# taz.de -- Ausstellung zu Mies van der Rohe: Wo die Leere dominierte | |
> Das Mies van der Rohe-Haus in Hohenschönhausen zeigt Denkmalsentwürfe | |
> seines Namensgebers: „Baubilder und Erinnerungsmuster“. | |
Bild: Blick in die Ausstellung im Mies van der Rohe Haus mit dem Denkmal für d… | |
„Nur ein kleiner Teil der Architektur gehört der Kunst an: das Grabmal und | |
das Denkmal“, befand Adolf Loos, der berühmte, ob seiner zugespitzten | |
Thesen auch umstrittene Vordenker der modernen Architektur. Von diesem | |
kleinen Teil handelt nun „Baubilder und Erinnerungsmuster“ im Haus Lemke, | |
dem letzten [1][von Ludwig Mies van der Rohe] in Deutschland realisierten | |
Bau vor seiner Emigration in die USA 1938. Heute ist die elegante, am | |
Obersee in Alt-Hohenschönhausen gelegene Villa unter dem Namen Mies van der | |
Rohe Haus als Architekturdenkmal und Ausstellungsort öffentlich zugänglich. | |
Die Ausstellung interessiert sich aber nicht für dieses erst nachträglich | |
zum Denkmal erklärte Bauwerk. Vielmehr betrachtet sie in drei Räumen drei | |
originale Denkmalsentwürfe Mies van der Rohes aus den Jahren 1910, 1926 und | |
1930. Sie stellt also seine – mit Loos gesprochen – wahre Baukunst vor. Nur | |
eines der drei Denkmäler wurde realisiert. Es hatte neun Jahre Bestand, | |
bevor es von den Nazis zerstört wurde. | |
Das Denkmal der Novemberrevolution war als zentraler Erinnerungsort an den | |
Gräbern von Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Leo Jogiches und all der | |
anderen in den Januar- und Märzkämpfen 1919 zu Tode Gebrachten auf dem | |
Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde gedacht. Dafür hatte der Architekt | |
mächtige, horizontal versetzte Backsteinquader zu einer eindrucksvollen | |
abstrakten Komposition zusammengefügt. Nur in dem darauf angebrachten | |
fünfzackigen Sowjetstern samt Fahnenmast wurde das Gedenken an die | |
ermordeten Revolutionäre deutlich. | |
## Kampf um die Wiederherstellung des Denkmals | |
Wenn auch nicht Zentrum der Ausstellung, so ist das Denkmal doch ihr | |
eigentlicher Anlass, denn in diesen, für solche Pläne widrigen Zeiten, | |
kämpft eine Lichtenberger Initiative um die Leiterin des Mies van der Rohe | |
Hauses Wita Noack für seine Wiederherstellung. Wie bei den zwei anderen | |
Entwürfen auch tritt man dem Novemberdenkmal im Großfoto gegenüber, dazu | |
kommen Fotografien, Entwurfszeichnungen, Skizzen und zeitgenössisches | |
Bildermaterial, das den Kontext verdeutlicht. | |
Das ist besonders hilfreich beim Wettbewerb für das | |
Bismarck-Nationaldenkmal bei Bingen am Rhein, an dem sich der junge Mies | |
van der Rohe 1910 befremdlicherweise beteiligte. Mit Walter Gropius und | |
[2][Hans Poelzig] waren aber auch andere Moderne unter den Teilnehmern. | |
Mies van der Rohe begriff den Wettbewerb als Gelegenheit zu erproben, wie | |
er zeitgemäß Pathos gestalten könnte. Seine Vorstellung: eine riesige | |
leere, zum Himmel offene Palasthalle, deren Sockel ein Felssporn über dem | |
Rhein bildet. Allein ein vom Bruder des Architekten, dem Bildhauer Ewald | |
Mies, gestalteter Bismarck, sitzend als Herrscher gedeutet, war als | |
Bauschmuck vorgesehen. | |
Leere dominierte auch Mies van der Rohes Entwurf für den Wettbewerb zur | |
Umgestaltung der Neuen Wache als Ehrenmal der Toten des Ersten Weltkriegs. | |
Sein auf den zweiten Platz gewähltes Konzept sah vor, Schinkels Neue Wache | |
zu entkernen, um einen einzigen quadratischen Raum zu schaffen, der allein | |
mit dem grünen Marmor des Barcelona Pavillons ausgekleidet werden sollte. | |
Dazu kam ein niedriger Granitquader mit der Inschrift „Den Toten“ in der | |
Mitte des Raums. | |
Dass der einflussreiche Kritiker Adolf Behne sich über den „hausfraulichen | |
Vorschlag“ mokierte, die Neue Wache zum Ort des Gedenkens zu machen, rührt | |
daher – wie die Ausstellung, vor allem aber die Begleitpublikation | |
verdienstvollerweise deutlich machen -, dass die Idee von der | |
Kunsthistorikerin Frida Schottmüller stammte, die als erster weiblicher | |
Kurator unter Wilhelm von Bode am Kaiser-Friedrich-Museum arbeitete. | |
2 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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