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# taz.de -- Belarus im Krieg gegen die Ukraine: Lukaschenkos verdeckte Mobilmac…
> Putins engster Partner hilft im russischen Krieg gegen die Ukraine – und
> rekrutiert vor allem treue Gefolgsleute, um seine Gegner waffenlos zu
> halten.
Bild: Bewohner inspizieren eine Ausstellung von Armeefahrzeugen zum Minsker Sta…
Minsk taz | In Minsk herrscht Altweibersommer: blauer Himmel, eine
strahlende Sonne, gelbe Blätter und saftige Äpfel. Manche Pflanzen haben
sich dazu entschlossen, ein zweites Mal zu blühen. Auf dem Markt werden die
Geschenke des Waldes verkauft – Pilze und Preiselbeeren. Doch über die
Köpfe der Menschen fliegt ein Kampfflugzeug hinweg.
In Belarus hat die Ankunft der ersten Angehörigen russischer
Luftstreitkräfte als Teil einer [1][gemeinsamen regionalen Truppe]
begonnen. Diese werde in Belarus ausschließlich zur Verstärkung der
Verteidigung der Grenzen des Unionsstaates eingesetzt, versicherte ein
Sprecher des Verteidigungsministeriums. Aufgrund der angespannten Lage um
Belarus sei „die Notwendigkeit gegeben, eine Reihe zusätzlicher
strategischer Eindämmungsmaßnahmen zu ergreifen“, sagte er.
Tatsächlich hat der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko die
Entscheidung getroffen, eine [2][verdeckte Mobilmachung] durchzuführen –
ohne dies öffentlich zu verkünden. Die Leiter der Betriebe wurden
angewiesen, Listen von Wehrpflichtigen zusammenzustellen. Das bedeutet,
dass im Falle einer Mobilisierung die Einberufungsbescheide direkt am
Arbeitsplatz verteilt werden können.
Bisher ist die Rede nur von kurzfristigen Trainingslagern – angeblich, um
die Kampfbereitschaft zu testen. Interessant ist, dass die Menschen auf dem
Land, also die ergebensten Wähler von Lukaschenko, die ersten sein werden,
die einberufen werden sollen.
Offensichtlich befürchtet der Diktator, seine Waffen unsicheren Kantonisten
in die Hand zu geben. Die könnten schließlich in die falsche Richtung
zielen.
## Waffen für rund 1.500 Mitarbeiter
Um die „Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Ordnung und des Schutzes des
Landes“ zu erfüllen, hat Lukaschenko dieser Tage Waffen an etwa 1.500
Mitarbeiter des Ministeriums für Katastrophenschutz ausgegeben. Bei Bedarf
könnten sie damit Proteste niederschlagen und die Armee unterstützen. Wenn
man bedenkt, dass etwa 13.000 Personen in diesen Strukturen arbeiten, liegt
der Wert des Vertrauens in das Personal bei nur 13 Prozent.
Der regulären Armee von Belarus gehören insgesamt 45.000 Soldaten an. Die
meisten haben noch nie an Kämpfen teilgenommen – ganz anders als bei dem
gewaltsamen Vorgehen gegen unbewaffnete Demonstrant*innen im Jahr 2020.
Derzeit wird in den staatlichen Medien nahezu ununterbrochen über
angebliche [3][Nato-Panzer] berichtet, die an der Grenze zu Belarus
stünden. Doch Umfragen unter Belaruss*innen besagen, dass die
Bereitschaft, für die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu
sterben, gegen Null tendiert. „Die Leute sind doch nicht blöd“, sagt ein
Verkäufer auf dem Markt, der auf Kundschaft für seine Kartoffeln wartet.
Ein Spaziergang über den Basar ist aufschlussreich. Denn das wahre Leben
spielt sich hier ab und nicht in den bravourösen Reden der Propagandisten.
Die Anzahl der Stände nimmt stetig ab. Einige Produkte, die bisher aus dem
Ausland importiert wurden, sind vollständig verschwunden. Manche
Verkäufer*innen sagen ganz ohne Umschweife: „Greifen Sie heute zu. Ab
morgen erhöht der Hersteller den Preis. Wir verkaufen jetzt die letzten
Chargen, werden diese Produkte dann aber aus dem Sortiment nehmen.“
Vor Kurzem waren in einem Billig-Supermarkt Konserven im Angebot. Als Preis
waren 2,69 belarussische Rubel – umgerechnet 1,09 Euro – ausgewiesen. An
der Kasse kostete die Dose dann plötzlich 2,99 Rubel. Die Mitarbeiterin
erklärte, die 2,69 seien der Preis vom Vortag, man habe noch keine Zeit
gehabt, das zu ändern. Gemäß des Gesetzes über die Rechte von Verbrauchern
müsste die Dose zum alten Preis verkauft werden. Mittlerweile ist das
Geschäft geschlossen. „Zu vermieten“ steht auf einem Schild im Fenster.
In der ersten Oktoberwoche traf sich Lukaschenko mit Wirtschaftsexperten
aus der Regierung. Jegliche Preiserhöhungen wurden verboten – mit Ausnahme
von Einzelentscheidungen des Ministers oder des Chefs der
Gebietsverwaltung. Bei Zuwiderhandlungen drohen Strafverfahren und
Haftstrafen. Die ersten zehn Strafverfahren wurden bereits nach wenigen
Tagen eingeleitet. Seit Neuestem gibt es eine Vorschrift, wonach es
belarussischen Geschäften verboten ist, frische, gekühlte oder gefrorene
Hühner zu verkaufen, die sie selbst zerlegt haben.
## Repressionen gegen Oppositionelle gehen weiter
Unterdessen geht die Repression gegen belarussische Oppositionelle weiter.
An Montag ergingen die Urteile gegen 12 Vertreter*innen der so
genannten Gruppe Awtuchowitsch. Die Anklagepunkte: Sturz der belarussischen
Regierung mit Hilfe der ukrainischen Geheimdienste, Planung und
Durchführung terroristischer Anschläge sowie der Import von Waffen aus der
Ukraine.
Der vermeintliche Anführer Nikolai Awtuchowitsch wurde zu 25 Jahren Haft
und einer Geldstrafe von umgerechnet 13.000 Euro verurteilt. Er befand sich
23 Tage im Hungerstreik und hat 20 Kilogramm Gewicht verloren. Uladzimer
Gundar, der keine Beine hat, wurden in der Haft Prothese und Krücken
weggenommen. Er wurde zu 18 Jahren Haft und einer Geldstrafe von mehr als
10.000 Euro verurteilt. Das Verdikt gegen die krebskranke Rentnerin Galina
Derbysch lautete 20 Jahre Haft und umgerechnet 9.000 Euro Geldstrafe.
Aus dem Russischen von Barbara Oertel
19 Oct 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Janka Belarus
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