# taz.de -- Windkraft in Hamburger Naturschutzgebiet: Klima- gegen Naturschutz | |
> Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) will Windräder in | |
> Naturschutzgebieten errichten. Umweltverbände kündigen dagegen Klagen an. | |
Bild: In Hamburg noch immer eine Rarität: Windräder | |
HAMBURG taz | Sie sollen wildlebende Tier- und Pflanzenarten schützen: Der | |
Erhalt von Biotopen und Lebensstätten von Tieren hat in Naturschutzgebieten | |
oberste Priorität und darf durch menschlichen Eingriff eigentlich nicht | |
gefährdet werden. Doch der Hamburger Senat hat nun bekanntgegeben, dass er | |
die Voraussetzungen prüft, in seinen [1][Naturschutzgebieten Windkrafträder | |
aufzustellen.] Schließlich solle damit der Klimakrise begegnet werden. | |
Das geht aus der Senatsantwort auf die Anfrage des | |
Bürgerschaftsabgeordneten Sandro Kappe (CDU) hervor – und bringt auch | |
Naturschutzverbände auf die Palme: Weil der Senat die Gebiete gefährde, | |
kündigte der BUND umgehend an, gegen jedes dort künftig geplante Windrad zu | |
klagen. | |
Gerade einmal 65 Windkrafträder stehen derzeit in Hamburg. [2][Der | |
rot-grüne Senat ist sich einig,] dass sich die Zahl dringend erhöhen muss. | |
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sprach kürzlich von 70 bis 100 neuen | |
Anlagen, die gebaut werden sollen. Denn am 1. Februar tritt bundesweit das | |
sogenannte „Wind-an-Land-Gesetz“ in Kraft. | |
Die Ampel-Koalition in Berlin will damit den Ausbau der Windenergie in | |
Deutschland deutlich schneller als zuvor voranbringen. Ziel des Gesetzes | |
ist es, bis 2032 bundesweit zwei Prozent der Fläche für Windkraftanlagen | |
auszuweisen. Bislang sind erst 0,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie | |
an Land ausgewiesen. | |
## Hamburg braucht dringend Flächen | |
Dafür gibt es für jedes Bundesland spezifische Flächenvorgaben: Während das | |
Flächenland Niedersachsen 2,2 Prozent seiner Landesfläche bereitstellen | |
muss, sind es in Hamburg 0,5 Prozent. „Wir teilen das regional fair auf, | |
berücksichtigen dabei die Windbedingungen, den Natur- und Artenschutz und | |
die räumlichen Ordnungen“, hatte Wirtschafts- und Klimaschutzminister | |
Robert Habeck (Grüne) dazu erklärt. | |
Doch auch wenn es eine Entscheidung der Bürgerschaft gibt, die den Bau von | |
Windrädern in Naturschutzgebieten ausschließt, hatte das Bürgermeister | |
Peter Tschentscher (SPD) schon im vergangenen Sommer ins Gespräch gebracht. | |
Schließlich gilt derzeit gerade einmal rund 0,02 Prozent der Landesfläche | |
als ausgewiesene Windenergiefläche. Und die neue Wirtschaftssenatorin | |
Melanie Leonhard (SPD) habe die Einbeziehung von Naturschutzgebieten vor | |
wenigen Tagen ebenfalls nicht ausgeschlossen, beklagt der BUND. | |
In der am Freitag öffentlich gewordenen Senatsantwort wird dieser | |
anvisierte Weg konkreter: „Der Senat arbeitet behördenübergreifend daran, | |
möglichst viele neue Standorte für Windenergieanlagen zu identifizieren“, | |
heißt es in der Antwort auf Kappes Anfrage. Demnach werden nun die | |
Voraussetzungen geprüft, wo Flächennutzungspläne geändert werden könnten. | |
Damit stünde die Tür auf, Windkraftanlagen auch in Naturschutzgebieten | |
aufzustellen, beklagt Kappe. „Solange nicht alle potenziellen Standorte für | |
Windkraftanlagen geprüft worden sind, darf keine Windkraftanlage in | |
Naturschutzgebieten ertüchtigt werden“, fordert er. | |
## Umweltverbände kritisieren Tschentscher | |
Angesichts des Zusammenhangs von [3][Klimakrise und Artensterben] hatte | |
auch der Nabu schon deutliche Worte an den Bürgermeister gerichtet: „Wer | |
wie der Bürgermeister latent die Klima- gegen die Biodiversitätskrise | |
ausspielt, hat das wahre Ausmaß der Bedrohung leider noch immer nicht | |
verstanden“, beklagt Malte Siegert, Vorsitzender des Nabu Hamburg. | |
Ohnehin ist die Frage, wie groß der Nutzen von Windrädern in den | |
Naturschutzgebieten wäre. In Hamburg gibt es mehr als 30 | |
Naturschutzgebiete. Mittlerweile stehen rund zehn Prozent der Landesfläche | |
unter Naturschutz – damit hat Hamburg im Vergleich zu den anderen | |
Bundesländern den höchsten Prozentsatz. Bei einer Landesfläche von rund 755 | |
Quadratkilometern aber ist die Gesamtfläche der Hamburgischen | |
Naturschutzgebiete, jedenfalls im Vergleich zu den deutschen | |
Flächenländern, gering. | |
Dementsprechend ist auch die potenzielle Anzahl von aufzustellenden | |
Windkrafträdern in Hamburger Naturschutzgebieten überschaubar. Und auf | |
anderen Flächen in der Stadt gäbe es kaum oder nur geringe Umwelteinbußen. | |
So hatte auch Umweltsenator Kerstan verkündet, die meisten Windräder | |
sollten in den Hafen kommen. | |
[4][Genau darauf pocht nun auch der BUND]: „Im Zweifel wird der Senat bei | |
jedem einzelnen Bauantrag vor Gericht darlegen müssen, warum er dem Ziel | |
der Bundesregierung, in Hamburg 0,5 Prozent der Landesflächen für Windkraft | |
zur Verfügung zu stellen, nicht im Hafen, auf Gewerbe- oder | |
landwirtschaftlichen Flächen nachkommen kann“, sagt die Vorsitzende | |
Christiane Blömeke. | |
Mit der Klageandrohung erschwert der BUND den von Tschentscher | |
angestrebten Bau der Windräder in Naturschutzgebieten. Die Zeit zur | |
Ausweisung von Flächen für die Windkraft ist knapp. Denn das | |
Wind-an-Land-Gesetz gibt auch vor, dass Hamburg schon Ende 2026 0,25 | |
Prozent seiner Landesfläche – also die Hälfte der für 2032 vorgegebenen | |
Fläche – bereitgestellt haben muss. Eine Klage würde den Senat also | |
wertvolle Zeit kosten. | |
31 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Gesetzespaket-zur-Energiewende/!5858262 | |
[2] /Hamburger-Senat-kauft-CO2-Ausgleich/!5899290 | |
[3] /Volksini-startet-Unterschriftensammlung/!5795942 | |
[4] https://www.bund-hamburg.de/ | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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