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# taz.de -- Lärry Be. über ihr Leben auf der Straße: „Stadt lässt Jugendl…
> Lärry Be. lebte als Minderjährige in Hamburg auf der Straße. Sie fordert
> eine Schlafstelle für junge Menschen abseits der Unterkünfte für
> Erwachsene.
Bild: War in ihrer Jugend viel am Hamburger Hauptbahnhof: Lärry Be
taz: Lärry Be., warum braucht Hamburg eine eigene Notschlafstelle für junge
Leute?
Lärry Be.: Na, weil es einfach viel zu kalt wird, besonders hier in
Hamburg. Und viele junge Leute kommen gerade aus der Jugendhilfe und landen
auf der Straße. Die wissen nicht wohin und wie es weitergehen soll. Sie
kriegen kaum noch Hilfe.
Was hältst du von [1][Hamburgs Plan] einer Abteilung für junge Leute in der
Obdachlosenunterkunft „Pik As“?
Überhaupt nichts. Das Pik As ist zu gefährlich. Viele dort leben schon seit
20 Jahren auf der Straße. Die sind frustriert. Man kommt dort in diesen
Aufenthaltsraum und spürt, wie angespannt die Situation ist. Und es
eskaliert des Öfteren, mal auf dem Gelände, mal in den Zimmern, mal auf den
Fluren. Die haben da über 300 Plätze. Und hocken so viele Menschen, die
nicht mit ihrem Leben klarkommen, auf einem Haufen, ist der Ärger
programmiert. Und da einen jungen Menschen reinzustecken, macht dem nur
noch mehr Probleme.
Hast du das selbst erlebt?
Ja. Ich habe da früher auch geschlafen. Durfte ich eigentlich nicht, aber
ein Freund nahm mich mit. Es war kalt und ich wollte nicht unter einer
Brücke schlafen. Es war nicht schön. Es gab Mehrbettzimmer, teilweise mit
acht Betten, wo dann fremde Leute reingesteckt wurden. Die meisten besaßen
fast nichts. Ich hatte dauerhaft Angst, dass mir jemand meine Sachen klaut,
wenn ich einschlafe. Und ich hatte Angst, dass die sich nachts prügeln und
ich was abkriege. Es ist öfter passiert, dass die sich da herumschubsten.
Ich habe dann den Raum verlassen. Einige hatten Messer. Als Jugendliche
fühlte ich mich da nicht sicher. Und es war kalt.
Was brauchen junge Leute?
Einen behüteten Platz, an dem die auch jugendlich sein können. An dem sie
nicht in dieses Brutale geschmissen werden. Es wurde damals eine
Einrichtung für Flüchtlinge geschlossen, deren Bewohner man ins Pik As
steckte. Auch diese Flüchtlinge, die ja mit Sicherheit Angst in ihrem Leben
empfinden mussten, sagten: Wir möchten nicht bleiben. Wir haben Angst.
Wie oft warst du dort?
Alle paar Wochen mal wieder. Und es war immer schrecklich. Für die Frauen,
die da angemeldet sind, gab es ein Bad. Das war aber dauerhaft
abgeschlossen – die Frauen kriegten den Schlüssel dafür. Es war das einzig
saubere Bad dort. Ich musste da auf die Männertoilette. Und ich traute mich
nicht, zu duschen.
Gab es keine andere Einrichtung für junge Frauen?
Also es gibt die „Schlafstatt“ der Anlaufstelle „Kids“ am Hauptbahnhof,
aber dort musst du unter 18 sein und die haben nur drei Zimmer. Und es war
schwierig für mich als junger obdachloser Punk, der ich war, sich an solche
Sachen zu halten wie: „Du musst bis 22 Uhr hier sein und musst bis morgen
früh 9 Uhr hier raus sein und du kannst deine Sachen nicht hier lassen.“
Nicht einfach soll es auch beim Kinder- und Jugendnotdienst sein. Aber den
kannte ich gar nicht. Also man denkt sich eher: Okay, dann besetze ich
lieber ein Haus und packe da meine Sachen rein und komme und gehe wie ich
will.
Besetzen ist nicht legal.
Genau. Eine dauerhafte Notschlafstelle für junge Menschen wäre zumindest im
Winter nötig. Und ich wünsche mir, das dies ein Nachsorge-Angebot der
Jugendhilfe wird. Man kann nicht Jugendliche in eine Obdachlosenunterkunft
stecken.
Warst du auch im Winternotprogramm für Obdachlose?
Ja. Fand ich genauso schwierig. Am besten wäre, man macht eine Container
Siedlung für die Jugendlichen. Die meisten jungen Obdachlosen kennen sich
ja. Gibt man denen einen Ort, könnte das richtig cool werden.
Wie kamst du aus der Obdachlosigkeit raus?
Ich hatte Glück. Ich rief eines Tages meine Eltern an: Bitte holt mich hier
raus! Ich will in zehn Jahren nicht mehr unter der Brücke schlafen. Und
dann hat meine Mama mir geholfen, eine Therapie zu finden und mein Vater
holte mich zu sich nach NRW, wo ich wieder zur Schule ging. Na ja, es gab
noch Phasen, in denen ich draußen schlief, aber ich bekam mein Leben in
Griff.
Deine Erfahrungen liegen zehn Jahre zurück. Ist das Problem heute noch
akut?
Mein Eindruck ist, dass heute noch genauso viele junge Leute obdachlos
sind.
Was läuft da in der Jugendhilfe schief?
Die Jugendlichen sind meistens in Heimen oder Jugend-WGs. Werden die 18,
heißt es: So, du musst dir jetzt eine Wohnung suchen. Es gibt zwar
Nachsorge-Angebote, die auch bis 21 gehen. Aber die Betreuer erwähnen dies
oft nicht. Und dann musst du mit 18 alle Anträge selber stellen, bist ganz
auf dich alleine gestellt. Und hat man das vorher nicht gelernt und keine
Familienmitglieder, die helfen – dann wächst einem das über den Kopf. Du
landest in der Obdachlosigkeit, weil du die Anträge beim Amt nicht
hinkriegst. Mir hat damals in NRW die [2][Jugendhilfe] übrigens genau dabei
geholfen.
Sozialarbeiter vom „[3][Arbeitskreis Wohnraum für junge Menschen]“ fordern
die Notschlafstelle schon lange. Nun will die Stadt auch. Warum findet sich
kein Träger dafür?
So wie ich es verstehe, ist die Ausschreibung viel zu unattraktiv und
hochschwellig. Die Träger sollen erst mal Räume und Personal stellen. Das
kann kein kleiner Träger allein wuppen. Momentan ist es heiß draußen, aber
in vier Monaten ist Winter und da werden wieder haufenweise Leute draußen
frieren und erfrieren. Der geplante Anbau am Pik As ist nicht die beste
Idee, aber es gäbe dann wenigstens eine Unterkunft im Winter. Doch auch die
verzögert sich, weil es keine Bauarbeiter gibt. Wie es aussieht, wird im
Winter weder der Anbau noch die Notschlafstelle fertig sein. Ich verstehe
den Senat nicht. Die Jugendlichen, die jetzt alle nachkommen und versuchen,
ihren Weg zu finden, lässt Hamburg im Stich.
Was muss jetzt zum kommenden Winter passieren?
Na ja. Die Stadt sollte zusehen, dass sie ein paar Bauarbeiter für diesen
Pik As-Anbau findet. Auch wenn ich es unverantwortlich finde, junge
Erwachsene an diesen Ort zu stecken. Aber sie werden sonst erfrieren. Und
der Senat müsste am besten für die Notschlafstelle auch Träger-Verbünde
erlauben, damit sich mehrere zusammen bewerben.
Wo sollte die hin?
Wo junge Leute ihre Ruhe finden. Sie brauchen einen Ort, an dem sie sagen
können: „Heute Abend kann ich einfach schlafen und nicht erfrieren.“ Die
wollen alle nur leben.
22 Jul 2022
## LINKS
[1] /Junge-Wohnungslose-in-Hamburg/!5859749
[2] /Jugendhilfe/!t5012834
[3] https://xn--akwohnraumfrjungemenschen-pwc.de/
## AUTOREN
Kaija Kutter
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