# taz.de -- Volksinitiative gegen Werbung in Hamburg: Grüne mögen Flimmerwerb… | |
> Die Volksinitiative „Hamburg Werbefrei“ will das Aufstellen | |
> digitalisierter Werbetafeln beenden. SPD und Grüne sind noch nicht | |
> überzeugt. | |
Bild: Die Initiator:innen zum Start der Unterschriftensammlung auf dem Hamburge… | |
Hamburg taz | Die Dauer der Fragerunde hat Martin Weiser überrascht. Mehr | |
als vier Stunden lang befragten am Dienstagabend die Hamburger | |
Bürgerschaftsabgeordneten im Verkehrsausschuss Weise und seine | |
Mitstreiter:innen von der [1][Volksinitiative „Hamburg Werbefrei“] nach | |
ihren Anliegen. „Das war ein sehr intensiver Austausch“, sagt Weise. | |
Doch vor dem heutigen Treffen mit den Spitzen der Regierungsfraktionen von | |
SPD und Grünen sollte sich die Initiative nicht allzu große Hoffnungen | |
darauf machen, dass die Fraktionen dem Ziel der Initiative zustimmen oder | |
wenigstens Kompromissbereitschaft signalisieren werden: Sowohl SPD als auch | |
Grüne halten die wachsende Zahl großer digitalisierter und [2][damit | |
energieintensiver Werbeflächen] für weitgehend unproblematisch. Die nächste | |
Stufe auf dem Weg zu einem Volksentscheid bahnt sich damit an. | |
Nachdem die Aktivist:innen bis Oktober vergangenen Jahres rund 15.000 | |
Unterschriften für ein Regulierungsgesetz von Werbetafeln im öffentlichen | |
Raum gesammelt hatten, konnten sie am Dienstag ihre Argumente und ihren | |
Gesetzesvorschlag den Abgeordneten vorstellen. So will Hamburg Werbefrei | |
zum einem die in den vergangenen Jahren rapide gewachsene Zahl an | |
digitalisierten Werbetafeln wieder auf null reduzieren: „Sie verbrauchen | |
derzeit mindestens 6,5 Millionen Kilowattstunden pro Jahr“, beklagte Weise | |
vor dem Ausschuss. | |
Damit würde mehr Strom verbraucht als die Haushalte von Stadtteilen wie der | |
Veddel oder der Hafencity. „SPD und Grüne haben sich [3][im | |
Koalitionsvertrag selbst auf die Fahnen geschrieben, Hamburg zur | |
‚Modellstadt für den Klimaschutz‘ machen zu wollen]“, sagte Weise. | |
## Unfälle und Stromverbrauch | |
Auch die sinkende Verkehrssicherheit durch das zuletzt sprunghaft | |
gestiegene Austauschen von herkömmlichen Plakatwechselanlagen führt die | |
Initiative als Argument an. So sei die sogenannte Fixierungsdauer von | |
Autofahrer:innen – wie lang sie also während der Fahrt auf eine hell | |
glimmernde Tafel am Straßenrand schauen und damit nicht auf die Straße – | |
deutlich gestiegen. Dies gehe aus Untersuchungen der Firmen hervor, die | |
auch in Hamburg Betreiber der Werbetafeln sind. | |
Zwar hatte der Hamburger Senat bereits erklärt, dass ihm keine Unfälle in | |
der Stadt bekannt seien, die auf den Einfluss von Werbetafeln | |
zurückzuführen seien – jedoch weisen die Volksinitiator:innen darauf | |
hin, dass geringere Ablenkungsmöglichkeiten die allgemeine | |
Verkehrssicherheit erhöht. | |
Mit ihrem vorgeschlagenen Gesetz zur Regulierung von Außenwerbung auf | |
öffentlichem Grund [4][will die Initiative] auch die Größe der Tafeln | |
einschränken: Während an Hamburgs Straßenrändern immer mehr 10,5 | |
Quadratmeter große Screens stehen, soll die maximale Plakatgröße auf einen | |
Quadratmeter beschränkt sein. | |
Dadurch würden sich Werbetafeln, die auf öffentlichen Flächen stehen, | |
nicht mehr „negativ auf das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild sowie die | |
architektonische und städtebauliche Gestaltung auswirken“, argumentiert die | |
Initiative. | |
## Wichtige Einnahmequelle für Hamburg | |
Doch kaum eines der Argumente wollen SPD und Grüne gelten lassen. „Wir als | |
SPD-Fraktion können der Initiative nicht viel abgewinnen“, sagt Ole Thorben | |
Buschhüter, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Werbung gehört | |
zu einer großen Metropole dazu“, findet er. | |
Eine Regulierung würde für die Stadt zudem finanzielle Einbußen bedeuten: | |
Mehrere Millionen Euro kassiert sie jährlich von den Werbefirmen. Wie weit | |
die Einnahmen durch ein Werberegulierungsgesetz sinken würden, wissen | |
jedoch weder die Stadt noch die Initiative. | |
Ähnlich sieht es beim grünen Koalitionspartner aus, von dem sich die | |
Volksinitiative durchaus Unterstützung erwartet hatte. Zwar erklärt auch | |
Fraktionschef Dominik Lorenzen seine Sympathie für die Ziele der | |
Initiative: „Die Frage, wie der öffentliche Raum aussehen soll, ist ein | |
grünes Ur-Anliegen.“ | |
Jedoch halten die Grünen die digitale Außenwerbung in bisheriger Form und | |
im Ausmaß für einwandfrei: „Die Verträge, die wir darüber mit den | |
Betreiberfirmen geschlossen haben, regulieren bereits angemessen die | |
Außenwerbung in der Stadt“, sagt Lorenzen. | |
## Kompromiss nicht in Sicht | |
Somit ist auch nach dem heute geplanten Gespräch zwischen den | |
Volksinitiator:innen und den Fraktionsspitzen von Grünen und SPD kaum | |
damit zu rechnen, dass sich ein Kompromiss abzeichnet. Sollte der Hamburger | |
Senat nicht noch nach juristischer Prüfung Zweifel an der Rechtmäßigkeit | |
des Initiativenziels anmelden und damit das Hamburgische Verfassungsgericht | |
einschalten, könnte schon bald die nächste Phase in der Volksgesetzgebung | |
beginnen. | |
Dann muss die Initiative 65.000 Unterschriften sammeln, damit sich die | |
Bürgerschaft erneut mit der Initiative auseinandersetzen muss.Würde sie | |
dann erneut ablehnen, käme es zum Volksentscheid. | |
13 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Hamburger-Initiative-will-Volksentscheid/!5775966 | |
[2] /Hamburger-Werbeflaechen-werden-digital/!5870537 | |
[3] /Koalitionsverhandlungen-in-Hamburg/!5687252 | |
[4] https://www.hamburg-werbefrei.de/ | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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