| # taz.de -- TV-Jubiläum von „Star Trek“: Der Kapitalismus ist abgeschafft | |
| > Vor 50 Jahren strahlte NBC die erste Folge der Science-Fiction-Serie | |
| > „Star Trek“ aus. Gene Roddenberry machte gesellschaftspolitische | |
| > TV-Geschichte. | |
| Bild: Soziale Ungleichheit, Rassismus, Armut und Krieg sind überwunden: Star T… | |
| Die Reaktionen der Zuschauer, denen NBC 1965 eine Pilotfolge mit dem Titel | |
| [1][„The Cage“ (dt. „Der Käfig“)] vorführt, sind eindeutig. Vor allem… | |
| Figuren der Raumschiffbesatzung um den befehlshabenden Captain Christopher | |
| Pike verstören das Testpublikum nachhaltig: ein „teuflisch“ aussehender | |
| Außerirdischer mit spitzen Ohren und Augenbrauen namens Mr. Spock, und die | |
| Besetzung des „Nummer Eins“ genannten Ersten Offiziers auf der | |
| Kommandobrücke – mit einer Frau. | |
| Der Sender erteilt dem Team von „Star Trek“ eine Absage. Auch, weil | |
| Drehzeit und Budget massiv überzogen wurden und es sich nicht – wie | |
| angekündigt – um einen Weltraumwestern handelt. Eigentlich wäre Gene | |
| Roddenberrys Vision von einer utopischen Science-Fiction-Serie damit | |
| erledigt gewesen. | |
| Der ehemalige US-Bomberpilot, der während des Zweiten Weltkrieges Einsätze | |
| im Pazifik geflogen war, landet über Umwege als freier Drehbuchautor beim | |
| Fernsehen. Seit den fünfziger Jahren schreibt er für Western- und | |
| Polizeiserien, ehe er 1963 das Konzept für die Serie „The Lieutenant“ | |
| verkaufen kann. Mit seinem Herzensprojekt „Star Trek“ will er die Idee von | |
| einer multiethnischen und intergalaktischen Raumschiffcrew in einer Zukunft | |
| verwirklichen, in der die Menschheit zu einer globalen Einheit | |
| zusammengewachsen ist. | |
| Soziale Ungleichheit, Rassismus, Armut und Krieg sind überwunden, der | |
| Kapitalismus ist abgeschafft. In der Vereinten Föderation der Planeten wird | |
| nach dem Grundsatz der Multilateralität gemeinsam mit außerirdischen | |
| Völkern Handel und Forschung betrieben. In Zeiten der Blockbildung des | |
| Kalten Krieges und des allgegenwärtigen Misstrauens sind Roddenberrys | |
| progressive Fantasien mehr als verträumter Eskapismus; aus konservativer | |
| Sicht stellen sie eine pure Provokation dar. | |
| ## Eine Frau in der Kommandozentrale | |
| Trotzdem bekommt er eine zweite Chance. Völlig branchenunüblich gibt der | |
| Sender eine weitere Pilotfolge für „Star Trek“ in Auftrag. Dafür muss zwar | |
| eine Reihe stilistischer Änderungen vorgenommen werden, die grundsätzliche | |
| Kernidee aber bleibt. Ausgerechnet der fremdartige Mr. Spock wird zum | |
| einzig verbleibenden Crewmitglied der alten Besetzung unter der Führung des | |
| neuen Captains James T. Kirk, dessen Rolle der junge kanadische | |
| Schauspieler William Shatner übernimmt. | |
| Kirk zur Seite stehen der Schotte Montgomery Scott, der Japaner Hikaru Sulu | |
| und mit Pavel Chekov etwas später sogar ein Russe. Mit Nichelle Nichols als | |
| Kommunikationsoffizierin Nyota Uhura befördert Roddenberry zudem nicht nur | |
| erneut eine Frau in die Kommandozentrale, sondern besetzt mit ihr auch die | |
| erste Afroamerikanerin in einer tragenden Rolle im US-Fernsehen. Die neue | |
| Version startet am 8. September 1966. | |
| Als die ehemalige Sängerin Nichols nach der ersten Staffel ein Angebot vom | |
| Broadway bekommt, überzeugt sie ein prominenter „Star Trek“-Fan, | |
| weiterzumachen: Martin Luther King. Der Bürgerrechtler erklärt ihr, wie | |
| wichtig ihre Rolle für das Selbstverständnis der schwarzen Amerikaner sei: | |
| „Du hast keine schwarze Rolle, du hast eine gleichwertige Rolle.“ | |
| Siebeneinhalb Monate nach Kings Ermordung schreibt Uhuras Figur erneut | |
| Fernsehgeschichte. In der Folge [2][„Platons Stiefkinder“] kommt es zum | |
| ersten TV-Kuss zwischen einem Weißen und einer Schwarzen. Einige Sender der | |
| Südstaaten weigern sich, die Episode auszustrahlen. | |
| ## Sechsteilige Kinofilmreihe von 1979 bis 1991 | |
| Nur anderthalb Monate bevor die Mondlandung der Apollo 11-Mission die Welt | |
| in eine kollektive Raumfahrteuphorie versetzt, läuft am 3. Juni 1969 die | |
| letzte „Star Trek“-Folge. Nach einem Fanprotest hatte sich NBC zwar noch zu | |
| einer dritten Staffel durchgerungen, doch als sich die Quoten auch | |
| weiterhin als zu niedrig erweisen, wird das Projekt nach 79 Episoden | |
| beendet. | |
| Aber in den folgenden Jahren entwickelt sich „Star Trek“ aufgrund | |
| zahlreicher Wiederholungen und internationaler Verkäufe – das ZDF hat die | |
| Serie als „Raumschiff Enterprise“ ab 1972 im Programm – zum international… | |
| Kulthit. Zwischen 1973 und 1974 setzt NBC die Abenteuer mit einer | |
| Zeichentrickserie fort, ehe eine sechsteilige Kinofilmreihe von 1979 bis | |
| 1991 die Geschichte erfolgreich im Großformat weitererzählt. | |
| Mit der nachfolgenden Fernsehserie „Star Trek – The Next Generation“ | |
| („Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert“) trifft Roddenberry ab | |
| 1987 den gesellschaftlichen Nerv der Zeit zwischen Glasnost und | |
| Perestroika. Die heterogene Crew der neuen „Enterprise“ um den | |
| intellektuellen Diplomaten Captain Picard bringt hohe Einschaltquoten und | |
| sorgt für einen weiteren Popularitätsschub des Franchise, das nach dem Tod | |
| Roddenberrys 1991 mit neuen Serien fortgesetzt wird. In „Deep Space Nine“ | |
| steht die gleichnamige Raumstation um den schwarzen Commander Benjamin | |
| Sisko im Mittelpunkt, während in „Voyager“ mit Captain Kathryn Janeway | |
| endlich eine Frau das titelgebende Raumschiff lenkt. | |
| ## Stilistische Vergangenheit | |
| Als am 26. September 2001 der nächste Serienableger „Enterprise“ | |
| ausgestrahlt wird, zeichnet sich jedoch das Ende der Erfolgsstory ab. | |
| Wenige Wochen nach den Anschlägen auf das World Trade Center ist der | |
| progressive und positive multikulturelle Ton in Roddenberrys Universum | |
| nicht mehr gefragt. Auch stilistisch wirkt das Projekt veraltet, vor allem | |
| im Vergleich mit der 2003 startenden Neuauflage der 1978er Serie | |
| „Battlestar Galactica“, die im Kanon der neuen Qualitätsserien einen | |
| düsteren Gesellschaftskommentar liefert. | |
| Im Jahr 2009 gelingt es Regisseur J. J. Abrams mit einer actionorientierten | |
| Version der Originalgeschichte und bislang zwei Fortsetzungen, die Marke | |
| „Star Trek“ weltweit wiederzubeleben. Die Feierlichkeiten zum 50-jährigen | |
| Jubiläum 2016 werden zudem von der Ankündigung einer weiteren Fernsehserie | |
| begleitet: Mit „Star Trek: Discovery“ unter der Leitung von Showrunner | |
| Bryan Fuller („Pushing Daisys“, „Hannibal“) will der US-Sender CBS sein | |
| Streamingangebot erweitern; in Deutschland werden die Folgen via Netflix | |
| bereitgestellt. | |
| Mit der Auswahl der Hauptfigur für die neue Reihe, die zehn Jahre vor der | |
| Ursprungsserie spielen soll, verneigen sich die Macher vor einem Charakter | |
| der einst abgelehnten Pilotfolge. Wie Fuller jüngst in einem Radiointerview | |
| verriet, soll die Sternenflottenoffizierin schlicht auf den Titel „Nummer | |
| Eins“ hören. | |
| 8 Sep 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.startrek-hd.de/der-kafig-the-cage/ | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=lThvEsP5-9Y | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Mayer | |
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