julian Reichelt“ Fehlt Ihnen das nicht? | |
| So was kann man auch ohne Twitter haben. Ich bin übrigens immer noch happy, | |
| nicht Julian Reichelt zu sein. Aber ohne Twitter bin ich vor allem freier | |
| im Kopf. | |
| Wieso? | |
| Auf Twitter bekommt man unmittelbar Feedback. Nach fünf Sekunden kommt die | |
| erste Rückmeldung. Obwohl ich mir bewusstgemacht habe, dass diese schnellen | |
| Antworten von einer wenig repräsentativen Gruppe kommen, hat es zu einer | |
| Verzerrung meiner Wahrnehmung geführt. Es hat punktuell beeinflusst, ob ich | |
| Positionen vertreten habe oder nicht. Das ist in der Politik nichts Gutes | |
| und davor schütze ich mich jetzt. | |
| 4 Nov 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/politik/Politiker-die-in-Kriegsg… | |
| [2] /Streitgespraech-ueber-LNG-Terminals/!5882830 | |
| [3] https://www.tagesschau.de/inland/kabinett-zu-cosco-einstieg-103.html | |
| [4] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100074948/c… | |
| [5] /Juso-Bundeskongress/!5888628 | |
| [6] https://debattenkonvent.spd.de/ | |
| [7] https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/degrowth-eine-realistische-vision/ | |
| [8] https://www.dw.com/de/zunehmender-lithium-abbau-verst%C3%A4rkt-wassermangel… | |
| [9] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/kuehnert-twitter-101.html | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
| Stefan Reinecke | |
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