| # taz.de -- Coming-Out von Netflix-Star Kit Connor: Verfehlte „Queerbaiting�… | |
| > Schauspieler Kit Connor hat mit einem vergifteten Coming-Out seine | |
| > Bisexualität bekannt gegeben. Dazu war er von Fans und Medien gedrängt | |
| > worden. | |
| Bild: Der Schauspieler Kit Connor bei der Präsentation des Films „The Gray M… | |
| Als ich vom Dorf in die Großstadt zog, war es vorbei mit dem „Gaydar“. | |
| Plötzlich war, wer meiner Meinung nach „schwul aussah“ (sprich: bunte | |
| Socken trug), gar nicht mehr unbedingt schwul. | |
| Sekunde, kennen Sie das überhaupt noch: „Gaydar“? Die angebliche Superkraft | |
| von Homos, einander zu erkennen? Ziemlich 2000er. Damals hat man aus | |
| Oberflächlichkeiten großzügig auf die Person geschlossen. Heute haben wir | |
| kapiert: Kleidung, Auftreten, Gestik, Körperhaltung, das ist bloß | |
| presentation. Inszenierung. Macht Spaß, hat nichts zu bedeuten. | |
| Aber ich als 2000er-Dorfkind-Babygay wollte wissen, wer wer ist. Von | |
| Heteros mit Haarspangen und Hüftschwung fühlte ich mich verarscht. Denn, um | |
| ehrlich zu sein: Ich hatte es satt, mich in die Falschen zu verlieben. | |
| Zehn Jahre später gab es für dieses Verarschtwerden ein Wort: | |
| „Queerbaiting“. Übersetzt: Ködern mit queerer Oberfläche, ohne wahrhafti… | |
| queere Substanz. Eigentlich sollte das Wort die Medienindustrie | |
| kritisieren. Die entdeckte in den 2010ern nämlich die LGBTIQ und war sich | |
| nicht zu blöd, uns mit bravouröser Geste Häppchen hinzuwerfen. Die | |
| „[1][erste schwule Disney-Figur“] im „Schöne und das Biest“-Spielfilm?… | |
| 0,2 Sekunden lang zu sehen. Wir fühlten uns verarscht. Gequeerbaitet. Zu | |
| Recht. | |
| ## Was ändert's, ob sie selber queer sind? | |
| Dann aber haben Leute den Begriff auf einzelne Personen angewendet. Auf | |
| Promis meist, die queere Ästhetik zu einem Teil ihrer presentation machten, | |
| ihrer Inszenierung, obwohl von ihnen kein Outing verzeichnet war. Lady Gaga | |
| etwa, Billie Eilish oder [2][Harry Stiles]. Mal mehr und mal weniger | |
| explizit fordern Fans seither von diesen Personen: Jetzt bitte entweder | |
| outen – oder die queere Performance unterlassen! Ich habe nie verstanden, | |
| was das Pro-blem ist. Weder Lady Gaga noch Billie Eilish noch Harry Stiles | |
| haben uns je enttäuscht. Ihre Inszenierung ist queer, und zwar konsistent. | |
| Was ändert's, ob sie's selber sind? Aber gut, wir haben Angst, uns in die | |
| Falschen zu verlieben. | |
| Das fiel mir ein, als der britische Schauspieler Kit Connor diese Woche mit | |
| einem vergifteten Coming-Out seine Bisexualität bekanntgab. „Glückwunsch | |
| dazu, einen 18-Jährigen zu zwingen, sich zu outen“, schrieb er auf Twitter. | |
| Connor spielt in der [3][Netflix-Serie „Heartstopper“] einen bisexuellen | |
| Jungsschwarm. Er hat mehrfach darum gebeten, seine Sexualität privat und im | |
| eigenen Tempo herausfinden zu dürfen. Trotzdem wird er seit Monaten von | |
| Fans und Medien bedrängt, sich zu outen – weil er sonst „Queerbaiting“ | |
| betreibe. Dabei lässt weder die Serie noch Connors Schauspiel darin | |
| irgendetwas zu Wünschen übrig. Vom „Ködern“ ist diese liebevolle | |
| bi-schwul-trans-lesbische Geschichte so weit entfernt wie mein Dorf von der | |
| Großstadt. | |
| Offenbar hat uns das nicht gereicht. Auf der Suche nach „wahrhaftiger | |
| queerer Substanz“ wurde jemand zu einem Outing gedrängt. Und mich | |
| beschleicht das Gefühl, dass wir uns damit am Ende selber verarscht haben. | |
| 3 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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