# taz.de -- Deutscher Buchpreis für Kim de l'Horizon: Queere Sichtbarkeit ist … | |
> Mit Kim de l'Horizon steht eine queere Person im Spotlight, die | |
> kulturelles Kapital hat. Das schützt gegen manchen Angriff – aber nicht | |
> gegen jeden. | |
Bild: Kim de l'Horizon am Mittwoch auf der Frankfurter Buchmesse | |
Ein Literaturpreis sollte keine Gesellschaftspolitik sein. Jedenfalls nicht | |
allein und in erster Linie. Zu meiner Erleichterung haben die Berichte über | |
den [1][Deutschen Buchpreis für Kim de l’Horizons „Blutbuch“] auch nicht | |
behauptet, dass es bloß das ist: Gesellschaftspolitik. Nein, das mediale | |
Echo hob überwiegend darauf ab, dass hier jemand schlicht | |
Qualitätsliteratur abgeliefert hat. Dass ein wegweisendes Werk prämiert | |
worden ist, das eben übrigens von einer Person mit nicht-binärem Geschlecht | |
verfasst wurde. Wunderbar. | |
Trotzdem wäre es naiv, zu behaupten, dass so ein Preis nicht auch etwas | |
Gesellschaftspolitisches hat. Zunächst ist da die Sichtbarkeit. Einen | |
queeren, non-binären Menschen zu sehen, der durch das auffällt, was er | |
macht und leistet anstatt durch bloßes Dasein, ist ein unschätzbarer | |
Gewinn, nicht nur für trans und nonbinäre Menschen, die nach Vorbildern | |
lechzen, sondern auch für alle cis Menschen, die nonbinäre Identitäten | |
immer noch für ein bloßes Konzept halten. | |
Dann ist da die Sprache. Menschen und Medien, die bisher erfolgreich um | |
gegenderte Sprache herumlaviert haben, entdecken plötzlich ihre Skills im | |
pronomenfreien Satzbau. | |
Dass das alles so gut läuft, hat sicher mit dem Renommee der Literatur zu | |
tun. Der Habitus der Hochkultur zwingt zum Respekt. Gender-nichtkonforme | |
Personen, die in popkulturellen Bereichen zu Ruhm kamen, wurden teils | |
unterirdisch behandelt. | |
## Gegen alltägliche Gewalt hilft auch kein Preis | |
Allerdings schützen diese zeremoniellen Manieren auch eine Person wie Kim | |
de l’Horizon nicht vor jeder Form der Transphobie. Im Netz untersuchen und | |
sezieren die Verfechter*innen der Zweigeschlechter-Norm emsig Kim de | |
l’Horizons Äußeres und sprühen dabei Hass und Paranoia. Der Kölner | |
Stadtanzeiger berichtete am Donnerstag, dass Kim de l'Horizons Verlag | |
DuMont für de l'Horizon nach queerfeindlichen Bedrohungen einen | |
Sicherheitsdienst engagiert habe. [2][In einem Text für die Neue Zürcher | |
Zeitung ] vom Mittwoch berichtet Kim de l’Horizon zudem von alltäglichen | |
Gewalterlebnissen, sprachlich und körperlich. | |
Sichtbarkeit ist ambivalent. Hier steht eine Person im Spotlight, die | |
kulturelles Kapital hat und sich schützen kann. Mittels einer Kunstfigur | |
(Kim de l’Horizon gibt das Jahr 2666 als Geburtsjahr an und als Geburtsort | |
den Planet Gethen aus dem Werk der Science-Fiction-Autorin [3][Ursula | |
LeGuin]); mittels der Fähigkeit, Sprache entwaffnend einzusetzen; und mit | |
einer fast Christus-gleichen Weigerung, den Täter*innen Macht über sich | |
zuzugestehen. „Ich vergebe euch“, schreibt Kim de l’Horizon in der NZZ. | |
Solche Stärke ist inspirierend. Bloß fällt sie Menschen nicht in den Schoß. | |
Für die meisten queeren, trans und nicht-binären Personen, die sichtbar in | |
eine neue Sphäre der Gesellschaft vordringen, sei es die Schule, der | |
Arbeitsplatz oder das Reich der schönen Künste, ist das ein einsames und | |
verunsicherndes Gefühl. Deswegen dürfen sie nicht alleine bleiben. | |
Repräsentation durch eine einzige Person kann immer nur der Anfang sein. | |
Sie darf nicht als Anzeichen gewertet werden, dass alles in Ordnung ist. | |
21 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Deutscher-Buchpreis-fuer-Kim-de-lHorizon/!5889249 | |
[2] https://www.nzz.ch/feuilleton/kim-de-lhorizon-fragt-ueli-maurer-warum-bekae… | |
[3] /Autorin-Ursula-Le-Guin/!5751085 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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