# taz.de -- Wohlfahrtssprecher über Arbeitsmigranten: „Sie sollten ein Zuhau… | |
> Mit einem speziellen Wohnangebot will Hamburg Arbeitsmigranten vor | |
> Verelendung schützen. Wohlfahrtssprecher Jens Stappenbeck erklärt die | |
> Idee. | |
Bild: Lieber auf der Straße als in der Notunterkunft: Obdachlose im November 2… | |
taz: Herr Stappenbeck, Hamburg eröffnet gerade sein [1][Winternotprogramm] | |
für Obdachlose. Ist das das richtige Angebot? | |
Jens Stappenbeck: Es ist erst mal ein wichtiges Angebot, weil es eben eine | |
große Zahl von obdachlosen Menschen in Hamburg gibt, die gerade in der | |
Winterzeit, wenn es bitterkalt wird, ein Dach über dem Kopf brauchen. | |
Aber die Menschen müssen dort tagsüber raus. | |
Das finde ich Unfug. Uns erschließt sich nicht, warum man diese Menschen am | |
Tag auf die Straße setzt und sie nicht einfach in der Unterkunft bleiben. | |
Das halten wir für nicht zielführend und kritisieren das Jahr für Jahr. | |
Verstehen Sie, warum Hamburgs Sozialbehörde darauf beharrt? | |
Es wird ins Feld geführt, dass saubergemacht werden muss. Und dass die | |
Menschen in die Beratungsstellen gehen sollen. Sie sollen gefordert werden. | |
Dazu sage ich, putzen kann man im Hotel ja auch, wenn die Gäste den ganzen | |
Tag bleiben. Und auch Beratungsangebote ließen sich direkt in den | |
Unterkünften selbst ausweiten. Vor allem, wenn man weiß, dass es teils | |
recht große Unterkünfte mit 300, 400 Personen sind. | |
Die Größe ist ein weiterer Kritikpunkt? | |
Ja. Wir sehen natürlich die Wohnungsnot in dieser Stadt. Die Sozialbehörde | |
bemüht sich durchaus, genug Unterkünfte zu schaffen. Nichtsdestotrotz ist | |
es wichtig, kleinere Einheiten zu schaffen. | |
Nun plant die Stadt eine Pension für arbeitssuchende Zugewanderte. Die Idee | |
dafür kommt von Ihnen, also der [2][Arbeitsgemeinschaft der Freien | |
Wohlfahrtspflege]? | |
Stimmt. Wir meinen, dass so eine Unterkunft notwendig ist und haben dazu | |
vor einiger Zeit ein Papier verfasst. Wir haben hier Arbeitsmigration von | |
Menschen aus EU-Ländern, für die muss es erst mal ein bezahlbares, | |
befristetes Wohnangebot und Beratung geben. Denn haben diese Menschen kein | |
Obdach, führt das schnell in die Verelendung. | |
Sind heutige Obdachlose ehemalige Arbeitsmigranten? | |
Sagen wir es mal so: Es gibt eine Korrelation. | |
Könnten die Menschen in der Pension tagsüber bleiben? | |
Das stellen wir uns so vor. Sie sollten also dort übergangsweise ein | |
Zuhause haben. Das haben sie nur, wenn da auch jederzeit rein- und | |
rausgehen können. | |
Sie sagen befristet. Wie lange denn? | |
Wir wollten das befristen, weil es dort nur ein Start sein kann. Es ist | |
wichtig, dass die Menschen, die herkommen, um zu arbeiten, hier auch eine | |
Wohnung finden und ein menschenwürdiges Leben führen können. Das große | |
Problem ist die Wohnungsnot. Hamburg macht sich hier gerade auf den | |
richtigen Weg und hat beschlossen, dass pro Jahr 1.000 neue Wohnungen mit | |
Sozialbindung gebaut werden, [3][die für 100 Jahre gilt]. Das ist der | |
richtige Schritt. Es dauert nur, bis die Wohnungen erstellt sind. | |
Wieso fordern Sie nur 40 Plätze für die Pension? So schrieb es das | |
[4][Obdachlosenmagazin Hinz & Kunzt]. | |
Diese kleine Zahl ist ein pragmatischer Ansatz, um zu beginnen. Bei Bedarf | |
sollte ein stetiger Ausbau erfolgen. Diese Pension soll ja nur eine | |
Überbrückung sein, um die Menschen vor der Obdachlosigkeit zu bewahren. | |
Unser Ziel ist nicht, eine Arbeitnehmerpension nach der anderen aufzubauen, | |
sondern dass genug Wohnraum für alle Menschen zur Verfügung steht. | |
Aber was sagen Sie dazu, dass die Sozialbehörde mit noch weniger Plätzen | |
plant? Ist diese Pension nur ein Tropfen auf den heißen Stein? | |
Na, auch das wäre immerhin ein Anfang, den man ausbauen kann. | |
Könnte es Unmut geben? Dass Obdachlose, die nicht zu dieser Gruppe gehören, | |
sagen: Sie wollen auch in die Pension? | |
Das ist vorstellbar. Deshalb brauchen wir eben eine Wohnungspolitik, die | |
dazu führt, dass wir diese Situation insgesamt in den Griff bekommen. Denn | |
die Sozialwohnungen werden ja zurzeit von Jahr zu Jahr weniger und nicht | |
mehr, weil die Bindungen auslaufen. | |
Gibt es kurzfristige Dinge, die Hamburg jetzt für Obdachlose verbessern | |
kann? | |
Mit [5][dezentralen Unterbringungsmöglichkeiten], zum Beispiel wie den | |
Wohncontainern, die von Kirchengemeinden und Hochschulen betreut werden. | |
Leider sind es in diesem Jahr nur 89 Plätze, weniger als früher, weil die | |
ehrenamtlichen Kräfte, die wir dafür brauchen, fehlen. Unser Kontingent an | |
Helfern ist mittlerweile erschöpft. Wir befinden uns ja seit einigen Jahren | |
in einer permanenten Krisensituation, das ist auch hier zu spüren. Aber | |
gern würden wir mehr Wohncontainer anbieten. | |
Was sagen Sie zur Vision, die Obdachlosigkeit bis 2030 abzuschaffen? | |
Toll. Nur im Moment bewegen wir uns in die entgegengesetzte Richtung. Das | |
sagen auch die Zahlen. [6][Die Diakonie] schrieb gerade: Hamburg ist | |
Hauptstadt der Wohnungslosen. Es sind laut Statistik 18.915 Menschen | |
öffentlich untergebracht, weil sie keine Wohnung finden. Und laut einer | |
Zählung von 2018 leben 2.000 Menschen direkt auf der Straße. | |
Obdachlosigkeit wird aber auch immer sichtbarer in der Stadt. | |
Nichtsdestotrotz müssen wir versuchen, das bis 2030 hinzubekommen. Gut ist, | |
dass Hamburg – wenn auch nur mit 60 Plätzen – ein Housing-First-Projekt | |
gestartet hat. [7][Das ist ein Weg, Obdachlosigkeit zu minimieren]. | |
6 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hamburg.de/winternotprogramm-obdachlose/ | |
[2] https://www.agfw-hamburg.de/AGFW/Detail.aspx?id=22250&fbclid=IwAR0V-WY_… | |
[3] /Kampf-gegen-hohe-Mieten/!5888918 | |
[4] https://www.hinzundkunzt.de/pension-fuer-jobsuchende-zugewanderte-kommt-202… | |
[5] /Unterbringung-von-Obdachlosen-in-Hamburg/!5772020 | |
[6] https://www.diakonie-hamburg.de/de/rat-und-hilfe/wohnungslos/index.html | |
[7] /Die-Wochenvorschau-fuer-Berlin/!5884492 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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