# taz.de -- Hoher Stromverbrauch von Aussenwerbung: „Ein erhebliches Einsparp… | |
> Berlin Werbefrei rechnet nicht mit dem Abstellen digitaler Werbeanlagen, | |
> trotz Energiekrise. Dabei verbraucht eine Anlage so viel wie zehn | |
> Haushalte. | |
Bild: Würden öffentliche Gebäude noch angestrahlt, wenn sie Werbetafeln wär… | |
taz: Herr El-Ghazi, in Berlin hat vorletzte Woche schon die Abschaltung der | |
Beleuchtung öffentlicher Gebäude begonnen. Weshalb passiert das nicht auch | |
mit Werbung? | |
Fadi El-Ghazi: Das müssen Sie die Senatsverwaltung für Umwelt und | |
Klimaschutz fragen. Aus unserer Sicht besteht bei den Werbeanlagen ein | |
erhebliches Einsparpotenzial. Allein eine kleine digitale Werbeanlage, wie | |
sie meist an Bushaltestellen zu sehen ist, verbraucht im Jahr 15.000 kWh, | |
das entspricht dem Verbrauch von zehn Einpersonenhaushalten im selben | |
Zeitraum. Die großen Anlagen verbrauchen allerdings ein Vielfaches davon. | |
Der Berliner Senat diskutiert kommenden Dienstag, wie in der Stadt | |
angesichts der Energiekrise Strom gespart werden kann. Erwarten Sie, dass | |
das Thema elektronische Außenwerbung dort eine Rolle spielt und eventuell | |
sogar Forderungen des Volksbegehrens hier schon umgesetzt werden könnten? | |
Wir gehen nicht davon aus, dass die Politik dieses Thema auf die | |
Tagesordnung setzt. Unserer bisherigen Erfahrung nach tritt der Senat eher | |
als Werbelobbyist auf, als dass er die Interessen der Bevölkerung wahren | |
würde. | |
Welche Spielräume hätte denn der Senat? | |
Der Senat hätte mittels Einsparverordnung rechtliche Möglichkeiten, jetzt | |
ausnahmsweise Außenwerbung einzuschränken. Das ginge vor dem Hintergrund | |
der Gasknappheit. Unser Konzept ist längerfristig angelegt. Wir wollen eine | |
Gesetzesänderung, die auch berücksichtigt, dass die digitalen Werbeanlagen | |
schon installiert sind, da das Land Berlin sich durch ein sofortiges Verbot | |
schadenersatzpflichtig machen würde. Deswegen sieht unser Gesetzentwurf | |
Übergangslösungen für die bestehenden Anlagen vor. | |
Das Volksbegehren fordert aber prinzipiell ein Verbot von digitalen | |
Werbeanlagen und Wechsellichtanlagen, also diese großen Tafeln wie etwa an | |
der East Side Gallery. Was ist denn das generelle Problem dieser Anlagen? | |
Das generelle Problem ist die optische Dominanz dieser Werbung im | |
öffentlichen Raum. Dadurch, dass die digitalen Anlagen mit Licht und | |
Bewegung arbeiten werden sie automatisch vom Auge registriert. Dadurch | |
prägt sie unser Stadtbild und die Stadt verkommt zur Dauerwerbesendung. | |
Daneben steht natürlich der Energie- und Ressourcenverbrauch, aber auch die | |
massive Lichtverschmutzung. | |
Gehören digitale Werbeflächen nicht gerade zu einem urbane Stadtbild, wie | |
am Piccadilly Circus in London oder am Times Square in New York? | |
Aus unserer Sicht gehören digitale Werbeanlagen nicht zu einer modernen | |
Stadt. Durch sie verlieren Städte ihr individuelles Gesicht und sehen | |
zunehmen alle gleich aus. So lange gibt es digitale Werbeanlagen noch nicht | |
und auch davor war Berlin schon eine Weltstadt. Piccadilly Circus und Times | |
Square sind Orte wie bei uns vielleicht der Mercedes Benz Platz, der | |
absolut keine Aufenthaltsqualität bietet. Mittels eines Verzichts auf | |
Außenwerbung können wir unsere Lebensqualität und Aufenthaltsqualität | |
massiv verbessern. | |
Wie sehen Sie die Aussichten des Volksbegehrens und glauben Sie, dass die | |
Energiekrise Ihnen weiter Rückenwind geben wird? | |
Das Volksbegehren beginnt im August 2023. Dann wollen wir 200.000 | |
Unterschriften sammeln, damit, falls wir erfolgreich sind, gleichzeitig mit | |
der Europawahl abgestimmt werden kann. Die aktuelle Energiekrise und der | |
Klimawandel geben uns natürlich Rückenwind, gerade im Hinblick auf den | |
Stromverbrauch, aber wir glauben, dass es noch bessere Argumente für Berlin | |
Werbefrei gibt. Die Lichtverschmutzung durch digitale Anlagen ist aus | |
unserer Sicht ein größeres Problem. | |
10 Aug 2022 | |
## AUTOREN | |
Friedemann Melcher | |
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