# taz.de -- Nachruf auf Schauspielerin Nichols: Die Diversity-Revolutionärin | |
> Nichelle Nichols ist gestorben. Als Lieutenant Uhura in „Star Trek“ hat | |
> sie den Grundstein für Diversität gelegt – im Fernsehen, aber auch im | |
> Weltraum. | |
Bild: Hat als Lieutenant Uhura alles im Griff: Schauspielerin Nichelle Nichols … | |
Wenn geliebte Serienfiguren ihre Serie verlassen wollen oder müssen, mucken | |
Fans dagegen mitunter auf – business as usual, könnte man sagen. Wenn der | |
enttäuschte Fanboy [1][Dr. Martin Luther King] heißt, dürfte schnell klar | |
werden: Hier geht es um mehr. Um sehr viel mehr. | |
Als Nichelle Nichols also 1967 nach der ersten und zunächst nicht | |
sonderlich erfolgreichen Staffel [2][„Star Trek“ (hierzulande bekannt unter | |
dem Titel „Raumschiff Enterprise“)] ihren Serienjob an den Nagel hängen | |
will, zugunsten ihrer Broadwaykarriere, geschieht etwas Folgenschweres: Sie | |
hat ihre Kündigung schon eingereicht, da trifft sie am Wochenende bei einem | |
Meeting der Bürgerrechtsorganisation National Association for the | |
Advancement of Colored People auf einen prominenten Anhänger: eben jenen | |
Dr. Martin Luther King. | |
King sagt Nichols bei diesem spontanen Aufeinandertreffen, dass er ihr | |
größter Fan sei – und dass „Star Trek“ die einzige Serie sei, für die … | |
Kinder abends länger wach bleiben dürften. Als Nichols erwidert, dass sie | |
die Serie verlassen werde, fällt ihr King ins Wort: „Nein, das können Sie | |
nicht tun! Zum ersten Mal im Fernsehen werden wir hier so gezeigt, wie man | |
uns auch im Alltag sehen sollte: als intelligente, wunderschöne Menschen, | |
die singen und tanzen, aber auch in den Weltraum reisen oder | |
Professor:innen und Rechsanwält:innen sein können.“ Ihre Rolle sei | |
eben alles andere als eine typisch Schwarze oder typisch weibliche | |
Fernsehrolle dieser Zeit. | |
Nichols ist überzeugt und bleibt der Serie bis in die finale dritte Staffel | |
treu; und später auch in sechs „Star Trek“-Kinofilmen – damit legt sie d… | |
Grundstein für Diversität in Serien und Filmen, wie wir sie heute kennen, | |
und wie es ein halbes Jahrhundert nach den Anfängen von „Star Trek“ langsam | |
fast Standard ist. | |
## Schlüsselposition auf der Brücke | |
Der „Star Trek“-Cast von damals ist die pionierhafte Blaupause für viele | |
Serien-Casts von heute, in denen Menschen aller Hautfarben gleichberechtigt | |
agieren. Und Nichelle Nichols als Lieutenant Uhura war die Schlüsselrolle | |
diesbezüglich. 1966, als „Star Trek“ startete, war man es gewohnt, eine | |
Schwarze Frau als Zimmermädchen in einer Serie zu sehen – aber sicher nicht | |
als Teil der Brückencrew auf einem Raumschiff. Man mag von Rangabzeichen | |
halten, was man will – aber als Lieutenant ist sie Teil der höheren | |
Kommandoebene. Was für ein Statement zur Hochzeit der Bürgerrechtsbewegung! | |
Und da die Philosophie von „Star Trek“ nicht aufs Ballern, sondern auf | |
Diplomatie setzt, sitzt Uhura als Kommunikationsoffizierin an einer | |
Schlüsselstelle. In ihr bloß die Telefonistin im Minirock zu sehen, wäre | |
ein massives Missverständnis. Ihre Rolle ist mindestens so revolutionär wie | |
der Fakt, dass Showrunner Gene Roddenberry mitten im Kalten Krieg in seiner | |
Utopie des 23. Jahrhunderts antikapitalistisch das Geld abschafft und einen | |
Russen wie auch einen Japaner in die Brückencrew der „Enterprise“ aufnimmt. | |
Trotzdem musste auch „Star Trek“ noch dazulernen: Im Zentrum der | |
Originalserie stand stets das Buddytriumvirat der weißen Dudes: Captain | |
Kirk, Spock und Pille. 1987 in „Star Trek: The Next Generation“ gab es dann | |
einen Schwarzen Chefingenieur. Und [3][Whoopi Goldberg], damals schon ein | |
großer Star, wollte, weil sie die Rolle von Nichelle Nichols so | |
lifechanging fand, unbedingt in der Serie mitspielen. Was sie dann auch | |
tat, als Guinan, die weise Ratgeberin von Captain Picard. | |
„Star Trek: Deep Space Nine“ hatte dann sogar einen Schwarzen | |
Raumstationkommandanten: den alleinerziehenden Vater Benjamin Sisko. Und in | |
„[4][Star Trek: Discovery]“ ist seit 2017 mit Michael Burnham endlich eine | |
Schwarze Frau Hauptfigur der Serie – in der auch erstmals mehrere queere | |
Figuren im Hauptcast sind, ein Thema, das „Star Trek“, bei allen inklusiven | |
Leistungen, lange sträflich vernachlässigt hatte. | |
## Ein erzwungener Kuss | |
Man kann nicht über Nichelle Nichols sprechen, ohne auch diese Szene zu | |
erwähnen: [5][der legendäre Kuss mit Captain Kirk in der Folge „Platons | |
Stiefkinder“]. Er gilt oft als der erste biracial Kuss im US-amerikanischen | |
Fernsehen, obwohl das nicht ganz stimmt, denn es gab durchaus schon davor | |
ein paar wenige, wenn auch weniger prominente. Und die Szene hat noch ein | |
weiteres Manko: Kirk und Uhura werden in dieser Folge von einer | |
Alienspezies ferngesteuert; agieren also nicht mit freiem Willen. | |
Romantisch ist das mitnichten. Sei’s drum, es war trotzdem für die Zeit so | |
bahnbrechend, dass sich einige Sender im Süden der USA weigerten, die Folge | |
auszustrahlen. | |
Sowieso ist Nichelle Nichols mehr als „Star Trek“: Nicht bloß, dass sie | |
vorher schon zusammen mit Duke Ellington Jazz gemacht hat; nein, nach „Star | |
Trek“ rekrutierte Nichelle Nichols für die Nasa Astronaut:innen – bei | |
einem Programm für mehr Diversität in der Raumfahrt. So konnte sie etwa | |
[6][Sally Ride] gewinnen (die erste weibliche Astronautin der Nasa), wie | |
auch Guion Bluford (den ersten afroamerikanischen Astronauten der USA). Für | |
sie alle war Nichelle Nichols eine Ikone, die ihr Leben veränderte. Dass | |
auch [7][Barack Obama] Fan der lebenslangen Demokratin war (was er bei | |
einem Treffen im Oval Office 2012 kundtat), ist eigentlich eh klar. | |
Dass Nichols nun am 30. Juli 2022 im Alter von 89 Jahren an Herzversagen | |
starb, stimmt wahnsinnig traurig. Sie wird eine Ikone bleiben, als Schwarze | |
Frau, die maßgeblich verändert hat, wen wir in Hollywood vor der Kamera und | |
auch in realexistierenden Raumschiffen sehen: Menschen, denen sie Mut | |
gemacht hat, zu den Sternen zu greifen. | |
1 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Martin-Luther-King/!t5019770 | |
[2] /TV-Jubilaeum-von-Star-Trek/!5333110 | |
[3] /Bemerkung-zum-Holocaust/!5829607 | |
[4] /Diversitaet-in-Star-Trek-Discovery/!5717687 | |
[5] https://www.youtube.com/watch?v=lThvEsP5-9Y | |
[6] /Vorbild-fuer-Generationen-junger-Maedchen/!5088315 | |
[7] /Barack-Obama/!t5007770 | |
## AUTOREN | |
Stefan Hochgesand | |
## TAGS | |
Star Trek | |
Diversity | |
Nachruf | |
Martin Luther King | |
Schauspielerin | |
Tom Cruise | |
Diversität | |
Serien-Guide | |
Triage | |
Star Trek | |
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
Star Trek | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streamingdienst Paramount+: Und noch einer | |
Mit Paramount+ gibt es einen weiteren Streamingdienst. Doch wird er | |
inmitten der wachsenden Zahl von Konkurrenzanbietern herausstechen? | |
Grenzen der Vielfalt: Hinter den Schaufenstern | |
„Diversität“ ist das Schlagwort der Stunde, alle setzen heute auf Vielfalt. | |
Nur: Das gängige Verständnis davon greift viel zu kurz. | |
Serie „Made For Love“ bei RTL+: Chip im Hirn | |
Hazel hat einen übergriffigen Ehemann, der leider auch Tech-Papst ist. Die | |
Trennung von ihm wird deswegen auch zu einer digitalen Flucht. | |
Apple-Serie „Five Days at Memorial“: Kurze Ruhe vor dem nächsten Sturm | |
Triage, ungeklärte Todesfälle, Evakuierung: In „Five Days at Memorial“ | |
versucht eine Klinik verzweifelt, während Hurricane „Katrina“ Leben zu | |
retten. | |
Serie „Star Trek: Lower Decks“: Beam me down, Scotty! | |
Der Weltraum mal unglamourös? Die Serien „Star Trek: Lower Decks“ und | |
„Moonbase 8“ erzählen vom Alltag von Normalo-Astronaut:innen. | |
Diversität in „Star Trek Discovery“: Queers im Sternenhimmel | |
„Star Trek“ galt immer als progressiv, dabei gab es fast keine queeren | |
Figuren. Das ändert sich in der dritten Staffel „Star Trek: Discovery“. | |
„Star Trek: Picard“ bei Amazon: Der Captain der Herzen | |
Jean-Luc Picard war Ende der 80er Kapitän der „Enterprise“. Nun kehrt er | |
mit einer Serie zurück. Als genau der Held, den wir jetzt brauchen. |