# taz.de -- Unterwegs mit einem Kohlenfahrer: Die Kohle wird knapp | |
> In der Energiekrise erhofft sich manch einer, mit der Gasalternative | |
> Kohle günstiger durch den Winter zu kommen. Doch es wird nicht für alle | |
> reichen. | |
Bild: Kohle ist vermeintlich günstiger als Gas, aber so viel gibt es davon nic… | |
Krachend setzt der Kohlensack auf dem Erdgeschossboden auf. Es ist kurz | |
nach 7 Uhr am Morgen. Im Viktoriaquartier in Berlin-Kreuzberg rauschen im | |
Sekundentakt Autos vorbei, im Stadtteil erwacht das Leben. Andreas Schröder | |
zieht säckeweise Kohlen von der Ladefläche eines Transporters. Schröder ist | |
59 Jahre alt, ein hagerer Mann, kein aufgepumpter Muskelprotz. Doch die | |
Plackerei scheint ihn nicht mal wirklich ins Schwitzen zu bringen. Seine | |
Hände sind schwarz. | |
Sack um Sack trägt Schröder ins Büro des Kunden, wo er jeden einzelnen | |
zunächst auf den Boden donnert, bevor er ihn in den Keller hinunterreicht. | |
Fünfzig Kilo wiegt ein solcher Jutesack, vollgestopft mit losen Kohlen. Der | |
Kunde hat eine Tonne bestellt. Also muss Schröder zwanzig Mal einen Sack | |
schultern, der breiter ist als sein eigener Rücken. Dafür lehnt er sich an | |
die Ladefläche des Transporters und geht leicht in die Knie. Über die | |
Schulter greift die linke Hand mittig den Sacksaum, dann stößt Schröder | |
sich vom Auto ab und läuft los, nach vorne gebeugt und leicht hin und her | |
schwankend. Schröder trägt ein Rückenleder über seinem grauen Pulli, das | |
von hinten wie ein Stück mittelalterliche Rüstung aussieht, und darunter | |
einen orthopädischen Hüftschoner. | |
Im Haus wuchtet er den zentnerschweren Sack auf eine schmale Holzstiege, | |
die durch eine Bodenluke in den Keller führt, reicht ihn an seinen Kunden | |
weiter. Von unten nimmt dieser den Sack entgegen und kippt die losen Kohlen | |
seitlich in einen Holzverschlag. Schwarzer Staub wirbelt durch die Luft des | |
alten Kellergemäuers, er kratzt im Hals und legt sich auf die Stimme. Nach | |
wenigen Minuten ist der Kunde völlig nassgeschwitzt. „Alle, die noch ’nen | |
Kachelofen haben, machen sich den Keller voll, wa?“, ruft er Schröder zu. | |
Der Kohlenfahrer antwortet: „Ja – wenn sie noch was kriegen.“ | |
Die Nachfrage nach Kohle boomt derzeit. „Das hätte ich auch nicht gedacht, | |
dass das noch mal so kommt“, sagt Schröder. Als Kohlenfahrer übt er einen | |
Beruf aus, der heutzutage wie aus der Zeit gefallen wirkt. Doch befeuert | |
durch die explodierenden Kosten für Gas und Strom steigen viele Menschen, | |
die Kamine oder Kachelöfen in der Wohnung stehen haben, auf den günstigeren | |
Festbrennstoff um. Kohle glüht länger als Holz und hält deshalb länger | |
warm, ohne dass man nachlegen muss. Ein weiterer Vorteil: Braunkohle wird | |
in Deutschland gefördert. Ihr Nachschub ist, im Gegensatz zu russischem | |
Gas, nicht vom Wohlwollen eines autokratischen Regimes abhängig. Und | |
finanziert es auch nicht. | |
## Kohleausliefern seit über 20 Jahren | |
Kohlenlieferant Schröder hat also alle Hände voll zu tun – im wahrsten | |
Sinne des Wortes. Seine Berufswahl hat Schröder trotz allem nie bereut. | |
„Wie gesagt, Spaß hat’s immer gemacht“, erklärt er mit breitem Berliner | |
Akzent, während er zu leisem Schlagergedudel aus dem Autoradio die nächste | |
Lieferadresse ansteuert. Seit seinem 16. Lebensjahr arbeite er im | |
Brennstoffhandel, erzählt Schröder, er sei zwischenzeitlich selbstständig | |
gewesen und seit nunmehr 20 Jahren bei der Firma Hans Engelke Energie | |
angestellt. | |
In einem kleinen Büro auf dem Tempelhofer Betriebsgelände sitzt Seniorchef | |
Peter Engelke am Schreibtisch. Vor hundert Jahren gründete sein Vater das | |
Unternehmen, seit 1961 ist Peter Engelke mit an Bord. Inzwischen ist er 80 | |
Jahre alt und führt die Geschäfte gemeinsam mit seinem Sohn Frithjof. Sie | |
verkaufen Strom und Brennstoffe wie Holz, Gas, Benzin oder Öl. Und | |
natürlich: Kohlen. | |
So hoch wie in diesem Sommer sei die Nachfrage seit Jahrzehnten nicht | |
gewesen, erklärt der Seniorchef. Wie zum Beweis klingelt ständig das | |
Telefon. Die Nachfrage nach Kohle, schätzt die Firma, dürfte um 30 bis 50 | |
Prozent gestiegen sein. „Den Kunden gegenüber sind wir in Erklärungsnot“, | |
sagt Engelke. | |
Braunkohlebriketts werde es auf absehbare Zeit gar nicht mehr geben, | |
weshalb man schon jetzt vor allem lose Kohlen, sogenannte Halbsteine, | |
ausliefere. Die Waren reichten noch bis Ende Oktober, doch damit werde man | |
nicht mal alle Bestandskund:innen versorgen können, führt der | |
Geschäftsführer aus. „Und den Gasverbrauchern, die noch einen Kachelofen | |
haben, denen geben wir ja nichts!“ Denn es gibt nach wie vor Wohnungen, die | |
ausschließlich mit Öfen beheizt werden können. Solche Kund:innen würden | |
derzeit bevorzugt, sagt Engelke. | |
Wie viele Menschen Kohlen verfeuern müssen, um im Winter nicht zu frieren, | |
ist unklar. Nach Angaben der Berliner Schornsteinfeger-Innung gab es im | |
vergangenen Jahr in der Stadt insgesamt etwa 148.000 Einzelfeuerungsanlagen | |
für feste Brennstoffe. Doch dazu zählen auch moderne Kamine für die | |
Holzverbrennung, die in vielen Wohnzimmern für wohlige Zusatzwärme sorgen. | |
Die Zahl der Haushalte, die auf die alten Kohleöfen angewiesen sind, weil | |
sie nur so heizen können, wird nicht gesondert erhoben. Schätzungen zufolge | |
handelt es sich in Berlin um mehrere tausend Wohnungen. | |
## Ohne die Kohle hätte Vicky frieren müssen | |
In einer von ihnen lebt Vicky Schmitt mit ihrem Partner. Die Frau im | |
Rentenalter heißt eigentlich anders, doch mit ihrem richtigen Namen möchte | |
sie nicht in der Zeitung auftauchen. Sie sitzt in ihrem Wohnzimmer im | |
Norden des Berliner Stadtteils Neukölln und sagt: „Ich glaube, wir haben | |
unglaublich Schwein gehabt.“ Denn seit Kurzem lagern in ihrem Keller 1.250 | |
Kilogramm lose Kohle. Ein großer schwarzer Haufen vor nacktem Gemäuer, | |
daneben aufgetürmtes Feuerholz und einige Brikettbündel, die noch übrig | |
sind vom vergangenen Winter. Kosten der neuen Bestellung: 525 Euro. Im | |
vergangenen Jahr musste Schmitt gut 100 Euro weniger berappen. | |
Seit 25 Jahren wohnt sie in der unsanierten Altbauwohnung. Nie sei es ein | |
Problem gewesen, ausreichend Kohlen zu bekommen, erzählt sie. Bis zu diesem | |
Jahr. Lange wusste sie deshalb nicht, wie sie durch den Winter kommen | |
sollte. Denn für Wärme in der Wohnung sorgen zwei Kachelöfen, Relikte | |
vermeintlich vergangener Zeiten. Inzwischen hätten fast alle | |
Nachbarwohnungen in dem Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten Gebäude | |
Gasetagenheizungen, führt Schmitt aus. Nur: Mit der Modernisierung kommt | |
die Mieterhöhung. Ihre Wohnung könnte Schmitt sich dann nicht mehr leisten. | |
Über 120 Millionen Tonnen Braunkohle wurden im vergangenen Jahr in | |
Deutschland gefördert. Doch nur ein Bruchteil davon landet als Briketts in | |
den Öfen und Kaminen von Privathaushalten. Neunzig Prozent der Braunkohle | |
werden zur Stromerzeugung verbrannt, den Rest verarbeiten | |
Veredelungsbetriebe größtenteils zu Braunkohlenstaub oder Koks – also zu | |
Produkten für die Industrie. Lediglich 1 bis 2 Prozent der Fördermenge | |
kommen in die Brikettproduktion. | |
## Die Briketthersteller kommen nicht hinterher | |
Auch dort spürt man die gestiegene Nachfrage. „Unsere Vertriebskollegen | |
bekommen Anfragen nach zusätzlichen Brikettmengen“, teilt ein RWE-Sprecher | |
mit. Der Energiekonzern betreibt im Rheinischen Revier bei Köln eine von | |
zwei deutschen Brikettfabriken, hier werden Produkte mit dem Namen „Union“ | |
hergestellt. Die Produktionskapazitäten könne man nicht erhöhen, „weil sie | |
bereits ausgeschöpft waren, schon bevor der Ukrainekrieg begann“, ergänzt | |
der Sprecher. Schließlich seien hohe Gaspreise schon länger ein Thema. | |
Eine derart hohe Nachfrage, auch über den Sommer hinweg, „ist | |
außergewöhnlich und in den letzten 30 Jahren so nicht mehr vorgekommen“, | |
erklärt auch eine Sprecherin der LEAG-Gruppe. Der Konzernverbund, ein | |
Zusammenschluss der Lausitz Energie Bergbau AG und der Lausitz Energie | |
Kraftwerke AG, unterhält die andere deutsche Brikettfabrik. Sie steht im | |
Industriepark Schwarze Pumpe in der Lausitz, auf der Grenze zwischen | |
Brandenburg und Sachsen. Seit Januar ist die dortige Produktion nach | |
Angaben des Konzerns um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. | |
3.000 bis 4.000 Tonnen „Rekord“-Briketts, wie die Lausitzer Kohlen heißen, | |
liefen derzeit täglich vom Band. Allerdings reiche das nicht aus, um die | |
„extrem gestiegene und bislang nicht nachlassende Nachfrage nach | |
Braunkohlenbriketts zu decken“, wie ein Unternehmenssprecher berichtet. | |
Berlin-Kreuzberg, in der Nähe des Görlitzer Parks. Vor der zweiten | |
Lieferadresse an diesem Tag stapelt Andreas Schröder 10-Kilo-Brikettbündel | |
auf eine Sackkarre. Der Kunde hat Glück gehabt: Neben einigen Zentnern | |
Halbsteinen bekommt er noch ein paar der begehrten Briketts in den Keller | |
geliefert. Über eine ausgetretene Holztreppe lässt der Kohlenfahrer die | |
Sackkarre nach unten rutschen, Stufe für Stufe schrappt das Metall übers | |
Treppenholz. Schröder setzt sein linkes Bein nach vorne und stemmt sein | |
gesamtes Gewicht gegen die Treppe, er lehnt sich so weit nach hinten, dass | |
sein Hintern beinahe die Stufen berührt. | |
Unten erwartet ihn ein muffiger Kellergang, von der Decke hängen | |
Spinnweben, in einer Ecke am Boden türmt sich Schutt. Aufrecht stehen kann | |
Schröder hier nicht, zu niedrig ist das Geschoss. Zigmal legt er den Weg | |
zwischen Kellerabteil und Transporter zurück, läuft zwischen Hinterhaus und | |
Bordsteinkante hin und her. Nach den Briketts kommen noch einige Säcke lose | |
Kohlen, die Schröder jeweils mit einem gekonnten Wurf über die linke | |
Schulter auf den Kellerboden leert. „So, Schnauze voll“, sagt er lakonisch, | |
als die letzte Ladung ausgeleert ist und er wieder ans Tageslicht tritt. | |
Noch schnell abkassieren, dann geht es zurück zur Firma in Tempelhof. Es | |
ist noch nicht mal 10 Uhr am Vormittag. | |
## Und die Klimabilanz? | |
Wenn von Kohle die Rede ist, dann häufig wegen ihrer negativen Auswirkungen | |
auf das Klima. Welche Folgen hat es also, wenn immer mehr Leute mit dem | |
fossilen Brennstoff heizen? Anruf bei Marcel Langner, Leiter des | |
Fachgebiets für Grundsatzfragen der Luftreinhaltung im Umweltbundesamt. | |
„Heizen mit Kohle ist aus Umweltsicht natürlich sehr bedenklich“, sagt der | |
Experte. Bei der Kohleverbrennung würden unter anderem Feinstaub und | |
Schwefelverbindungen ausgestoßen, die für Mensch und Natur gefährlich | |
seien. | |
Zwar rechnet Langner nicht mit einer Überschreitung der | |
Feinstaub-Grenzwerte, wenn diesen Winter mehr Kohleöfen als sonst in | |
Betrieb sind. Allerdings seien diese Grenzwerte in Deutschland recht hoch | |
angesetzt. „Die Feinstaubbelastung ist trotzdem groß“, erklärt Langner. | |
Laut Weltgesundheitsorganisation sollte die Langzeitbelastung mit besonders | |
kleinen Partikeln, deren Durchmesser weniger als 2,5 Mikrometer misst, bei | |
maximal fünf Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Der aktuelle | |
EU-Grenzwert ist fünfmal so hoch. „Jeder zusätzliche Ofen“, sagt Langner, | |
„verschlechtert die Luftqualität.“ | |
Das ist auch Vicky Schmitt bewusst. „Wir heizen jeden Winter mit schlechtem | |
Gewissen“, räumt die Neuköllnerin ein. Neben Kohlen verfeuert sie auch | |
Holz, etwa in dem metallenen Badeofen, mit dem sie zwar immerhin nicht ihr | |
Wasser, jedoch das Badezimmer warm kriegen muss. „Wir belasten die Umwelt | |
ja doppelt“, sagt Schmitt in ihrem Wohnzimmer. „Gezwungenermaßen“, ergä… | |
ihr Mann. | |
Um weniger heizen zu müssen, haben die beiden ihren Schlafrhythmus auf die | |
Kachelöfen eingestellt. Sie stehen erst mittags auf und feuern dann die | |
Heizvorrichtungen an, sodass sie es am späten Nachmittag schließlich warm | |
haben. Nachgelegt wird nur, wenn es richtig kalt ist. „Mir wäre es auch | |
lieber, wir würden um neun aufstehen und anheizen können“, sagt Schmitt. | |
„Aber das können wir uns nicht leisten.“ | |
## Vergebliches Nachhelfen mit Elektroheizungen | |
Das gilt auch für den Betrieb der beige-braunen Elektroheizungen im | |
Wohnzimmer. Die beiden Geräte sind die einzigen Wärmequellen in dem großen | |
Raum. Sie stehen fest installiert vor dem bodentiefen Fenster, das über die | |
gesamte Raumbreite reicht und mit schweren Vorhängen verhangen ist. Zwar | |
sind die Heizungen eingeschaltet, dennoch ist es im Raum kühl, genau wie im | |
Rest der Wohnung. „Es ist halt nicht wirklich warmzukriegen“, sagt Schmitts | |
Mann resigniert – selbst wenn man die Elektroheizungen voll aufdrehe. Das | |
allerdings würde die Stromrechnung ins Unermessliche treiben. | |
Deshalb sind die beiden Bewohner:innen auf ihre Kachelöfen angewiesen. | |
Trotz der Unannehmlichkeiten, die die Kohleverbrennung mit sich bringt, | |
etwa den Schwefelgeruch. „Die Wohnung stinkt ohne Ende“, erzählt Schmitt. | |
Bislang ist davon allerdings nichts zu merken, weil die Neuköllnerin ihre | |
Öfen in diesem Herbst noch nicht angeworfen hat. Gesundheitlich, sagt sie, | |
hätten die Jahrzehnte mit dem fossilen Brennstoff Spuren hinterlassen. | |
Rheumatische Erkrankungen, beeinträchtigte Lungenfunktion. | |
Weil weder sie noch ihr Partner schwer tragen können, bringt eine Freundin | |
ihnen die Kohlen vom Keller in die Wohnung. 70 Kilogramm, Woche für Woche. | |
Die lagern dann in Holzkisten neben den Kachelöfen. Was mit Brikettbündeln | |
noch funktionierte, wird jetzt, mit den losen Kohlen, zu einer staubigen | |
Plackerei. Doch eine andere Wahl hat Schmitt freilich nicht. 490-mal habe | |
sie bei ihrem Kreuzberger Kohlenhändler angerufen, sagt sie, innerhalb | |
weniger Stunden. Erreicht habe sie ihn dennoch erst am folgenden Tag. Was | |
hätte sie gemacht, hätte sie keine Kohlen bekommen? „Ich habe keine | |
Ahnung“, sagt Schmitt. | |
Gesundheitsverträglicher zu heizen, das zeigt sich an dem Paar in seiner | |
Neuköllner Wohnung, muss man sich leisten können. Genau wie klimaschonende | |
Heizungsarten. Anders formuliert: Erst kommt die Wärme, dann die Moral. Das | |
trifft auch auf diejenigen zu, die sich mit Kohlen eindecken, weil sie | |
Angst haben, ihre Gasrechnungen nicht mehr stemmen zu können. So berichtet | |
der Kreuzberger Schornsteinfeger Alain Rappsilber, dass er normalerweise | |
zwei bis drei alte Öfen pro Monat für den erneuten Einsatz herrichte. | |
Momentan allerdings bekomme er dafür gut 20 Anfragen – in der Woche. | |
## Hohe Nachfrage, sinkendes Angebot, steigende Preise | |
Während ein Ende des Kohlebooms nicht in Sicht ist, könnten zwei Umstände | |
den Engpass sogar noch verschärfen. So sollen zwei Reserveblöcke des | |
Kohlekraftwerks Jänschwalde in Brandenburg hochgefahren werden, um die | |
Stromversorgung in Deutschland abzusichern. Die dafür benötigte Kohle würde | |
der Brikettfabrik Schwarze Pumpe fehlen, die deshalb „möglicherweise im | |
dritten Quartal dieses Jahres mit eingeschränkter Kapazität“ produzieren | |
müsse, wie der LEAG-Sprecher erklärt. Hinzu kommt, dass die rheinische | |
RWE-Brikettfabrik im Rahmen des bundesweiten Kohleausstiegs schließen muss | |
– zum Ende des Jahres. | |
„Das Loch wird in diesem Winter noch viel größer“, befürchtet | |
Brennstoffhändler Engelke deshalb. Schon jetzt sei Braunkohle im Einkauf | |
etwa doppelt so teuer wie noch vor wenigen Monaten. Vor allem aber sei | |
unklar, ob und wann sie geliefert werden könne. | |
Kurz darauf eilt eine Mitarbeiterin zu Engelke ins Büro und überreicht ihm | |
einen kleinen Zettel. „Was? Wirklich?“, fragt der Seniorchef überrascht, | |
als er auf das Papier blickt, und zieht hinter seiner schwarzen Brille die | |
Augenbrauen hoch. Es ist die Zusage eines Vorlieferanten. Ganz sicher ist | |
es zwar noch nicht, doch voraussichtlich wird Engelke einige Dutzend Tonnen | |
Braunkohle geliefert bekommen, Halbsteine und Briketts. Bestellt hatte er | |
schon im Sommer. | |
Wenige Meter weiter, in der Lagerhalle des Unternehmens, bereitet | |
Kohlenfahrer Andreas Schröder seinen Transporter für den kommenden Tag vor. | |
Mehr als ein halbes Dutzend Fahrzeuge parken in der Halle, es riecht nach | |
Holz und Öl, an jeder Ecke schrauben sich Palettentürme in die Höhe. Durch | |
die Oberlichter fällt die Mittagssonne auf sanft geschwungene Hügel aus | |
Holzpellets, die, derart beschienen, an Sanddünen erinnern. | |
Schröder steht an einem mobilen Förderband, das Kohlen von einem Haufen | |
abtransportiert. Ratternd fahren die schwarzen Stücke zunächst nach oben, | |
bevor sie erst in ein Reservoir am Ende des Bandes und dann, wenn man einen | |
Hebel zieht, in den Beutel darunter purzeln. Die vollen Säcke verfrachtet | |
Schröder auf eine Palette, die er schließlich mit dem Gabelstapler auf die | |
Ladefläche des Transporters hebt. | |
Am nächsten Morgen wird Schröder wieder um 6 Uhr in der Früh auf die Arbeit | |
kommen, einen Kaffee mit den Kollegen trinken und dann losfahren, um | |
Kund:innen mit Kohlen zu versorgen. Also diejenigen, für die noch etwas | |
da ist. | |
29 Sep 2022 | |
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Jonas Wagner | |
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