# taz.de -- Deutsch-chinesische Beziehungen: Peking will ein „Weiter so“ | |
> Chinesische Kommentatoren schätzen Kanzler Scholz als relativ | |
> pragmatischen Politiker. In den sozialen Medien wird er aber vor allem | |
> mit Häme bedacht. | |
Bild: China vermisst die alten Zeiten: Xi Jinping und Angela Merkel beim G20-Tr… | |
Peking taz | Unmittelbar vor dem [1][Kurzbesuch von Bundeskanzler Olaf | |
Scholz (SPD) in Peking] hat Chinas Regierung am Donnerstag Gemeinsamkeiten | |
und die Vorteile von Kooperation und Kontinuität in den bilateralen | |
Beziehungen betont. „Wir sind Partner, nicht Rivalen“, sagte | |
Außenamtssprecher Zhao Lijian auf die Frage nach einer Reaktion auf Scholz’ | |
Skizze seiner Chinapolitik [2][in einem FAZ-Artikel]. Darin hatte der | |
geschrieben: „Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit | |
China verändern.“ | |
Zhao betonte hingegen, China und Deutschland seien strategische Partner, | |
die jetzt auf 50-jährige erfolgreiche Beziehungen zurückblickten. Dabei | |
verbat er sich jegliche Stellungnahme der USA zum umstrittenen [3][Einstieg | |
der chinesischen Staatsreederei Cosco in ein Hamburger Hafenterminal] und | |
machte zugleich deutlich, dass Pekings [4][Umgang mit den Uiguren in | |
Xinjiang] Chinas innere Angelegenheit sei. | |
Die Volksrepublik achte und schütze stets die Menschenrechte, so der | |
Sprecher. Scholz hatte hingegen geschrieben, Chinas | |
Menschenrechtsverletzungen kritisch ansprechen zu wollen. | |
Die historische Dimension seiner Reise steht auch in Peking außer Frage. Xi | |
Jinping hat bewusst Scholz als ersten Vertreter eines G7-Staates seit der | |
Coronapandemie nach Peking eingeladen. Er kommt als erster westlicher | |
Regierungschef nur wenige Wochen nach dem 20. KP-Parteikongress, bei dem | |
sich Xi zu einer dritten Amtszeit krönen ließ. Sicher werden die | |
Staatsmedien den Besuch des Deutschen propagandistisch ausschlachten. | |
## China möchte Europa nicht völlig an die USA verlieren | |
Doch der Zeitpunkt von Scholz’ Besuch ist aus Sicht Pekings auch aus | |
anderen Gründen entscheidend: China hat derzeit aufgrund von | |
Corona-Lockdowns und Immobilienkrise massive Wirtschaftsprobleme. Zugleich | |
sind die Beziehungen mit den USA in einer bodenlosen Negativspirale, wobei | |
der gesamte Westen zunehmend den transatlantischen Schulterschluss sucht. | |
Umso wichtiger ist es für Xi, Europa nicht ganz an die USA zu verlieren. In | |
Europa ist Deutschland in den Augen der Chinesen mit Abstand der wichtigste | |
Partner. Das zeigt sich schon am bilateralen Handelsvolumen, das im Jahr | |
2021 245 Milliarden Euro betrug – rund 30 Prozent des gesamten | |
Warenaustauschs zwischen China und der EU. | |
In den Staatsmedien erhält Scholz deshalb viele Vorschusslorbeeren. Sein | |
Besuch signalisiere jetzt für die bilateralen Beziehungen einen | |
„Aufschwung“, schreibt etwa das Parteiblatt China Daily. In der | |
nationalistischen Global Times hingegen wird zugleich gewarnt, der Kanzler | |
müsse sich „auf pragmatische Zusammenarbeit konzentrieren, nicht auf | |
Geopolitik“. Dann sei es „denkbar, dass der Pragmatismus deutscher | |
Unternehmen auf dem chinesischen Markt belohnt“ werde. | |
Man wünscht sich in China also ein „Weiter so“ der Ära Merkel. Die frühe… | |
Kanzlerin hatte zwar auch immer wieder kritische Punkte angesprochen. Doch | |
im Zentrum standen stets wirtschaftliche Interessen. Dass nun Scholz in | |
Merkels Fußstapfen tritt, dürfte sich als Wunschdenken der chinesischen | |
Führung herausstellen. | |
## Scholz solle China als größten Handelspartner halten | |
Doch dass der Hanseate trotz großer Kritik zu Hause nach China reise, | |
nehmen Kommentatoren als begrüßenswerte „Überwindung der US-Einmischung“ | |
wahr. So schreibt Bao Ming, ein Ex-Militärgeneral, in seinem Blog, dass | |
zwischen China und Deutschland – im Gegensatz zu den USA – zumindest noch | |
die Hoffnung bestehe, „die wirtschaftliche und handelspolitische | |
Zusammenarbeit weiter auszubauen“. Überhaupt sei für Scholz die beste | |
Option, „China als größten Handelspartner zu halten“. | |
Doch die Eigenwahrnehmung vieler chinesischer Publizisten täuscht. Von | |
Wirtschaftsbeziehungen hat zuletzt überproportional China profitiert. | |
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt der Volksrepublik haben Chinas Einfuhren | |
aus Deutschland schon 2004 ihren Höhepunkt erreicht und nehmen seither | |
kontinuierlich ab. | |
Auch in absoluten Zahlen ist seit einer Dekade eine Stagnation zu | |
beobachten, zuletzt gar ein deutlicher Abwärtstrend. Chinas Exporte nach | |
Deutschland sind hingegen immer weiter gestiegen. Allein im ersten Halbjahr | |
betrug Chinas Handelsüberschuss gegenüber der Bundesrepublik knapp 41 | |
Milliarden Euro. | |
## Häme: Scholz hole Heizdecken für sein frierendes Volk | |
Auf der Online-Plattform Weibo machen sich Chinesen derzeit vor allem | |
lustig über die Wirtschaftsprobleme der Deutschen. Chinesen mokieren sich | |
schadenfroh über die massive Inflation und die rekordverdächtigen | |
Energiepreise. | |
In diesem Licht wird auch der Kanzlerbesuch betrachtet: Scholz käme | |
angedackelt, um „ein paar Heizdecken“ für sein frierendes Volk zu holen | |
3 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Kanzler-Olaf-Scholz-reist-nach-Peking/!5888985 | |
[2] /Chinareise-des-Bundeskanzlers/!5889144 | |
[3] /Konzern-aus-China-im-Hamburger-Hafen/!5888458 | |
[4] /Erklaerung-von-50-UN-Staaten/!5891649 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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