# taz.de -- Unterbringung von Obdachlosen in Hamburg: Vom Hotel auf die Platte | |
> Dank Spenden konnten 130 Obdachlose im zweiten Lockdown in eigenen | |
> Zimmern wohnen. 15 fanden eine Wohnung, viele müssen aber zurück auf die | |
> Straße. | |
Bild: Unterbringung in Hotels ist eine Notlösung, für viele obdachlose Mensch… | |
HAMBURG taz | Es ist eine kleine Erfolgsgeschichte, die sich wiederholt. | |
[1][Wie im vorigen Jahr] haben Hilfsorganisationen Hotelzimmer für 130 | |
obdachlose Menschen angemietet, die dort von Dezember bis Mai Schutz vor | |
Kälte und Corona fanden. „Das Projekt zeigt: Einzelunterbringung von | |
wohnungslosen Menschen funktioniert“, sagt Diakonie-Pastor Dirk Ahrens. Die | |
Menschen hätten sich erholt und die Maßnahme sei „weder besonders kosten- | |
noch personalintensiv“. | |
Doch das Ende des Projekts, das in den Hotels „Schanzenstern“ in Altona, | |
„Bedpark“ in Stellingen sowie in drei weiteren Gasthäusern in | |
Schanzenviertel, Innenstadt und Bergedorf stattfand, ist für etliche | |
Betroffene dramatisch. „Es ist sogar schlimmer als im letzten Jahr. Die | |
Menschen haben die Zimmer als Zuhause gesehen. Sie wieder zu verlassen, | |
bedeutet einen enormen Stress“, sagt Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter | |
bei Hinz&Kunzt. Zwei Personen seien sogar kürzlich gestorben, eine Frau von | |
der Reeperbahn und ein Mann im Rollstuhl, beide wurden keine 50 Jahre alt. | |
Das Projekt habe Menschen erreicht, die vorher Platte gemacht hatten und | |
das städtische Winternotprogramm nicht annahmen, sagt Sozialarbeiter Peter | |
Ogon vom Diakonischen Werk. Es habe sich bewährt, die Menschen dezentral | |
unterzubringen, mit höchstens 25 Personen pro Hotel. Der Corona-Schutz | |
stand im Vordergrund. „Wir hatten zwei leichte Coronafälle. Die Menschen | |
konnten während der Quarantäne im Hotel sein.“ Und es gab zum Ende für alle | |
ein Impfangebot, das etwa die Hälfe annahm. | |
Immerhin 15 der 130 Menschen fanden inzwischen eine Wohnung, zehn nahmen | |
eine Arbeit auf. Man habe diesmal gut mit den Fachstellen für Wohnungslose | |
zusammengearbeitet, sagt Ogon. Zehn Betroffene bleiben im Hotel wohnen, bis | |
sie in ein neues Wohnprojekt von Hinz&Kunzt auf St. Georg einziehen. Die | |
detaillierte Auswertung erfolgt später, sagt Ogon. Doch er rechne damit, | |
dass „um die 50 Prozent wieder auf die Straße gehen“. | |
## Stadt plant kleines Housing-First-Projekt | |
Das Projekt zu verlängern, sei nicht möglich, weil die Spenden aufgebraucht | |
sind. Rund 530.000 Euro hatten unter anderem das Unternehmen Reemtsma und | |
seine Mitarbeiter, der FC St. Pauli sowie die Nordkirche und Einzelpersonen | |
gespendet. Der Großteil wurde für die Zimmermiete von etwa 30 Euro pro | |
Nacht verbraucht, rund 40.000 Euro für Verpflegung. | |
Nun brauchen die Hotels wieder Platz für reguläre Gäste. Auch seien | |
Hotelzimmer, wo Menschen nicht rauchen dürfen, nicht selbst kochen können, | |
eben auch nur eine Übergangslösung, wie Karrenbauer sagt. „Gebraucht werden | |
richtige Wohnungen.“ | |
Im vergangenen Jahr hatten Hinz& Kunst, Diakonie und der Träger Alimaus bei | |
ihrer ersten Bilanz erklärt, das Hotelprojekt zeige, wie förderlich | |
geschützter Wohnraum für die Stabilisierung der Menschen ist, und | |
gefordert, dass auch Hamburg wie andere Städte diesen Menschen ohne | |
Vorbedingungen Wohnraum mit abgesichertem Mietvertrag bietet – sogenanntes | |
Housing First. | |
Es ist erst eine Woche her, dass SPD und Grüne tatsächlich in der | |
Bürgerschaft so ein Housing-First-Projekt beschlossen. „Weltweit hat der | |
Housing-First-Ansatz viel Erfolg in der Obdachlosenarbeit gezeigt. Mit | |
unserem Modellprojekt wollen wir beweisen, dass Housing First auch auf dem | |
engen Wohnungmarkt in Hamburg erfolgreich umzusetzen ist“, sagte die Grüne | |
Sozialpolitikerin Mareike Engels. | |
Auch Diakonie-Pastor Ahrens sagt, er begrüße „nachdrücklich, dass nun die | |
Regierungsfraktionen mit einem Modellprojekt den Housing-First-Ansatz | |
starten“. Allerdings sind zunächst nur 30 Plätze geplant. Das seien | |
angesichts von rund 2.000 Obdachlosen „nicht so viel“, sagt Peter Ogon. | |
Karrenbauer sagt gar: „30 Plätze sind ein Tropfen auf den heißen Stein.“ | |
Das Konzept sei gut erforscht. „Ich glaube nicht, dass wir | |
wissenschaftliche Begleitung brauchen. Das Geld sollte man lieber in | |
Wohnungen stecken.“ | |
Hinzu kommt: Laut dem Antrag von Rot-Grün kann es auch mit den 30 Wohnungen | |
noch etwas dauern. So ist dort der Senat aufgefordert, bis Ende dieses | |
Jahres das Projekt auszuschreiben und Ziele zu definieren. Für Karrenbauer | |
ist das zu langsam. Denn nächsten Monat, wenn das Winterprogramm schließt, | |
würden weitere 700 Leute auf der Straße sichtbar. „Wir brauchen viele | |
Plätze und das dringend.“ | |
4 Jun 2021 | |
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[1] /Hilfe-fuer-Hamburgs-Obdachlose/!5691018 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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